Eine ältere Frau tippt auf einem schnurlosen Festnetztelefon.
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Oft werden ältere Menschen Opfer von sogenannten Enkeltrick-Betrügereien oder Schockanrufen.

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Gegen Schockanrufe: Polizei setzt auf Taxler, Banker und Pflege

Zigtausende Euro am Telefon ergaunert von dreisten Betrügern: Schockanrufe werden immer mehr zum Problem. Auch im Bereich des Kemptener Polizeipräsidiums. Dort sollen jetzt Taxifahrer, Bank-Mitarbeiter und Pfleger helfen, den Betrug zu verhindern.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Diesen Tag im Januar wird Herbert Veit wohl nicht so schnell vergessen: Eine nervöse Kundin, 82 Jahre alt, kommt in die VR-Bank in Memmingen und will dringend 25.000 Euro abheben. Die Mitarbeiter sind skeptisch. Weil die Frau sagt, sie brauche das Geld für eine Renovierung, bekommt sie es am Ende aber. Doch plötzlich wird die Frau noch nervöser.

Aufgelöste Seniorin in der Schalterhalle

Filialleiter Herbert Veit fällt die aufgelöste Seniorin in der Schalterhalle auf. Er spricht sie an: "Die Frau hat gesagt: Sie muss jetzt jemand ganz dringend anrufen und ihr Handy-Akku ist leer – ob wir den laden können oder ihr helfen können. Und dann habe ich nachgefragt, wen sie denn so dringend anrufen muss, weil mir das schon ein bisschen komisch vorkam."

Betrüger: Tochter soll Frau totgefahren haben

Im Büro des Filialleiters erzählt die 82-Jährige dann, dass sie einen Anruf – angeblich von der Polizei – bekommen habe: Ihre Tochter habe in Ulm eine rote Ampel übersehen und eine Frau totgefahren. Nur wenn die Mutter jetzt schnellstmöglich 50.000 Euro Kaution übergibt, müsse die Tochter nicht in Untersuchungshaft.

Leerer Handy-Akku verhindert Betrug

Die Betrüger hatten die Rentnerin am Telefon enorm unter Druck gesetzt, waren die ganze Zeit übers Handy in Kontakt mit ihrem Opfer. Nur durch den leeren Handy-Akku flog die Sache letztendlich auf. "Wir haben die Tochter und die Polizei angerufen und dann hat es sich tatsächlich als Betrug herausgestellt", erzählt Filialleiter Veit. Im letzten Moment haben sie also verhindert, dass die Frau einen großen Teil ihrer Ersparnisse den Betrügern übergibt.

Polizei: "erschreckend viele Fälle"

Schockanrufe wie diese seien in den vergangenen Jahren immer häufiger geworden, sagt die Kemptener Polizeipräsidentin Claudia Strößner. Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über solche Callcenter-Betrügereien mit falschen Polizisten, angeblichen Gewinnversprechen oder Verwandten, die urplötzlich in Not sind und dringend Geld brauchen. "Auch dieses Jahr hatten wir wieder erschreckend viele erfolgreiche Fälle", sagt die Polizeipräsidentin. Deshalb nutzt die Polizei jede sich ergebende Möglichkeit, um auf die dreisten Maschen der Betrüger aufmerksam zu machen.

Drahtzieher sitzen im Ausland

Das Problem an der Sache: Hinter dem Betrug stecken oft professionell organisierte Callcenter irgendwo im Ausland. An die Drahtzieher heranzukommen, ist damit für die hiesige Polizei schwer bis fast unmöglich. Das Kemptener Präsidium setzt deshalb jetzt noch mehr auf Prävention: Mitarbeiter von Banken, Taxi-Unternehmen und Pflegediensten sollen für das Thema sensibilisiert werden. Sobald in einer Region vermehrt Schock-Anrufe auftauchen, werden sie von der Polizei verständigt. Das Ziel: den Betrug früh erkennen und verhindern.

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In der VR-Bank in Memmingen hat Filialleiter Herbert Veit richtig reagiert

"Die Bank-Mitarbeiter können eine Überweisung stoppen, sie können auch noch mal alles hinterfragen", sagt Polizeipräsidentin Claudia Strößner. Ein Taxifahrer könne die Polizei verständigen, wenn er eine offenbar aufgelöste Person zur Bank gefahren habe. Mitarbeitende eines Pflegedienstes oder eines Seniorenheims könnten einen Betrugsversuch ebenfalls häufig frühzeitig bemerken und Alarm schlagen. "All diese Sensibilisierungsmaßnahmen vom Umfeld – die sollen dazu beitragen, dass man diese Schäden verhindert, die wirklich erheblich sind."

Ein Leben lang gespart – alles weg

Allein im vergangenen Jahr haben die Callcenter-Betrüger im Bereich des Kemptener Polizeipräsidiums fast 900.000 Euro mit Schockanrufen und Enkeltrick-Betrügereien ergaunert. In der Bank von Herbert Veit in Memmingen hat man das Thema im Blick. Er und seine Mitarbeiter sind nicht erst nach dem verhinderten Betrug an der 82-jährigen Seniorin sensibilisiert und wollen helfen, solche Betrügereien zu verhindern. Denn: "Wir kennen die Kunden und wissen, dass das oft Leute sind, die ihr ganzes Leben gespart haben. Und auf einmal ist dann der Großteil ihres Vermögens weg", sagt Filialleiter Veit.

Wachsam und ruhig bleiben

Die Kemptener Polizeipräsidentin mahnt deshalb dazu, bei zweifelhaften Anrufen immer wachsam zu sein. Ihre wichtigsten Tipps: "In der Ruhe bleiben, keine Wertsachen herausgeben und keine Überweisungen tätigen, ohne sich vorher noch mal versichert zu haben. Und im Zweifel die 110 wählen."

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