ARCHIV - 21.09.2022, Iran, Tehran: Auf diesem Foto, das von einer nicht bei Associated Press angestellten Person aufgenommen wurde und der AP außerhalb des Irans zur Verfügung gestellt wurde, protestieren Demonstranten während eines Protestes in der Innenstadt von Teheran Parolen gegen den Tod der 22-jährigen Iranerin Mahsa Amini.
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Im Iran gehen Menschen bereits seit Wochen auf die Straße. Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September.

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Kampf für Freiheit im Iran: Ein Monat nach dem Tod von Amini

Einen Monat nach dem Tod der Kurdin Mahsa Amini halten die Proteste im Iran weiter an. Die iranische Staatsführung geht noch immer mit äußerster Gewalt gegen die für Freiheit kämpfende Bewegung vor. Die FDP forderte eine neue Iran-Strategie der EU.

Im Iran gehen Menschen bereits seit Wochen auf die Straße. Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihrer angeblich "unislamischen" Kleidung festgenommen. Was mit Amini danach geschah, ist unklar. Die Frau fiel ins Koma und starb am 16. September in einem Krankenhaus. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben; die Polizei weist das zurück. Seit dem Tod der Frau demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie den Kopftuchzwang.

Biden fordert Gewaltverzicht der iranischen Staatsführung

US-Präsident Joe Biden rief die iranische Führung am Freitag auf, nicht gewaltsam gegen die Proteste im Land vorzugehen. "Der Iran muss die Gewalt gegen die eigenen Bürger beenden, die einfach nur ihre Grundrechte ausüben", sagte Biden bei einem Auftritt in der kalifornischen Stadt Irvine. Frauen und Männer sollten das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit haben, sagte Biden. Und Frauen "sollten – in Gottes Namen – tragen können, was sie wollen", betonte er. "Niemand sollte ihnen sagen, was sie tragen sollen." Biden zeigte sich beeindruckt von dem Ausmaß der durch den Tod Aminis ausgelösten Proteste. "Es hat etwas ausgelöst, was denke ich lange, lange Zeit nicht beruhigt werden wird", sagte er.

Sexistischer Übergriff: Regime in Erklärungsnot

Neben der andauernden Gewalt gegen Demonstrierende ist die iranische Polizei nun noch wegen eines anderen Falls in Erklärungsnot geraten, weil ein Polizist einer Frau an den Po gefasst hatte. Der Vorfall, den andere Demonstranten als Video aufgenommen und in sozialen Medien geteilt hatten, sorgte landesweit für Empörung. Der Übergriff soll sich in dieser Woche im Norden der Hauptstadt Teheran ereignet haben. Auf dem Video ist zu sehen, dass die Polizei eine Demonstrantin festnehmen will. Als sie offenbar auf ein Motorrad der Regimekräfte gesetzt werden sollte, fasste einer der Polizisten der Frau an den Po.

In sozialen Medien reagierten Menschen empört und fragten, wie die Polizei eines islamischen Staates solch einen sittenwidrigen und sexistischen Übergriff begehen könne. Die Demonstrantin konnte letztendlich mit Hilfe von anderen Demonstranten freikommen. Die Polizei versuchte zunächst, das Video als von Regimegegnern manipulierte Aufnahme darzustellen, musste aber letztendlich den Vorfall zugeben. Der Fall werde nun untersucht, hieß es in einer Presseerklärung laut Medienangaben am Samstag.

FDP-Generalsekretär: EU muss neue Iran-Strategie entwickeln

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai plädiert wegen der andauernden Gewalt gegen Demonstranten im Iran für einen schärferen Kurs im Umgang mit den Machthabern in Teheran. "Die EU muss jetzt endlich eine neue Iran-Strategie entwickeln. Das Verhängen personenbezogener Sanktionen gegen Vertreter des Regimes ist notwendig und wünschenswert, darf aber nicht schon das Ende konkreter Maßnahmen sein", sagte Djir-Sarai der Nachrichtenagentur dpa.

Die EU sollte sich nach seinen Worten vor allem die Frage stellen, ob die Fortsetzung der Gespräche zum Atom-Abkommen mit dem Iran unter diesen Vorzeichen noch sinnvoll sei. "Verhandlungen mit einem Regime zu führen, dass die Legitimation der eigenen Bevölkerung dramatisch verspielt hat, ist kaum vertretbar", forderte Djir-Sarai, der selbst aus dem Iran stammt. Und: "Die EU muss im Gespräch mit dem Iran Menschenrechtsfragen die gleiche Bedeutung beimessen wie dem Abschluss des Atom-Abkommens."

Nach seiner Einschätzung greifen im Iran die Proteste weiter um sich, "immer mehr Bevölkerungsgruppen schließen sich den Demonstrierenden an", sagte er. "Sie eint, dass sie keine Reformen der Islamischen Republik wollen, sondern ihre Abschaffung fordern. Das wäre eine Revolution." Er sprach von einer "echten Chance auf Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie für die Menschen in der gesamten Region". Djir-Sarai: "Ein freier und demokratischer Iran würde viele Probleme vor der Haustür Europas lösen und einen echten Beitrag zur geopolitischen Stabilität leisten."

Demonstrantinnen und Demonstranten während einer Kundgebung gegen das politische Regime im Iran. Dabei steht auf einem Schild "Rise with the women of Iran".
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Demonstrantinnen und Demonstranten während einer Kundgebung in Frankfurt gegen das politische Regime im Iran.

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Iran kritisiert EU und dementiert Waffenlieferung an Russland

Der Iran hat die Europäische Union wegen ihrer Haltung zu den anhaltenden Protesten im Land kritisiert und darüber hinaus Berichte über Waffenlieferungen an Russland dementiert. "Unruhen, Brandstiftungen und Terroroperationen haben nichts mehr mit friedlichen Protesten zu tun", sagte Außenminister Hussein Amirabdollahian in einem Telefonat mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell laut Webseite des Außenministeriums vom Samstag. Die Polizeieinsätze gegen die Proteste nannte der iranische Chefdiplomat daher absolut legitim. Die EU solle diese Vorfälle nicht als Vorwand nehmen, um Druck auf den Iran auszuüben, mahnte er.

Medienberichten zufolge plant die EU, am Montag wegen der Unterdrückung der Proteste Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Teheran hat die EU in dem Fall vor einer "adäquaten Reaktion" gewarnt, die Rede ist gar von einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen und Ausweisung der EU-Botschafter.

Für diesen Fall rechnen Beobachter mit einem Ende der EU-Bemühungen um die Rettung des Wiener Atomabkommens von 2015. Dann wäre auch ein Ende der Iran-Sanktionen vom Tisch, wegen der das eigentlich ölreiche Land seit fast vier Jahren in einer akuten Wirtschaftskrise steckt.

Mit Informationen der dpa

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