Protestplakat in Westendorf gegen ein Containerdorf für Flüchtlinge
Bildrechte: Michaela Neukirch/BR

Protest in Westendorf gegen ein Containerdorf für Flüchtlinge

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Dorf gegen Container: Westendorf will keine Asylunterkunft

In Westendorf, einem 1.900 Einwohner-Ort im Ostallgäu, brodelt es. Das Landratsamt möchte Container für bis zu 50 Flüchtlinge aufstellen. Bürgermeister und eine Bürgerinitiative wollen das unbedingt verhindern. Die Stimmung heizt sich immer mehr auf.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Gut 200 Menschen stehen an diesem Nachmittag in Westendorf vor dem ehemaligen Kreisbauhofgelände. Sie wollen nicht, dass hier, mitten im Ort, bald 50 Flüchtlinge in Containern unterkommen und machen ihrem Ärger lautstark Luft: "Warum i da bin? Weil ich da dagegen bin! So schnell kann ich keine Kindergärtner ausbilden, so schnell kann ich keine Lehrer ausbilden, so schnell kann ich keine Häuser bauen, wie die uns zuschütten mit den Leuten" – "Was sollen die machen? In Westendorf gibt es keinen Bäcker, es gibt keinen Lebensmittelladen, das ist Leute irgendwo hingepfercht und abgestellt und im nächsten Dorf werden die nächsten hingepfercht und abgestellt, aber eine wirkliche Perspektive ist das in meinen Augen nicht: für die Leute nicht und für uns auch nicht" – "Wir haben gegen die fremden Menschen nichts, aber es wird zu viel, es wird einfach zu viel."

Im Dorf fühlt man sich überfordert: "Wir könnten's gar nicht stemmen"

Zur Demo eingeladen hat die Bürgerinitiative "Nein zur geplanten Asylunterkunft". Sie hatte sich gegründet, nachdem Anfang November die Pläne des Landratsamtes bekannt geworden waren. Im ersten Moment sei man hilflos gewesen, habe sich überfordert gefühlt, betont der Sprecher der Initiative, Andreas Knoll.

Schon jetzt lebten in Westendorf 34 Flüchtlinge aus der Ukraine. Alle seien in Privatunterkünften untergebracht und, so Knoll, größtenteils gut integriert. Nun könne das Dorf aber nicht noch weitere 50 Personen aufnehmen. Die Arztpraxen seien überfüllt, Kindergarten und Schule jetzt schon voll, es gebe keinen Bäcker oder Lebensmittelladen im Ort. "Die Menschen werden einfach hierhin geklatscht und gesagt: Werdet damit fertig. Aber selbst wenn wir wollten: Wir könnten's gar nicht stemmen", so Knoll zum BR.

Auch Sicherheitsbedenken äußern mehrere Demonstrations-Teilnehmer gegenüber dem BR: Man wisse nicht, wer in die Container ziehe und ob die Kriminalität im Ort zunehme. Selbst dass das Landratsamt angekündigt hat, einen dauerhaften Sicherheitsdienst für das Containerdorf zu engagieren, reicht als Beruhigung nicht aus.

Brandbrief, Unterschriften und Klage – Widerstand mit aller Macht

In den vergangenen Wochen machte die Bürgerinitiative mobil. Ein Brandbrief mit dem Titel "!!! Es reicht !!!" wurde unter anderem an die Landrätin Maria Rita Zinnecker, Ministerpräsident Markus Söder und Kanzler Olaf Scholz geschrieben und hat mittlerweile mehr als 2.200 Unterschriften gesammelt. Jeden Sonntag ruft die Bürgerinitiative zur Demonstration vor dem Grundstück der geplanten Unterkunft auf.

Auch die Gemeinde stellt sich hinter die Initiative. Westendorfs Zweiter Bürgermeister Manfred Wind kündigt an, aus baurechtlichen Gründen gegen die Aufstellung der Container zu klagen. "Wir haben ein sehr namhaftes Anwaltsbüro in Augsburg eingeschaltet und ich vermute, so wie sich der Anwalt geäußert hat, dass wir da sehr gute Chancen haben, das zu verhindern."

Unterstützung bekommen die Westendorfer vom Bayerischen Landtagsabgeordneten Bernhard Pohl. Selbst Ostallgäuer, fordert er die Landrätin schriftlich auf, auf die Errichtung der Container zu verzichten. Das Projekt sei "rechtlich fraglich und am geplanten Standort aus sozialen Gründen" nicht zu verwirklichen.

Wut, Vorwürfe, verletzendes Plakat – die Stimmung heizt sich auf

Die Wut vieler Westendorfer richtet sich vor allem gegen Landrätin Maria Rita Zinnecker. Dem Landkreis gehört das Grundstück, auf dem die Container errichtet werden sollen. Zinnecker, so der Vorwurf, habe die Bürgermeister und Gemeinde viel zu spät über die Pläne, mitten im Ort ein Containerdorf zu errichten, informiert. "Wir haben eigentlich über Handwerker erfahren, die für den Landkreis Leistungen anbieten sollen, wie Container anschließen oder den Kanalanschluss, dass da Container geplant sind", so Manfred Wind zum BR.

Landrätin weist Vorwurf zurück

Die Landrätin widerspricht diesem Vorwurf vehement: Nicht nur in den allgemeinen Bürgermeisterversammlungen im April und Mai habe sie die Bürgermeister des Landkreises bereits wiederholt um Unterstützung bei der Errichtung von Asylunterkünften gebeten, sondern habe mit dem Westendorfer Bürgermeister telefonisch bereits Anfang Oktober über das Grundstück in seiner Gemeinde gesprochen. Außerdem sei dieser zusammen mit seinen beiden Bürgermeisterkollegen sogar vor Kurzem bei ihr zu einem persönlichen Gespräch im Landratsamt gewesen. Zinnecker: "Es gab sogar von Seiten des Bürgermeisters einen Bewerber, der die Verwaltung dieser Container mit übernommen hätte. Er hat aber jetzt, aufgrund des großen Drucks, seine Bewerbung wieder zurückgezogen."

Der Streit zeigt, wie aufgeheizt die Stimmung ist. Auf der Demonstration am Sonntag wurde ein Foto der Landrätin als Plakat gedruckt: In Sträflingskleidung und mit Handschellen. Nicht zuletzt deshalb hält Zinnecker eine Kommunikation "für nicht mehr zielführend", lehnt es ab, mit Vertretern der Bürgerinitiative persönlich zu sprechen.

40 neue Flüchtlinge jede Woche

Was Zinnecker sich wünscht, ist mehr Unterstützung und Verständnis. Im Ostallgäu seien derzeit so viele Flüchtlinge untergebracht wie nie zuvor, insgesamt über 2.500 Menschen. Und der Druck steige weiter, so Zinnecker. Aktuell würden dem Landkreis jede Woche 40 Flüchtlinge neu zugewiesen. Man habe Verantwortung für diese Menschen, müsse ihnen jetzt erst mal einfach ein Dach über dem Kopf bieten. Alles andere, wie die Frage nach Integration, nach freien Kindergarten- oder Schulplätzen komme später.

Weil momentan jedoch von den Gemeinden wenig freie Flächen angeboten würden, um Container oder Zelte zu errichten, bleibe laut Zinnecker jetzt nur noch, auf Grundstücke zurückzugreifen, die dem Landkreis gehören, wie eben das frühere Kreisbauhofgelände in Westendorf. "Ich habe aktuell einfach keine Wahl, ich muss das nehmen, was ich möglich machen kann", so die Landrätin.

Sogar auf dem Parkplatz am Landratsamt werde kommende Woche ein Zelt aufgestellt, wo 50 Menschen unterkommen sollen. Zinnecker appelliert an die Gemeinden: "Helfen ist anstrengend, aber gerade jetzt nötiger denn je." Man solle jeden freien Wohnraum melden.

Westendorfer wollen ihren Protest fortsetzen

Doch die Westendorfer bleiben dabei: Sie sehen ihr kleines Dorf mit 50 weiteren Flüchtlingen überfordert, wollen keine Container im Ort. Deshalb kündigen sie an, sich auch am kommenden Sonntag und an allen Sonntagen danach wieder vor dem Bauhofgelände zu versammeln. Zweiter Bürgermeister Manfred Wind: "Wir müssen jetzt endlich mal Druck von unten nach oben aufbauen, so kann und soll es nicht weitergehen."

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