Symbolbild: In zwei bayerischen Gemeinden mussten die örtlichen Supermärkte – entgegen anders lautenden Gerüchten – nicht schließen.
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Symbolbild: In zwei bayerischen Gemeinden mussten die örtlichen Supermärkte – entgegen anders lautenden Gerüchten – nicht schließen.

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#Faktenfuchs: Keine Supermarkt-Schließungen wegen Geflüchteten

In zwei schwäbischen Orten und im oberbayerischen Penzing kursiert ein Gerücht: Wegen Problemen mit Geflüchteten müsse der örtliche Supermarkt schließen. In beiden Fällen ist das falsch. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Darum geht's:

  • Wo viele Geflüchtete untergebracht werden, gibt es auch häufig Diskussionen unter Bürgerinnen und Bürgern. Und manchmal werden auch Falschbehauptungen verbreitet.
  • So kursierten beispielsweise in mehreren bayerischen Orten Gerüchte, dass Supermärkte schließen müssen, weil es Probleme mit Geflüchteten gebe. Das stimmt nicht.
  • Aus wissenschaftlicher Sicht ist das ein "Musterbeispiel" für die Verbreitung von Gerüchten.

In Orten, wo viele Geflüchtete untergebracht sind, kommt es immer wieder zu hitzigen Diskussionen und Protesten unter Bürgerinnen und Bürgern. In solchen Situationen verbreiten sich auch Gerüchte – so heißt es beispielsweise, dass Supermärkte wegen Problemen mit Geflüchteten schließen müssten.

Mancherorts scheint es in Supermärkten tatsächlich Probleme mit Geflüchteten zu geben, wie ein aktueller Fall aus Regensburg zeigt. Verschiedene Medien berichteten von einem Supermarkt im Donau-Einkaufszentrum, darunter auch mehrfach die Mittelbayerische Zeitung. Der Facebook-Post, welcher die Debatte ausgelöst hatte, ist mittlerweile gelöscht [Externe Links, möglicherweise Bezahl-Inhalt]. Der Marktleiter war auf Anfrage des BR-Studios Oberpfalz nicht zu erreichen.

Dass es allerdings zu Schließungen von Supermärkten kam – wie es in zwei Fällen aus Schwaben und Oberbayern kürzlich behauptet wurde – stimmt nicht. In diesem #Faktenfuchs erklären wir, wie diese Gerüchte entstehen und warum sie sich so leicht verbreiten. Dabei beziehen wir uns zunächst auf die Orte Tussenhausen und Bad Wörishofen im schwäbischen Landkreis Unterallgäu, im Anschluss berichten wir von einem ähnlichen Fall aus dem oberbayerischen Penzing.

Auf einer Bürgerversammlung wird Gerücht angesprochen

In Schwaben kursierte ein Gerücht, dass ein Supermarkt im Allgäu wegen Problemen mit Geflüchteten schließen sollte. Der BR berichtete Anfang Dezember darüber. Aufgekommen war das Gerücht unter anderem auf einer Bürgerversammlung in Tussenhausen Mitte November: Im Protokoll wird ein Bürger oder eine Bürgerin (anonymisiert von der Marktgemeinde) zitiert, der oder die gesagt habe, "dass in Bad Wörishofen Läden schließen müssen, da so viele Asylanten stehlen". In der Folge wird deutlich, dass sich das Gerücht auf die dortige "Penny"-Filiale bezieht.

Konzern-Sprecher: "Gerüchte entbehren jeder Grundlage"

Diese Behauptung ist falsch. Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West dem #Faktenfuchs sagte, hatte die Polizei nach der Bürgerversammlung Kontakt mit dem Lebensmittelmarkt in Bad Wörishofen aufgenommen: "Eine polizeiliche Recherche und Befragung der Filialleitung im Nachgang ergab, dass der Markt nicht geschlossen wurde und dieses Gerücht damit als unwahr bezeichnet werden kann." Auch ein "Penny"-Pressesprecher sagte dem #Faktenfuchs: "Diese Gerüchte entbehren jeder Grundlage."

Dennoch wird deutlich: In beiden Orten ist die Stimmung aufgeheizt. In Tussenhausen wird beispielsweise über ein Thermozelt als Notunterkunft diskutiert. Das Zelt steht bereits und kann Platz für rund 80 Asylbewerber bieten. Wie ein Bürger dem #Faktenfuchs sagt, hätten viele Menschen vor Ort Bedenken.

Auch in Bad Wörishofen äußerten einige Bürger Ängste vor Geflüchteten, sagt Bernd Zimmermann. Der Rentner kümmert sich ehrenamtlich um Ukrainerinnen und Ukrainer in der Stadt und kennt die Stimmung unter den Einheimischen. Von dem Gerücht rund um die Supermarktschließung habe er auch gehört. Es werde sehr viel Unsinn erzählt, sagt der Helfer.

Auch in Penzing schließt der Lebensmittelmarkt nicht

Zu viele Geflüchtete für einen kleinen Ort – diese Diskussion kennt man auch im 30 Kilometer entfernten Penzing. In der Gemeinde im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech leben etwa 600 Geflüchtete in Kasernengebäuden – bei 2.500 Einwohnern. Wie BR24 berichtete, schlug der Bürgermeister Peter Hammer (CSU) im Oktober Alarm: Die Gemeinde sei an der Belastungsgrenze.

Und auch in Penzing ging das Gerücht um, dass ein Lebensmittelmarkt – wegen vieler Diebstähle und Pöbeleien – schließen müsse. Wie in Bad Wörishofen, ist auch an diesem Gerücht nichts dran. Das bestätigt die Marktleitung. Und auch Bürgermeister Hammer sagt dem #Faktenfuchs: "Am Ende bleibt es…ein Gerücht."

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In Tussenhausen wurde das Gerücht um eine Supermarktschließung in Bad Wörishofen angesprochen. Ein ähnliches Gerücht kam in Penzing auf.

Supermarkt-Gerücht sei ein "Musterbeispiel"

Die Schließung eines Lebensmittelladens in einem kleinen Ort wegen Problemen mit Geflüchteten – solch eine Erzählung sei aus psychologischer Sicht ein "Musterbeispiel" dafür, warum sich bestimmte Gerüchte leicht verbreiten, sagt Christina Seeger. Sie ist Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt. Wie sie im Gespräch mit dem #Faktenfuchs erklärt, kommen hier mehrere Faktoren zusammen:

Zum einen spiele die "unmittelbare Relevanz" eine Rolle, so Seeger: "Wenn es in einem Dorf oder in einer Stadt darum geht, dass ein Supermarkt schließt, wo man sagt: Moment mal, da kaufe ich ja regelmäßig ein – das betrifft ja unmittelbar meine Lebenswelt", dann könne sich das Gerücht besonders gut verbreiten – auch weil das Thema die Anwohner emotional betreffe.

Ein weiterer Faktor, der die Verbreitung erleichtere, ist laut Seeger die Negativität. Je negativer eine Nachricht sei, desto eher werde sie geglaubt. Und auch die eigene Haltung zu Geflüchteten könne eine Rolle spielen: "Wenn es schon Unmut gibt, wenn da schon irgendwie Ängste geschürt sind […] und dann hört man noch 'und jetzt muss auch noch der Supermarkt schließen', da passt es natürlich total gut."

Wenn man selbst von solch einem Gerücht hört und diesem auf die Spur gehen möchte, rät die Wissenschaftlerin folgenden Fragen nachzugehen: "Wo kommt das Gerücht her? Finde ich dafür Belege auf vertrauenswürdigen Seiten?" Und im Zweifelsfall: "Wenn es um den heimischen Supermarkt ums Eck geht, einfach mal vorbeischauen und schauen, ob er noch offen hat."

Fazit

Das Gerücht um die Schließung eines "Penny"-Marktes in Bad Wörishofen im schwäbischen Landkreis Unterallgäu ist falsch. Das hat ein Pressesprecher des Marktes bestätigt. Auch in Penzing, im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech, hat sich ein ähnliches Gerücht nicht bewahrheitet.

Allerdings wurde im Laufe der Recherche deutlich: In beiden Ortschaften gibt es hitzige Diskussionen um die Unterbringung von Geflüchteten. Dass es in derart aufgeladenen Situationen zu Gerüchten und Falschbehauptungen kommt, ist für die Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin Christina Seeger ein "Musterbeispiel" dafür, wie sich Gerüchte verbreiten.

Disclaimer, 29.12.2023, 12:45 Uhr: Wir haben den zweiten Absatz um einen weiteren, aktuellen Bericht der Mittelbayerischen Zeitung sowie die Informationen ergänzt, dass der Post gelöscht wurde. Außerdem haben wir hinzugefügt, dass der Marktleiter für den BR nicht zu erreichen war.

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