Menschen machen zusammen Musik.
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Einheimische und Asylsuchende feiern gemeinsam ein Fest des Willkommens.

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"Hausaufgaben gemacht": Bürger gehen auf Asylsuchende zu

Immer mehr Asylsuchende kommen in den Kommunen an. Gleichzeitig wird es schwieriger, Unterkünfte und freiwillige Helfer zu finden. In Weidenberg im Landkreis Bayreuth ist das ein wenig anders.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Noch in dieser Woche sollen in Weidenberg im Landkreis Bayreuth Deutschkurse für die neuen Bewohner der Container beginnen. Eine Frau vom Unterstützerkreis teilt beim Begrüßungsfest die Teilnehmerlisten aus. Sprachkenntnisse sind der wichtigste Schritt zur Integration der Asylsuchenden in Weidenberg. Drei Helfer übersetzen ins Türkische, Arabische, Russische. Das Besondere daran: Noch vor einem halben Jahr lehnten Bürger und Gemeinderat die Unterbringung der Geflüchteten ab.

Seit vier Wochen sind in Weidenberg Familien mit Kindern sowie alleinstehende Männer aus Syrien und Tschetschenien in der Marktgemeinde untergebracht – insgesamt 60 Menschen. Ein neuer Unterstützerkreis kümmert sich um sie. 40 Interessierte seien sie bei der Auftaktveranstaltung gewesen, erzählt Christine Wutschka, übrig geblieben sei die Hälfte. Doch sie habe noch Hoffnung, dass der Eine oder die Andere sich noch anschließen werde.

Die Menschen aus den Containern mitnehmen

Anschluss finden. Wissen, was wo erledigt werden kann. Am Ende vielleicht sogar einen Arbeitsplatz suchen – darum geht es für die Asylsuchenden. Doch zuerst einmal wolle man sich kennenlernen, meint Christine Wutschka. "Wir haben einen Fragebogen ausgearbeitet, wo wir wissen wollen, wie die Leute heißen, welchen Werdegang sie haben, was sie können und auch welche Hobbys oder welchen Sport sie treiben", ergänzt Integrationslotse Markus Müller. Er steht mit Christine Wutschka vor den Wohncontainern in Weidenberg, die für die Asylsuchenden errichtet wurden.

Das Gelände ist eingezäunt. Ein Wachdienst kontrolliert den Zugang – zur Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner. Die Außenanlage ist noch nicht ganz fertig, Spielzeug steht herum. Drinnen wirkt alles aufgeräumt: Waschmaschinenzimmer, Küchen, Gemeinschafträume. Maximal zwei Personen wohnen in einem Zimmer. Für Familien können die Trennwände zwischen den Containern herausgenommen werden, erklärt Integrationslotse Müller. Damit die Menschen nicht nur in der Unterkunft bleiben, bieten Wutschka und die anderen vom Unterstützerkreis Spaziergänge durch Weidenberg an, Bastelnachmittage und eben Deutschkurse für erste Grundkenntnisse.

Widerstand gegen weitere Geflüchtete

Ein Begrüßungsfest soll die Kontaktaufnahme zwischen den Asylsuchenden und den Weidenbergern erleichtern. Es gibt Kaffee und Kuchen, Musik, Spielaktionen für die Kinder. Das war nicht selbstverständlich. Als im Frühjahr klar war, dass bis zu 80 weitere Asylsuchende nach Weidenberg kommen sollten, regte sich Widerstand.

Die Marktgemeinde hatte bereits rund 60 Geflüchtete aufgenommen. Der Helferkreis war durch die Dauerbelastung seit der ersten Flüchtlingswelle 2015 am Ende seiner Kräfte, ebenso die Verwaltung. Außerdem steckte allen noch die Pandemie in den Knochen. Zweimal lehnte der Gemeinderat den Bauantrag für das Containerdorf ab und wurde schließlich vom Landratsamt überstimmt.

Die Gemeinde nicht alleine lassen

1.400 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben im März einen Forderungskatalog an den Bayreuther Landrat Florian Wiedemann (FW), in dem sie ein Integrations-, ein Sicherheits- und Schutzkonzept wünschten. Sie befürchteten, dass die Menschen in den Containern am Ende sich selbst überlassen würden.

Ein halbes Jahr später steht Landrat Wiedemann vor den Containern: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", freut er sich, "die Deutschkurse fangen diese Woche an, es gibt Security, der Unterstützerkreis hat sich gegründet und organisiert das Begrüßungsfest." Auch Weidenbergs Bürgermeister Hans Wittauer (FWG) ist zufrieden, wie es letztlich gelaufen ist. Der Landkreis habe sich eingebracht und seine Gemeinde nicht mit den Asylsuchenden alleine gelassen.

Integration über Fußball und Schule

Auf dem Festplatz steht auch Thomas Wolfrath, er sitzt für das Bürgerforum im Weidenberger Gemeinderat und hat den Forderungskatalog vom März mit aufgelegt. Dass es jetzt das Begrüßungsfest gebe, führt er mit auf die Unterschriftenaktion zurück. Sie hätten so den notwendigen Druck aufgebaut, damit Weidenberg und die Asylsuchenden nicht sich selbst überlassen wurden.

Wolfrath freut sich über das rege Interesse an den Deutschkursen. Sprachkenntnisse seien das A und O, meint er. An den Tischen sitzen sie gut vermischt: Einheimische und Asylsuchende. Es geht um gemeinsames Fußballspielen mit dem SV Weidenberg. Kinder spielen miteinander.

Anonyme Anfeindungen gegen Mitglieder des Helferkreises

Seit einer Woche besuchen elf Kinder aus dem Containerdorf die Weidenberger Schule. Die Schulranzen und die Ausstattung hatte der Unterstützerkreis organisiert. Trotzdem gebe es immer noch Anfeindungen gegen Leute vom Unterstützerkreis. Meist anonym – auf den sogenannten sozialen Kanälen, erzählt Christine Wutschka.

Am Morgen vor dem Begrüßungsfest hätten sie hier überall Flugzettel gefunden. Darauf Zeitungsartikel mit mutmaßlichen Verbrechen von Asylbewerbern abgedruckt. Die Zettel hätten sie noch alle wegräumen können, berichtet Wutschka. Das werde wohl auch nicht so schnell aufhören, meint sie.

Langer Weg zur Integration

Freilich sorge das Leben im Container auch für Frust, ergänzt Integrationslotse Markus Müller. Vor allem das Warten: auf Termine, Integrationskurse, Deutschkurse. Das Warten und die Bürokratie könne auch den Unterstützerkreis zermürben. Deswegen sei es auch seine Aufgabe, Lösungen zu finden.

Ihm schwebt beispielsweise ein Speeddating mit Firmen und Unternehmen in Weidenberg vor, bei dem sich beide Seiten kennenlernen können – sofern die Asylsuchenden eine Perspektive zum Bleiben hätten. Es sei bereits großes Interesse an deren Arbeitskraft aus Handwerk und Industrie signalisiert worden, so Müller. Die ersten vier Wochen seien ganz gut gelaufen in Weidenberg mit dem Containerdorf.

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