Bürgermeister Ingo Hellstern, Bürgermeisterin Mirjam Steiner und Bürgermeister Tobias Steinwinter suchen neue Hausärzte für die VG Syrgenstein.
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Bürgermeister Ingo Hellstern, Bürgermeisterin Mirjam Steiner und Bürgermeister Tobias Steinwinter suchen neue Hausärzte für die VG Syrgenstein.

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Hausärzte-Notstand im Bachtal: 6.000 Bürger - ein Hausarzt

Im Frühjahr gab es noch drei Hausärzte in der Verwaltungsgemeinschaft Syrgenstein. Zwei von ihnen sind zwischenzeitlich gestorben. Viele Menschen stehen jetzt ohne Hausarzt da. Die drei Bürgermeister haben die Suche zur Chefsache gemacht.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

"Es ist einfach schrecklich", sagt Bärbel Ströbele. Ihr Mann hat einen Herzinfarkt hinter sich, muss ständig Medikamente nehmen, darunter blutverdünnende Mittel. "Alle zwei Wochen muss ich zur Kontrolle", sagt ihr Mann Thaddäus, außerdem bräuchte er dringend neue Rezepte. "Auf einmal steht man ohne da", sagt seine Frau und schüttelt den Kopf. Die beiden sitzen auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer, vor ihnen eine Schachtel mit Tabletten. Der plötzliche Tod ihrer Hausärztin war für sie ein Schock, 25 Jahre war Thaddäus Ströbele bei ihr Patient. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner des Syrgensteiner Seniorenheims stehen jetzt ohne hausärztliche Betreuung da.

Viele Patienten ohne Hausarzt

Einen neuen Hausarzt zu finden ist nicht einfach. Die umliegenden Ärzte haben Aufnahmestopp, sind überlastet. In der Verwaltungsgemeinschaft Syrgenstein im Landkreis Dillingen, zu der die Gemeinden Bachhagel, Zöschingen und Syrgenstein gehören, gibt es jetzt nur noch einen einzigen Hausarzt für die rund 6000 Bürger. Schon nach dem Tod eines Arztes im April hat der Bachhagler Bürgermeister Ingo Hellstern (CSU) für die Suche nach einem Hausarzt eine Taskforce gegründet. Er hat einen Flyer gestalten lassen, der an den Weiterbildungsstätten für junge Ärzte ausliegt, außerdem hat er einen Headhunter eingeschaltet. Ohne Erfolg. Dabei gibt es sowohl in Bachhagel als auch in Syrgenstein nach dem Tod der Ärztin voll eingerichtete Praxen, die im Eigentum der Gemeinden sind, die würden neuen Ärztinnen oder Ärzten zur Verfügung gestellt. Die Syrgensteiner Bürgermeisterin Mirjam Steiner hat sogar dafür gesorgt, dass das Personal erstmal weiter bezahlt wird, käme ein Arzt, könnte er sofort anfangen. Theoretisch.

Hausärzte-Bedarf wird nur großflächig berechnet

Denn: Ob und wann ein Arzt einen Hausarztsitz bekommt, das entscheidet ein Gremium, das mit Ärzten und Vertretern der Krankenkassen besetzt ist. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern berechnet dann nach den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses , ob es in einem Gebiet ausreichend Ärzte gibt oder nicht. Dafür wird jedoch kein so kleines Gebiet, wie etwa die Verwaltungsgemeinschaft Syrgenstein im Bachtal, betrachtet. Ganz Bayern ist für diese Berechnung in Planungsbereiche aufgeteilt. Das Bachtal gehört zum Planungsbereich Lauingen. Hier sind derzeit insgesamt fünf Kassensitze nicht besetzt. Für die kassenärztliche Vereinigung gilt der Bereich damit nicht als "unterversorgt". Dass zwei der fünf Ärzte im Bachtal fehlen, dieses kleine Gebiet also überproportional betroffen ist, spielt bei der Berechnung keine Rolle.

Landrat Schrell kritisiert Berechnung der Kassenärztlichen Vereinigung

Das kritisiert auch der Dillinger Landrat Leo Schrell: Das so zu berechnen, sein "einfach ein Quatsch". Wenn man nur nach ökonomischen Gesichtspunkten gehe, könne er das noch irgendwie nachvollziehen. Aber: Das sei nicht richtig. "Die Versorgung der Menschen funktioniert nach diesem System nicht", sagt Schrell weiter. In der Praxis wird der Mangel an Hausärzten im Landkreis schon seit Langem deutlich: Lange Wartezeiten, Aufnahmestopp für neue Patienten, nicht nur in Bachhagel. Auch bei der Zahl der Corona-Impfungen hat sich gezeigt, dass es im Landkreis Dillingen weniger Hausärzte gibt als anderswo. Deshalb haben alle Bürgermeister im Landkreis bereits vor Monaten einen Brandbrief an die zuständigen Gremien geschickt.

Kassenärztliche Vereinigung Bayern reagiert

Ob ein Planungsbereich nach der Berechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) unterversorgt ist oder nicht, spielt auch deshalb eine Rolle, weil es bei einer Unterversorgung Fördergelder für Ärztinnen und Ärzte gibt, die sich in dem Bereich niederlassen oder eine Zweigstelle eröffnen. Wie die KVB mitteilt, befinde man sich gerade "in Gesprächen mit der örtlichen Politik, wie hier kurz und langfristig eine Lösung gefunden werden kann". Dabei müsse aber ein bestehendes Procedere eingehalten werden. Der erste Schritt dazu ist jetzt erfolgt: Der zuständige Landesausschuss hat zumindest eine "drohende Unterversorgung" für diesen Bereich konstatiert. Das heißt, Hausärzte können mit Fördergeldern rechnen, wenn sie hier neu anfangen. Gefördert werden können eine Niederlassung, die Gründung einer Zweigpraxis oder auch die Anstellung einer Ärztin oder eines Arztes. Allerdings gilt das für den gesamten Planungsbereich. Heißt: Macht ein Hausarzt etwa in der Stadt Lauingen eine Praxis auf, ist die drohende Unterversorgung beseitigt und in der VG Syrgenstein praktiziert weiterhin nur ein Arzt. Die Bürgermeister im Bachtal hoffen trotzdem, dass sie mit ihrer bestehenden Infrastruktur, den beiden voll eingerichteten Praxen, punkten können.

Einsatz von Bereitschaftsärzten als vorübergehende Lösung?

Bis neue Ärzte gefunden sind, will die KVB nach weiteren Lösungen suchen. Derzeit werde geprüft, ob freiberufliche Ärzte, die als Bereitschaftsärzte tätig sind, hier vorübergehend aushelfen können. Die KVB weist weiter darauf hin, dass die regionale Arztsuche eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zahlreicher Akteure vor Ort sei. Die drei Bürgermeister im Bachtal verstehen dies als solche und haben die Suche nach neuen Ärzten ganz oben auf ihre To-Do-Liste gesetzt. Sie hoffen, dass die finanziellen Anreize jetzt das Interesse der Hausärzte wecken könnten.

Weitere Hausärztinnen und -ärzte wollen kürzer treten

Allerdings ist schon von weiteren Ärztinnen und Ärzten in der Region zu hören, die zumindest kürzer treten wollen. Die zunehmende Bürokratie, die ständig wechselnden Vorgaben in der Corona-Pandemie und die Schwierigkeit, ausreichend medizinische Fachangestellte zu finden, seien nur einige Gründe, die alteingesessene Hausärzte zum Aufhören bewegten oder dafür sorgten, dass junge angehende Ärzte gar nicht erst diesen Weg einschlagen. Über 35 Prozent der Hausärztinnen und -ärzte in Bayern sind über 60, viele haben noch keinen Nachfolger.

Landrat fordert: Bundespolitik muss reagieren

Wenn sich hier nicht grundlegend etwas ändere und die Bundespolitik "jetzt endlich" reagiere und vor allem mehr Studienplätze generiert würden, so Landrat Leo Schrell, dann werde es in einigen Jahren in vielen Bereichen Deutschlands einen nicht mehr zu lösenden Hausärztemangel geben. Bürgermeisterin Mirjam Steiner, Bürgermeister Tobias Steinwinter und Bürgermeister Ingo Hellstern wollen es aber zumindest in ihrer Verwaltungsgemeinschaft nicht so weit kommen lassen. Mit einer voll eingerichteten Praxis und den jetzt zugesagten Fördermitteln hoffen sie, doch bald ein Hausärztin oder einen Hausarzt überzeugen zu können, sich im Bachtal niederzulassen. Dann könnten auch das Ehepaar Ströbele und viele andere Patientinnen und Patienten wieder ruhig schlafen.

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