Nachdem der Fischotter fast ausgestorben war, ist er jetzt zurück. Teichwirte bangen um ihre Existenz. Jetzt hat die Staatsregierung Fischotter in Ostbayern zur Entnahme freigegeben. Theoretisch zumindest, denn in der Praxis ist das nicht so einfach.
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Nachdem der Fischotter fast ausgestorben war, ist er jetzt zurück. Teichwirte bangen um ihre Existenz.

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Fischotter-Entnahme: Erlaubt, aber nur wenig praktikabel

Die Tötung von Fischottern ist in Niederbayern und der Oberpfalz von nun an erlaubt. Doch mit dieser Verordnung kommen verschiedene Meinungen einher. Teichwirte zum Beispiel sehen nahezu keinen Nutzen darin. Und die Umwelthilfe will klagen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Seit Dienstag dürfen in Niederbayern und fast der gesamten Oberpfalz streng geschützte Fischotter entnommen, also getötet werden. Doch die Vorgaben sind streng und für Teichwirte wenig praktikabel.

Auf dem Smartphone von Franz Kühn gibt es viele Fotos und Videos von Fischottern an seinen Teichen. Ganze Otterfamilien, die in Fotofallen tappen. Aber auch viele Fotos von angefressenen Fischen, die der Teichwirt am Damm regelmäßig findet. Insgesamt 100 Hektar bewirtschaftet die Familie seit dem 17. Jahrhundert. Dass jetzt Fischotter getötet werden dürfen, hält er grundsätzlich für gut. Doch umsetzbar ist es kaum, findet er. Denn die Vorgaben sind streng.

Vorgaben machen es den Teichwirten schwer

Laut artenschutzrechtlicher Ausnahmeverordnung darf nur bis zu 200 Meter vom Gewässerrand entnommen werden. Dazu müssen die jeweiligen Jagdpächter und ihre Jäger von Februar bis November Lebendfallen aufstellen. Gefangene Tiere müssen anschließend gewogen werden. Wiegt der gefangene Otter unter vier oder mehr als acht Kilo, darf er getötet werden, ansonsten muss er wieder freigelassen werden.

Außerdem müssen Teichwirte wie Franz Kühn nachweisen, dass der Bau eines Zaunes um ihre Gewässer teurer ist als die Rendite, die sie mit der Erzeugung von Fischen in den kommenden zehn Jahren erwarten. Getötet werden dürfen Otter nur, wo ein Zaun als Alternative nicht möglich ist. Franz Kühn rechnet zusammen: 100 Hektar Teiche hat er, insgesamt würde ihm die Einzäunung gut zwei Millionen Euro kosten.

Nur 32 Tötungen in einem Jahr erlaubt

Möglicherweise sei die Jagd auf den Fischotter im Dezember und Januar einfacher, sagt Franz Kühn, der selber Hobby-Jäger ist. Doch da ist als weitere Vorgabe noch die Höchstzahl an Tieren, die pro Jahr entnommen werden dürfen. Und die liegt bei 32 in ganz Niederbayern und fast der gesamten Oberpfalz. Das hat die Landesanstalt für Landwirtschaft am Dienstag auf einer Internetseite bekannt gegeben. Auf der Online-Seite wird täglich aktualisiert, wie viele Tiere bereits entnommen worden sind im aktuellen Kalenderjahr.

Keiner wolle das streng geschützte Tier ausrotten, sagt Teichwirt Franz Kühn. Doch die Tötung von maximal 32 Fischottern pro Jahr in ganz Niederbayern und fast der gesamten Oberpfalz werde gar nichts an der Situation ändern, so Kühn. Allein im Landkreis Tirschenreuth schätzen die Teichwirte die Zahl der Fischotter auf mindestens 300.

Verschiedene Meinungen zur neuen Fischotter-Verordnung

Die bayerische Staatsregierung hat die Entnahme von Fischottern erleichtert, um "ernste fischwirtschaftliche Schäden" abzuwenden, begründete Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber bereits im Mai die neue Verordnung. Der Fischotter ist nach europäischem Recht streng geschützt. Während der Präsident des Landesfischereiverbands Axel Bartelt die neue Verordnung als "notwendige und komplette rechtliche Grundlage" lobt, kündigte die Deutsche Umwelthilfe bereits eine Klage dagegen an.

Verordnung werde den Teichwirten nicht helfen

Auch der Bund Naturschutz in Bayern erwägt eine Klage, bestätigt Christine Margraf. Sie hält die erlaubten Tötungen für ein reines Wahlkampfmanöver, weil es völlig klar sei, dass sie mit dem europäischen Naturschutzrecht nicht vereinbar sind. Der Erhaltungszustand des Fischotters sei nach wie vor ungünstig in Bayern. Außerdem würden die Entnahmen der Teichwirtschaft nicht helfen, denn Fischotter seien Reviertiere. Sobald einer weg sei, rückten sofort andere nach.

Die Vorgaben zur Entnahme seien praktisch "nicht umsetzbar", so Margraf. Das tatsächliche Gewicht der gefangenen Otter oder auch den Nachweis des wirtschaftlichen Schadens werde nicht kontrolliert. Ein Runder Tisch zum Fischotter vor einem Jahr sei auf einem guten Weg gewesen, sagt die Expertin für Artenschutz im Bund Naturschutz. Doch mit dieser neuen Verordnung sei diese konstruktive Arbeit vom Tisch gefegt worden.

Immer weniger Berufs-Teichwirte

Die Familie von Franz Kühn ist seit dem 17. Jahrhundert in der Teichwirtschaft. Er allerdings wird die letzte Generation sein, vermutet Kühn. Seiner Tochter empfiehlt er den Beruf nicht, weil der 53-Jährige keine Zukunft darin sieht. So geht es auch anderen Berufsteichwirten im Landkreis Tirschenreuth. Einige haben bereits Teile ihrer Teichflächen stillgelegt. Die Zahl der Betriebe, die in der Oberpfalz Speisefische produzieren, ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als zwei Drittel gesunken. Laut Statistischem Landesamt waren es im Jahr 2013 noch 1495 Betriebe in der Oberpfalz, im Jahr 2022 allerdings produzierten nur mehr 445 Betriebe Speisefische in der Oberpfalz.

Teiche verlanden oder Platz schaffen für neue Anbaufläche

Es sind die kleineren Betriebe, die Hobby- und Nebenerwerbsteichwirte in der Oberpfalz, die sowohl aufgrund des Fischotters, aber auch aufgrund der Trockenheit und des damit fehlenden Wassers Teiche verlanden lassen oder sogar Fichten und Mais auf den Flächen anbauen. Das bestätigt der Fachberater für Fischerei des Bezirks Oberpfalz, Thomas Ring. Es sei ein schleichender Prozess, sagt er, der aber massiv sei. Denn dadurch sei eine ganze Kulturlandschaft am Wanken, die über 1000 Jahre gewachsen sei. Werden Teiche nicht mehr bewirtschaftet, wirkt sich das auf die Regenrückhaltung in der Fläche, die Biodiversität und die Grundwassererneuerung aus.

Zukünftig Produktion von Speisefischen in Industriehallen?

Während der Bund Naturschutz generell eine andere Finanzierung der Teichwirtschaft in Bayern fordert, sehen die Teichwirte die Produktion von heimischen Speisefischen künftig schon in großen Industriehallen und nicht mehr in Naturteichen. Als nächsten Schritt will Franz Kühn aber erst einmal die Klagen und die Rechtssicherheit abwarten.

Vier Fischotter an einem der Teiche von Franz Kühn.
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Teichwirt Franz Kühn hat viele Fotos und Videos von Fischottern an seinen Teichen. Ganze Otterfamilien tappen in seine in Fotofallen.

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