Auf dem Bildschirm eines Smartphones sieht man die Hashtags "Hass" und "Hetze" in einem X-Post. (Archivbild)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Fabian Sommer

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Hass im Netz: Anwalt Jun aus Würzburg und sein Kampf gegen Hetze

Bei einer Hausärztin in Österreich gehen während der Pandemie Hass-Schreiben ein - sie begeht schließlich Suizid. In Würzburg bekommt der Anwalt Chan-jo Jun ähnliche E-Mails. Was es so schwer macht, die Verfasser solcher Schreiben zu ermitteln.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Während der Pandemie setzt sich die österreichische Hausärztin Lisa-Maria Kellermayr für Covid-Impfungen ein. Dafür erntet sie Hass und Hetze von Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern. "Hallo, Du dummes Stück Scheiße. Du kannst mir gerne mit Anwälten drohen, aber kriegen werdet ihr mich sowieso nicht. Stattdessen habe ich beschlossen, Dich zu kriegen. Wenn ich aber schon dabei bin, werde ich selbstverständlich alle Mitglieder Deiner Praxis auch abschlachten."

Ein gewisser "Claas" will sie umbringen. Doch die Hausärztin lässt sich nicht einschüchtern und macht seine Drohschreiben öffentlich.

"HateAid": Einsatz für Opfer von Gewalt im Internet

In Würzburg geht ein ähnliches Hass-Schreiben ein, an Chan-jo Jun: Der Rechtsanwalt arbeitet bei "HateAid" und setzt sich für Opfer von Gewalt im Internet ein. Als er gegen Facebook klagt, wird er damit einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Der Jurist, der Täter anzeigt, wird nun selbst zum Opfer.

"Wir haben hier die zwei E-Mails, die Linke wurde an mich geschickt, die rechte E-Mail ist die, die an Frau Kellermayr ging. Man sieht da die ähnlichen Passagen. 'Scheiß Schlitzauge' ist also meine E-Mail, er kündigt die Hinrichtung an, beschreibt im Detail: 'Ich werde als Mandant kommen, wenn wir in Deinem Büro sind, werde ich Dich an die Heizung ketten.' Da beschreibt er noch, was er mit den Mitarbeitern machen will und wie sie dann alle sterben. Und genau diese Szene haben wir auch in der Mail an Frau Kellermayr, wo also beschrieben wird, dass er als Patient kommen würde und dann ins Besprechungszimmer geht und sie dann niederschlagen und fesseln wird."

Sprachanalysen legen nahe, dass es sich um denselben Täter handeln könnte.

"Die Mail sorgte natürlich für Unruhe bei uns im Team, denn der Täter hatte ja ein Szenario beschrieben, was hier in der Kanzlei stattfinden sollte. Und während ich mir inzwischen ein dickes Fell zugelegt hatte, gibt es andere, die da schon sehr betroffen waren", erzählt der Rechtsanwalt. "Wir hatten eine Strafanzeige erstattet, bekamen eine Beratung auch durch die Polizei."

Verfasser der Drohmails wird nicht ermittelt

Die Hate-Speech-Abteilung der Bayerischen Justiz ermittelt. Aber wer hinter "Claas" steckt, finden die Behörden nicht heraus. Wie kann es sein, dass der Verfasser dieser Drohmails nicht ermittelt wurde?

"Man hätte die IP-Adressen zurückverfolgen und die möglichen Täter, die damals schon im Verdacht waren, sofort durchsuchen müssen. Die Ermittlungsbehörden dosieren ihre Kapazitäten, je nachdem, wie wichtig die Fälle sind. Und dann geht es um Schadensbeträge in Geld oder um Körperverletzung oder bei Drogen", sagt Chan-jo Jun.

Wenn es sich aber "nur" um einen psychischen Schaden, also die Bedrohungslage einer Person handelt, wo ein Ermittler vielleicht nur einen Strafrahmen von einem Jahr Freiheitsstrafe sehe, sei das für eine Staatsanwaltschaft erstmal "kein besonders wichtiger Fall", so Jun.

Anfeindungen, Bedrohungen und Schulden: Die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr sieht keinen Ausweg mehr und begeht schließlich in ihrer Praxis Suizid. Haben die Behörden zu wenig getan? Hätte man ihren Tod verhindern können? Der Fall Lisa Maria Kellermayr wühlt viele Menschen auf - bis heute.

Der Bayerische Rundfunk berichtet - vor allem wegen möglicher Nachahmer-Effekte - in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer die zuständige Redaktion sieht es durch die Umstände der Tat geboten. Sollten Sie selbst Hilfe benötigen, kontaktieren Sie bitte umgehend den Bayerischen Krisendienst unter der Notrufnummer 0800-6553000 oder die Telefonseelsorge unter Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222. Weitere Hilfsangebote gibt es bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Der Link: https://www.suizidprophylaxe.de.

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Mehr zum Thema "Warum so umbarmherzig?" in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch 10. April 2024 im BR Fernsehen und in der ARD Mediathek.