Ein Bauarbeiter steht auf einem Balkon auf einer Baustelle von einem neu gebauten Wohnhaus
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Ein Bauarbeiter steht auf einem Balkon auf einer Baustelle von einem neu gebauten Wohnhaus

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Hohe Energiekosten: Einbruch im sozialen Wohnungsbau befürchtet

100.000 Sozialwohnungen sollen jährlich neu entstehen. Mit Blick auf steigende Kosten wächst die Sorge, dass Bauprojekte nicht umgesetzt werden. Kommunen und Wohnungswirtschaft fürchten einen Einbruch beim Neubau günstiger Miet- und Sozialwohnungen.

Viele vorgesehene Neubauten im frei finanzierten sowie im geförderten Wohnungsbau würden auf Eis gelegt oder nicht begonnen, sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der "Augsburger Allgemeinen". Es besteht die Sorge, dass in Ballungszentren dadurch der Wohnraum noch knapper wird und die Mieten weiter steigen. Hintergrund sind die enorm gestiegenen Energiepreise sowie weitere Probleme: Fachkräftemangel, Materialknappheit, hohe Zinsen und Baukosten.

  • Zum Artikel: Studie: Sozialer Wohnungsbau in der Krise

GdW: "70 Prozent der Projekte werden abgesagt oder verschoben"

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW) rechnet damit, dass Zehntausende neue Mietwohnungen nicht wie geplant gebaut werden könnten. Interne Umfragen bei den im GdW zusammengeschlosssenen öffentlichen, genossenschaftlichen und kirchlichen sowie privaten Wohnungsunternehmen ließen darauf schließen, dass etwa 70 Prozent aller geplanten Projekte entweder komplett abgesagt oder zumindest für längere Zeit zurückgestellt würden, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko der "Augsburger Allgemeinen". Seinen Worten zufolge ist dies ein "brutaler Stopp, aber mit Ansage".

Aktuell werde noch das fertig gebaut, was in der Pipeline sei, erklärte Gedaschko "Und dann wird es immer weniger werden. Es geht einfach nicht mehr." Neben deutlich höherer Finanzierungszinsen, steigender Baukosten und Inflation würden auch die immer weiter verschärften Energiestandards die Neubauprojekte für Mietwohnungen ausbremsen. "Wir stehen hinter den Klimaschutzzielen", betonte der GdW-Präsident. Aber Klimaschutz müsse sinnvoll umgesetzt werden und am Ende auch für die Mieter bezahlbar sein. Während die Regierung die Ansprüche immer weiter hochschraube, fahre sie zugleich die Förderung herunter, kritisiert er.

Ministerium: "Nehmen erheblich mehr Geld in die Hand"

Rund ein Viertel aller sozial gebundenen Wohneinheiten in Deutschland im vergangenen Jahr seien in Bayern entstanden, erklärte das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr auf Anfrage von BR24. Man habe sich in den aktuellen Haushaltsverhandlungen "dazu entschlossen, ein klares Signal zu senden und werden für das kommende Jahr erstmals eine Fördermilliarde für den geförderten Wohnraum zur Verfügung stellen. Wir nehmen also noch einmal erheblich mehr Geld in die Hand." In den Jahren 2020 und 2021 standen für die Wohnraumförderung in Bayern 850,65 bzw. 851,66 Millionen Euro zur Verfügung.

Bayern setze weiterhin auf den staatlichen Wohnungsbau, betonte Bayerns Bauminister Christian Bernreiter gegenüber BR24: "Die aktuellen Warnungen sind ein Warnschuss an alle, die glauben, man könnte die staatlichen Wohnungsbauunternehmen auflösen." Wenn genossenschaftliche und kommunale Wohnungsbauunternehmen Projekte auf Eis legten, gewinne der staatliche Wohnungsbau an Bedeutung, so Bernreiter. Auch die staatlichen Wohnungsbaugesellschaften BayernHeim, Stadibau und Siedlungswerk Nürnberg seien von Baupreissteigerungen betroffen, "aber sie erfüllen weiterhin ihren Auftrag, in ganz Bayern bezahlbaren Wohnraum zu schaffen" fügte Bernreiter hinzu.

Ziel: 100.000 neue Sozialwohnungen jährlich

Die Bundesregierung will – ungeachtet der Energiepreiskrise – das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr erreichen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Gelingen soll das mit rund 190 Maßnahmen, auf die sich Bauwirtschaft, Gewerkschaften, Länder, Kommunen und weitere Verbände im "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" im Oktober geeinigt haben. Bis 2026 stehen für den sozialen Wohnungsbau 14,5 Milliarden Euro an Bundesmitteln bereit, mit denen der Bund die Länder unterstützt.

Die Bauminister der Länder hatten jüngst vor einer zu starken Fokussierung auf den sozialen Wohnungsbau bei der Förderpolitik gewarnt. Es brauche eine neue Balance zwischen frei finanziertem und sozial gefördertem Wohnungsbau, hieß es in einem gemeinsamen Beschluss nach der Bauministerkonferenz in Berlin am vergangenen Freitag. Der sozial geförderte Wohnungsbau könne den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum für breite Bevölkerungsgruppen nicht decken. Daher brauche es auch ausreichende und planbare Förderungen für den Neubau, der keinen Belegungs- und Mietbindungen unterliege.

VdW erwartet deutlichen Rückgang bei Neubauten

Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW) erwartet wegen der Energiekrise für 2023 deutliche Rückgänge sowohl bei Neubauten als auch bei Modernisierungen. "Mehr als jedes fünfte Wohnungsunternehmen schätzt die Liquiditätssituation derzeit als risikobehaftet ein", sagte Verbandsdirektor Hans Maier. Die Mitgliedsunternehmen des VdW verwalten rund 540.000 Wohnungen.

  • Zum Artikel: Bezahlbares Wohnen in der Krise: Verband fordert Zeitenwende
  • Rasant steigende Kosten: Bauherren streichen Aufträge

    Laut dem Münchner Ifo-Institut meldeten im Oktober bundesweit 11,3 Prozent der Bauunternehmen stornierte Aufträge. "Angesichts der oft kaum mehr kalkulierbaren Baukosten und rasch steigenden Bauzinsen werfen viele Bauherren das Handtuch", erklärt Ökonom Felix Leiss. Besonders viele Stornierungen gibt es laut Ifo im Wohnungsbau. Nach Angaben des Präsidenten des Landesverbandes Bayerischer Bauinnungen (LBB), Wolfgang Schubert-Raab, erhöhten die bayerischen Baufirmen ihre Preise in diesem Jahr bereits um 25 bis 30 Prozent.

    Bayerns Wohnungen in Zahlen

    Zum 31.12.2021 gab es nach Angaben des Bayerischen Wirtschaftsministeriums in Bayern rund 6,6 Millionen Wohnungen. Davon wurden etwa 61.000 Wohnungen im Jahr 2021 in neu errichteten Gebäuden fertiggestellt. Nach Informationen des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr gab es - ebenfalls zum Stichtag 31.12.2021 - in Bayern insgesamt 133.552 Mietwohnungen mit Miet- und Belegungsbindungen.

    Mit Informationen von dpa, KNA und AFP.

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