Ein Mann steht mit Schutzkleidung in einem Haufen Scherben.
Bildrechte: BR24 / Tobias Burkert

In Nürnberg fliegen die Scherben: Im neuen "Rage-Room" können Gäste ungehemmt auf Gegenstände einschlagen.

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Hau drauf! Frustabbau in Frankens erstem "Rage Room"

In den USA sind sogenannte "Wuträume" längst etabliert. Jetzt hat auch Nürnberg einen eigenen Rage Room zum Dampf ablassen. Das Konzept: Geld zahlen, um Sachen kaputt zu machen.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

In der ehemaligen Wirtschaft im Nürnberger Stadtteil St. Johannis hat schon lange niemand mehr ein Bier oder Schnitzel bestellt. Jetzt ist der einstige Gastraum einer neuen Nutzung zugeführt. "Trash Panda Rage Room" nennt Betreiber Luis Arroyo seinen "Wutraum". Der 37-jährige Amerikaner hat alle Wände mit Spanplatten verstärkt und ist in sämtlichen Gebrauchtwarenläden im mittelfränkischen Raum inzwischen Stammgast. Dort kauft Arroyo alte Teller, Tassen, Vasen in verschiedenen Größen, damit sie im Wutraum zerdeppert werden können.

Verschiedene Wutpakete

Fernsehapparate, Couchtische, Computermonitore, Gitarren – Arroyo bietet seinen Kundinnen und Kunden drei verschiedene Wutpakete an. Das Einsteigerangebot kostet 15 Euro pro Person. 15 Minuten lang kann dann ordentlich die Sau rausgelassen werden. Helm, Schutzbrille, Handschuhe und Overall sind im Preis inklusive.

Mina schlägt zu

Mina ist 25 Jahre alt und hat bereits verschiedene "Rage Rooms" in anderen Großstädten ausprobiert. Im Nürnberger "Wutraum" entscheidet sie sich zunächst für einen Aluminium-Baseballschläger als Hauptarbeitsinstrument. Zunächst schlägt Mina in astreiner Golfschwung-Technik mehrere kleine Vasen von einem Holzblock Richtung Wutraum-Wand. Danach fliegen einige Teller und eine überdimensionale Vase im Retro-Look hinterher. Das anfängliche Hemmnis, so Mina, sei schnell überwunden, dann mache es ihr einfach riesigen Spaß.

"Alltagsstress vergesse ich hier drin, ich fühl mich locker und befreit!" Mina, Wutraum-erfahren

Eigene Objekte erlaubt

Auch eigene Gegenstände dürfen nach vorheriger Anmeldung mitgebracht werden. Mina hat einen bunten Gartenzwerg im Gepäck. Den habe sie schon lang auf dem Kieker, zu dreist sei dessen graubärtiges Grinsen. Ein Schlag und der Zwerg fliegt in unzähligen Splittern durch den Raum. Martialischer zerlegt Mina mit einem Vorschlaghammer einen gläsernen Couchtisch. Der zerbirst in tausende Splitter mit einem lauten Knall. Mina grinst.

Riesiger Markt in Europa

Ob das Prinzip Frustabbau im Rage Room bei jedem Menschen tatsächlich diese Wirkung entfaltet, ist allerdings nicht gesichert. Professor Andreas Zick ist Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld. Diese Wuträume seien mittlerweile auch in Europa ein riesiger Markt, sagt er. Ob das sprichwörtliche Dampf ablassen aber tatsächlich ein kathartisches, also quasi reinigendes, Resultat mit sich bringe, sei fraglich. Forschungen zu solchen Räumen ergäben, dass sie auch den gegenteiligen Effekt haben können.

"Wenn Menschen auf Objekte einschlagen, (…) können sie dadurch auch Aggression erlernen." Prof. Andreas Zick, Konfliktforscher

Entspannungsübungen statt Zerstörung

Wut und Aggressionen ließen sich oft besser in beispielsweise entsprechenden Entspannungsübungen abbauen. Den Spaß und den das Gemeinschaftsgefühl bestärkenden Faktor wolle er solchen Einrichtungen aber gar nicht absprechen. Mina auf jeden Fall verlässt den Trash Panda Rage Room nach 15 Minuten sichtlich erschöpft und glücklich. Diverse Monitore, viel Porzellan und so manches Möbelstück hat sie zerlegt. Heute Nacht wird sie bestimmt gut schlafen.

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