Die Schwurgerichtskammer kurz vor der Urteilsverkündung.
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Flutkanal-Prozess: Lange Haftstrafen für Freunde des Opfers

Knapp ein Jahr nach dem Ertrinkungstod eines jungen Mannes im Flutkanal in Weiden sind zwei seiner damaligen Begleiter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie sollen tatenlos dabei zugesehen haben, wie das Opfer im Kanal unterging.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Mit zwei mehrjährigen Haftstrafen und hochemotionalen Szenen im Gerichtssaal ist in Weiden in der Oberpfalz der Prozess um den Tod eines jungen Mannes zu Ende gegangen. Auf der Anklagebank saßen drei Bekannte des 22-Jährigen, der im September 2020 stark betrunken in den Weidener Flutkanal gestürzt und ertrunken war.

Bewährungsstrafe für dritten Angeklagten

Zwei von ihnen verurteilte das Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Gerhard Heindl am Freitag wegen Aussetzens mit Todesfolge. Ein 24-Jähriger, der beste Freund des Opfers, soll für fünfeinhalb Jahre in Haft; eine 22-Jährige für viereinhalb Jahre. Der dritte Angeklagte bekam wegen unterlassener Hilfeleistung eine sechsmonatige Bewährungsstrafe.

Nicht nur eine moralische Schuld

Anders als die Verteidiger in ihren Plädoyers, sahen die Richter nicht nur eine moralische, sondern durchaus eine strafrechtliche Schuld bei den Angeklagten. Detailliert schilderte Heindl den Ablauf jenes Abends, der in einer Shisha-Bar seinen Anfang nahm. Die jungen Leute tranken Wodka. Auf dem Heimweg Richtung Parkhaus hätten die Freunde das spätere Opfer führen und von der Straße wegziehen müssen, weil der junge Mann so betrunken war - mehr als zwei Promille und Drogenkonsum wurden später festgestellt. Am Parkhaus verschwand der 22-Jährige, die Freunde suchten ihn und hörten vom nahe gelegenen Kanal her Geräusche. Der junge Mann lag nass und wimmernd am Ufer. Die Frau hielt mit der Handykamera drauf.

Videos vom Drama am Kanal

Auf einem Video ist ihr Lachen zu hören. Bei einem zweiten Filmchen zoomt sie an den Betrunkenen heran, als er versucht, sich aufzurichten und ins Wasser fällt. Seine schlechte Verfassung ist ihm anzusehen. Nach Überzeugung der Richter war es unmöglich, die Gefahr nicht zu erkennen.

Die junge Frau und der 24-Jährige - der beste Freund des Opfers - hätten nichts unternommen, obwohl es ganz einfach gewesen wäre, den 22-Jährigen am Ufer festzuhalten und Hilfe zu rufen. Die Frau habe ein Video erstellen wollen, das man gut posten könne, so der Richter. "Denn das ist ja wichtig heutzutage."

"Lebst Du noch?"

In spöttischen, spät am Abend verschickten Handynachrichten heißt es unter anderem: "Der ertrinkt gerade." Am Morgen versuchten die Freunde den 22-Jährigen zu erreichen: "Lebst Du noch?" und "Mach' keinen Scheiß", tippten sie. Da war er tatsächlich ertrunken.

Tränen im Gerichtssaal

Während der Richter den Abend rekapitulierte, schluchzten die Eltern des Opfers immer wieder auf oder schüttelten den Kopf. Vor sich auf dem Tisch hatten sie einen Fotorahmen mit einem Bild ihres einzigen Sohnes aufgestellt. Mit festem Blick guckten sie die Angeklagten an, die ihrerseits den Blickkontakt vermieden. "Das ist doch krank", rief der Vater. Zum Schluss der Verhandlung gingen die Eltern den Staatsanwalt verbal an und beschimpften die Angeklagten. Auch bei deren Angehörigen flossen Tränen.

Härteste Strafe für den "besten" Freund

Eine Verurteilung wegen Aussetzung mit Todesfolge sei gerechtfertigt, erläuterte der Richter. Der 24-Jährige wurde jedoch strenger bestraft als die junge Frau, weil er der beste Freund des Opfers gewesen war und deswegen eine erhöhtes Interesse daran gehabt haben musste, dem 22-Jährigen zu helfen. Der dritte Angeklagte sei nicht direkt am Ufer dabei gewesen, hätte aber auch Hilfe holen können, befanden die Richter. Die Verteidiger der beiden zu Haftstrafen verurteilten kündigten Revision an.

"Wir waren nur vier junge Leute..."

In ihren letzten Worten hatten die Angeklagten das Geschehen bedauert. Er denke jeden Tag an seinen Freund, sagte der 24-Jährige. Die Frau beteuerte, es tue ihr von Herzen leid, was dem Freund passiert sei. Bis heute könne sie das Ganze nicht fassen. "Wir waren einfach nur vier junge Leute, die Freitagabend ausgehen und was trinken wollten."

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