Häusliche Gewalt in der Partnerschaft
Bildrechte: BR/Carolin Hasenauer

Geschützter Raum: Das Gesprächsangebot für Betroffene beim Verein Wildwasser in Würzburg.

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Gewalt in der Partnerschaft: Wenn Zuhause nicht mehr sicher ist

Oft vergeht viel Zeit, bis sich Frauen, die häusliche Gewalt erleben, Hilfe holen. Kinder, Geld und emotionale Abhängigkeit machen diesen Schritt schwer. Dabei beginnt Gewalt nicht erst mit den Schlägen. Die Geschichte einer Betroffenen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Sie ist 29, da wird sie von ihm schwanger. Ungewollt. Sie ist eigentlich noch nicht bereit für ein Kind, er drängt sie. Dass das ihre erste Gewalterfahrung mit diesem Mann ist, wird ihr erst Jahre später bewusst. Es folgen Beleidigungen, Herabwürdigungen, Schläge und sexualisierte Gewalt. Vor eineinhalb Jahren dann schafft sie den Schritt von ihm weg, gemeinsam mit ihrem heute sechsjährigen Sohn. Sie möchte anonym bleiben. Als Pseudonym wünscht sie sich, dass ich sie Gloria nenne: Wo sie herkomme, bedeute das, jemand hat etwas geschafft.

Gloria unterdrückt ihre Angst

"Oft ist er mit Worten gewalttätig geworden. Dass ich ein Nichts bin, hat er gesagt", erzählt Gloria. "Wir haben versucht, ein normales Leben zu spielen - aber das war nicht normal." Jahrelang hält sie diese Gewalt-Beziehung aus. "Ich komme aus einem Land, in dem Familie ein großes Wort ist. Ich hab gelernt, dass man alles tut, um zusammenzuhalten."

Frauenhaus bietet sicheres Umfeld

Im April 2020 schafft sie den Sprung: Sozial und finanziell ohne Rückhalt flüchtet sie zunächst ins Frauenhaus nach Würzburg. Hier geht es darum, den Frauen ein sicheres Dach über dem Kopf zu bieten, sagt die Leiterin des Frauenhauses vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Würzburg Franziska Boes. Weil diese Frauen in den eigenen vier Wänden nicht sicher seien, "das kann man sich gar nicht vorstellen, wenn das eigene Zuhause nicht sicher ist", sagt sie. Sechs Zimmer gibt es hier. Bei der AWO nochmal zehn. Meist sind alle belegt – aber Gloria hat Glück.

Zwischen drei und sechs Monate bleiben betroffene Frauen meist im Frauenhaus, werden begleitet und beraten, um ihr Leben dann eigenständig gestalten zu können. Nach drei Monaten findet auch Gloria eine eigene Wohnung und kann das Frauenhaus verlassen.

"Ist meine Geschichte schlimm genug?"

Kurz darauf wendet sie sich an den Verein Wildwasser, eine Beratungsstelle in Würzburg für Frauen, die Gewalt erlebt haben. Sozialpädagogin Janika Schmidt beobachtet, dass sich mehr Frauen melden als noch vor ein paar Jahren. Sie vermutet, weil das Thema mehr in der Öffentlichkeit ist und so mehr Bewusstsein für das Thema Gewalt in der Partnerschaft da sei. Trotzdem: Viele trauen sich nicht, sich Hilfe zu holen. Die Angst, diskriminiert oder nicht ernst genommen zu werden, hält sie ab. Schmidt beobachtet ein wiederkehrendes Muster: "Die betroffenen Frauen fragen sich: Ist meine Geschichte schlimm genug? Wir sagen: Ja, ist sie." Leider sei oft nicht bekannt, was schon Gewalt ist. Denn die fange bereits bei emotionaler und psychischer Gewalt an.

Viele Frauen denken, dass es ja auch schöne Momente gibt

"Was wir häufig im Nachhinein hören: Die Betroffene denkt sich, dass es ja auch schöne Momente gab", so Schmidt. "Love bombing" nenne man diese Täterstrategie. Sich entschuldigen, reumütig seine Fehler eingestehen. Das mache den Frauen Hoffnung auf Besserung. Und: "Die Frauen denken dann, ach, eigentlich ist er ja lieb. Den schlimmen Teil halte ich im Vergleich aus."

Gloria: "Ich habe noch gelacht - auch mit ihm."

Genauso hat es auch Gloria erlebt: Auch als er längst handgreiflich geworden ist, ignoriert sie immer noch ihre Gefühle. Sie arbeitet viel, übernimmt alle verfügbaren Schichten. "Ich wollte nicht denken." Und es sei ja nicht alles schlecht gewesen, dachte sie damals. "Ich habe auch noch gelacht – auch mit ihm. Ich wollte einfach ein normales Leben führen. Aber das ist mir so schwer gefallen."

Respekt und Solidarität als Basis

Janika Schmidt begleitet Gloria jetzt seit einem Jahr – und sie ist wahnsinnig stolz auf sie. Für Gloria ein Gefühl, das ihr Kraft gibt. "Es macht viel aus, einfach von jemandem Vertrauen zu bekommen. Das macht Hoffnung." Ernst genommen zu werden. Mit Respekt und Wertschätzung. So kämpft sich Gloria Schritt für Schritt zurück ins Leben.

Nach Angaben des bundesweiten Hilfetelefons sind rund 35 Prozent aller Frauen mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexueller Gewalt betroffen und rund 25 Prozent der Frauen erleben körperliche und/oder sexualisierte Gewalt in der Partnerschaft.

In Unterfranken wurden im Jahr 2020 1.868 Personen Opfer häuslicher Gewalt. 80 Prozent waren Frauen. Das sind zumindest die bei der Polizei Unterfranken gemeldeten Fälle – die Dunkelziffer ist vermutlich noch viel höher, befürchtet ein Sprecher.

Ein Grund: Dass häusliche Gewalt nicht erst mit Schlägen anfängt, ist vielen nicht bewusst. Schon Beleidigungen, Herabwürdigungen, also psychische Gewalt, aber auch die Frau in eine finanzielle Abhängigkeit zu bewegen, sind Formen von Gewalt. Hilfe und Unterstützung können Betroffene über das bundesweite Hilfetelefon bekommen unter 08000-116 016, bei regionalen Beratungsstellen und bei der Polizei.

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