Der Chef des Amtsärzteverbands Johannes Nießen hat wegen der hohen Temperaturen eine Siesta-Arbeitsweise in Deutschland während der Sommermonate nach südeuropäischem Vorbild ins Gespräch gebracht. Der Handelsverband Bayern für die Bezirke Niederbayern/Oberpfalz sieht aktuell einige Hürden, die einer solchen Regelung entgegenstehen.
Ladenschlussgesetz biete aktuell wenig Spielraum
Prinzipiell sei dieser Wunsch nachvollziehbar, Arbeitnehmer täten sich bei diesen Temperaturen schwer, um die Mittagszeit zu arbeiten, sagt Christian Spielvogel, Bezirksgeschäftsführer Niederbayern/Oberpfalz beim Handelsverband Bayern. Allerdings sei man immer noch an die Ladenschlussgesetze gebunden, da müsste es erst einmal eine gesetzliche Änderung geben.
"Es macht auch einfach die Attraktivität in unserem Land aus, dass man zu jeder Zeit zu den Tageszeiten einkaufen und seine Konsumwünsche erfüllen kann", so Spielvogel. Daneben sieht es der Handelsverband-Geschäftsführer als unverzichtbar an, andere Infrastrukturen des öffentlichen Lebens anzupassen.
"Die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungsstätten und die Schulzeiten müssten sich ändern. Ich muss ja als Konsument oder auch Arbeitnehmer dafür sorgen, dass ich meine Kinder irgendwie in die Schule, in die Kita oder sonst irgendwohin bringen kann." Christian Spielvogel
Keine Sorge vor finanziellen Einbußen wegen Siesta
Generell wird laut Spielvogel im Handel bei der Hitze schon vieles getan: "Klimatisierte Räume, verlängerte Pausenzeiten, an den Kundenstrom angepasste Einsatzpläne – und der kommt nachweislich nicht zur heißen Mittagszeit, sondern eher in den Früh- oder Abendstunden." Größere Einbußen bei einer generellen Einführung einer Siesta-Zeit im Einzelhandel würden nach Meinung Spielvogels nicht drohen. "Einbußen kommen immer dann, wenn ich irgendetwas wegnehme. In dem Fall verschiebe ich ja nur etwas."
Chip-Hersteller Infineon zweifelt an Realisierung der Siesta
Zweifel an der Realisierung einer Siesta-Arbeitsweise in Deutschland gibt es auch am Regensburger Standort des Chip-Herstellers Infineon. "Medizinisch gesehen halte ich diesen Vorschlag für nicht schlecht, weil die Hitzebelastung natürlich den Körper per se schon stark beansprucht und dann gibt es die zusätzliche Beanspruchung durch die Arbeit. Aber als Unternehmen ist das natürlich sehr schwierig umzusetzen", sagt Betriebsärztin Yvonne Kammerer.
Es gebe verschiedene Prozesse und Arbeitsabläufe, die das gar nicht ermöglichten. "Etwa die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet an Maschinen und Anlagen, die rund um die Uhr laufen und voll ausgelastet sind", so Kammerer. "Da können wir aus technischen Abläufen heraus eine Unterbrechung gar nicht so einfach einführen."
Unternehmen setzt bei Hitze auf andere Maßnahmen
Andere arbeiteten wiederum in Gleitzeit und könnten ihre Pausen ganz gut selbst steuern. Außerdem gibt Kammerer zu bedenken, dass es bei Infineon Mitarbeiter gebe, die eine tägliche Fahrzeit von circa 80 Kilometern hätten: "Man stelle sich vor, man würde eine Siesta mit drei Stunden Mittagspause einführen. Was sollen denn diese Mitarbeiter in diesen drei Stunden Siesta machen?"
Im Allgemeinen gibt es laut Kammerer bei Infineon Regensburg zum Schutz bei hohen Temperaturen kostenloses Trinkwasser für Mitarbeitende, Verschattungen an den Fenstern und klimatisierte Räume.
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