Kontrovers-Moderatorin Ursula Heller mit einer älteren geflüchteten Ukrainierin
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Kontrovers-Moderatorin Ursula Heller mit einer älteren geflüchteten Ukrainierin

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Geflüchtete: Zwischen großer Dankbarkeit und ungewisser Zukunft

Zehntausende Menschen sind vor dem Krieg geflohen und haben in Bayern ein Dach über ihrem Kopf gefunden. Kontrovers-Moderatorin Ursula Heller will wissen: Wie geht es den Geflüchteten in Bayern? Ist so etwas wie Alltag nach der Flucht möglich?

Hinter Katja und ihrem 11-jährigen Sohn Sascha liegt eine fünftägige Autofahrt. Sie sind aus einem umkämpften Ort in der Nähe von Kiew geflohen. Tag und Nacht waren sie unterwegs, bis sie in Feldkirchen bei München ankamen. Moderatorin Ursula Heller besucht die beiden, die nun mit 50 anderen Geflüchteten aus der Ukraine in einem Haus, das eigentlich abrissreif war, leben.

  • FAQ: Ukraine-Flüchtlinge: was jetzt in Bayern zu tun ist

Das Gebäude wurde mit Hilfe der Dorfgemeinde kurzerhand wieder auf Vordermann gebracht. Auch Saschas Tante Maria lebt jetzt in dem Haus. In Sicherheit. Sie hat bisher in Kiew als Tierärztin gearbeitet. Sie erzählt, dass sie die Bilder, die sie in diesen Tagen aus ihrer Heimat erreichen, unendlich schmerzen: "Wenn es um Krieg geht, dann kommen mir meist sofort die Tränen. Es ist für uns alle schwierig über unser altes Leben, das uns jetzt weggenommen wurde, zu sprechen."

Online-Unterricht aus dem Kriegsgebiet

Katja ist Juristin. Hier in der Fremde legt sie großen Wert darauf, dass ihr Sohn Sascha einen geregelten Tagesablauf hat. Er geht zwar in Bayern noch nicht in die Schule, aber er lernt mit seinen Lehrern aus der Ukraine weiter: "Er hat inzwischen viel Online-Unterricht über Zoom. Manchmal haben seine Lehrer kein Netz, je nach aktueller Bedrohungslage. Wenn die Lehrer im Bunker festsitzen, dann können sie nicht unterrichten, weil es kein Internet gibt."

Und was wird aus den Schwestern Katja und Maria? Sie wollen Arbeit finden und etwas Geld verdienen, um möglichst selbstständig leben zu können. Die Juristin und die Tierärztin haben bereits einen Job in Aussicht, nachdem sie in einem bekannten bayerischen Hotel Probe gearbeitet haben. Besteht der bayerische Teil der Fluchtgeschichte von Katja, Sascha und Maria nur aus glücklichen Zufällen? Wie ergeht es den vielen anderen, die in den letzten Wochen hier angekommen sind?

Zu neunt im Reihenhaus

Das Reporterteam des BR-Politikmagazins Kontrovers fährt weiter in das fünf Kilometer entfernte Kirchheim. Dort haben Dagmar und Herbert Vollmann ihre Tür weit geöffnet. Sie haben sieben Geflüchtete aus der Ukraine bei sich aufgenommen. "Wie kam es dazu?", will Ursula Heller wissen. "Wir haben erst Mal die beiden Schwestern Tatiana und Olga und deren Tochter bei uns aufgenommen. Und dann kam noch eine Schwester mit ihrem Mann Andrej und deren beide Töchtern zu uns. Und so sind es immer mehr geworden."

Die Vollmanns leben eigentlich zu zweit in ihrem Reihenhaus. Jetzt, zu neunt, ist es eng geworden, aber das Ehepaar will helfen: "Wir verstehen uns auch alle gut. Und für uns war es einfach an der Zeit etwas zurückzugeben, weil wir es in unserem Leben bisher so guthatten. Deshalb würde ich das Ganze hier nie bereuen."

Zwischen Fußballtraining und Kriegsbildern

Familienvater Andrej ist eigentlich Profi-Fußballspieler. Laut FIFA darf er seinen Vertrag mit seinem ukrainischen Verein erst zum Sommer auflösen. Seit ein paar Tagen kickt er aber mit den Spielern beim Kirchheim SC: "Mir geht es hier sehr gut! Ich bin dem Team sehr dankbar, dass sie mich so aufgenommen haben und dem Trainer, dass ich mittrainieren darf." Auch bei Andrejs Tochter Sophia ging alles sehr schnell. Sie darf seit einer Woche die sechste Klasse besuchen. Sie wurde als Gastschülerin in der Schule aufgenommen. Eine Sonderregelung.

Stolz zeigt sie Ursula Heller von Kontrovers ihren karierten Block: "Hier! Meine Mathesachen." Feinsäuberlich ist darauf zu lesen: "3 mal 8 ist 24". Für Sophia ist das wenigstens ein bisschen Normalität mitten in einem fremden Land bei einer Gastfamilie. Doch auch hier flimmern die Nachrichtenbilder über den Bildschirm. Die jüngsten Gräueltaten von Butscha belasten nicht nur die geflüchtete Familie, sondern auch ihre Gastgeber. "Mir geht das wahnsinnig zu Herzen. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass so etwas in unserer westlichen Welt noch einmal möglich ist."

Geflüchtete wollen so schnell wie möglich nach Hause

Für das Reporterteam geht es weiter zur Münchner Tafel. Hier gibt es an den Samstagen ein eigenes Zeitfenster für Geflüchtete aus der Ukraine, um Lebensmittelspenden zu erhalten. Hunderte Menschen stehen in der Schlange. Axel Schweiger von der Tafel prüft, was er noch im Lager hat. Auf die Frage nach einem Versorgungsmangel, antwortet er: "Die Sorge haben wir natürlich immer. Wir könnten immer noch mehr tun. Es gibt viele Bedürftige. Und die Lebensmittel werden jetzt schon knapper."

Natascha und Tanja erzählen Ursula Heller, dass es für sie schwierig ist, plötzlich von Spenden und Helfern abhängig zu sein. "Wir mussten uns gezwungenermaßen als Geflüchtete melden. Dabei hatten wir es in der Ukraine so gut. Alles war normal. Solange der Krieg nicht zu Ende ist, müssen wir hierbleiben. Aber sobald er vorbei ist, versuchen wir zurückzukehren." Für Helfer wie Geflüchtete ist die aktuelle Situation belastend. Eines fällt Ursula Heller und dem Reporterteam immer wieder auf: die große Dankbarkeit der Menschen aus der Ukraine und ihr Wunsch, bald wieder nach Hause zurückzukehren.

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