Azubi vermisst fertig gefräste Werksstücke
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Facharbeiter in Corona-Zeiten: Daheim statt an der Fräse

Er ist jung, motiviert und qualifiziert: Aber anstatt bei Alzmetall hochtechnisierte Fräsen zu montieren, ist der Industriemechaniker Andreas Schroll seit neun Monaten zu Hause in "Kurzarbeit O" - und muss um seinen Arbeitsplatz fürchten.

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Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Morgens um sechs Uhr aufstehen, dann ins Fitnessstudio, im Anschluss Quads in der Werkstatt eines Bekannten reparieren oder beim Cousin ein bisschen auf der Baustelle helfen - so vertreibt sich der 22-jährige Andreas Schroll aus Traunreut seine Zeit.

  • Klicktipp: Mehr Artikel aus der BR24-Serie "Wie Corona unser Leben verändert" können Sie hier nachlesen.

"Kurzarbeit 0": Keine Arbeit bei 60 Prozent Gehalt

Die Geschäftsführung seiner Firma Alzmetall aus Altenmarkt an der Alz hat ihn in "Kurzarbeit 0" geschickt. Das heißt: Keine Arbeit bei 60 Prozent Gehalt.

Als er im Januar 2020 in Kurzarbeit geschickt wurde, sei er gerade mit seiner Ausbildung fertig geworden. "Ich wollte natürlich als Jungfacharbeiter arbeiten, ich habe Lust gehabt, Geld zu verdienen, zu arbeiten, neue Sachen zu lernen", erzählt er, während er am Computer sein Xing-Profil aktualisiert.

Er habe sich vernachlässigt gefühlt. Bis vor kurzem hatte er noch Hoffnung, dass sein Vertrag verlängert wird. Aber die schwindet langsam, denn bereits im Januar 2021 läuft sein Vertrag aus.

Personalabbau trifft vor allem junge Mitarbeiter

Die Zeichen bei der Alzmetall stehen momentan auf Personalabbau: Zehn Auszubildende werden nach ihrer Abschlussprüfung nicht übernommen, die Geschäftsführung will 24 weiteren Jungfachkräften betriebsbedingt kündigen.

Schuld sei die schlechte Auftragslage durch Corona. Die Alzmetall beschäftigt 375 Mitarbeiter und hat zwei Standbeine, die Gießerei und den Werkzeugmaschinenbau. Ihre Produkte verkauft sie weltweit, aber vor allem nach China.

Ein Drittel mehr Arbeitslose unter 25 Jahren in der Region

Ein Blick auf den Arbeitsmarkt in der Region zeigt, dass Berufseinsteiger besonders betroffen sind. Die Zahlen der aktuellen Arbeitslosenstatistik im Bezirk Traunstein, die mehrere Landkreise zwischen Königsee und Mühldorf zusammenfasst, belegen das.

Im August 2020 gab es ein Drittel mehr Arbeitslose unter 25 Jahren als im Vorjahr. Denn wenn Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, trifft der Personalabbau häufig die Berufseinsteiger, die noch nicht so lange in der Firma tätig sind und noch wenig bis keine sozialen oder finanziellen Verpflichtungen haben.

Betriebsrat und Gewerkschafter von geschockt

Der Betriebsrat und die Gewerkschafter sind von der Personalpolitik bei Alzmetall geschockt. Zusammen mit IG Metall-Vertretern hat der Betriebsrat in den vergangenen Woche bei einer Betriebsversammlung versucht, den Geschäftsführer zu überzeugen, dass es Alternativen zu den Kündigungen gibt - etwa die Kurzarbeit.

Die Bundesregierung hat erst im August beschlossen, die veränderten Regeln zur Kurzarbeit bis in das Jahr 2021 zu verlängern.

IG Metall: "Das ist kein Zukunftskonzept"

Jochen Hafner leitet die IG Metall Aktivitäten in Rosenheim. Er war auch bei der Betriebsversammlung bei Alzmetall. "Zu sagen, wir übernehmen keine Azubis oder wir kündigen 24 jungen Leuten, ist für uns kein Zukunftskonzept", sagt er.

Die Geschäftsleitung müsse umfassendere Lösungen für das Unternehmen haben, "als einfach nur Personalkosten einzusparen." Es gehe dabei darum, sich auf dem Markt besser aufzustellen, die Produkte an die sich verändernden Märkte anzupassen. Außerdem verstoße die Kündigungswelle gegen den Haustarifvertrag.

Schieflage bei Alzmetall schon vor Corona

Andreas Schroll war auch bei der Betriebsversammlung. Dort erfuhr er, dass die Aufträge für die Werkzeugmaschinen bei der Alzmetall schon seit knapp zwei Jahren stark zurückgehen.

Laut Geschäftsführer Roland Ilg habe die konjunkturelle Krise schon 2019 begonnen: "Ausgelöst durch den Handelskrieg zwischen den USA und China, dem Brexit und den erbitterten Diskussionen um die Zukunft der Verbrennungsmotoren", sagt er im Interview mit dem BR.

Da die Alzmetall viele Kunden in China habe und die Automobilbranche beliefere, liege der Auftragsrückgang bei 42 Prozent im letzten Jahr und jetzt komme Corona noch hinzu. "Wir haben alles unternommen, um Sparmaßnahmen, die nicht mit dem Personal zu tun haben, einzuleiten", sagt Ilg.

Er bezweifelt, dass die Coronakrise schnell wieder vorbei ist. Deshalb seien die personalbedingten Maßnahmen auch unumgänglich.

"Dieses Jahr nur acht Tage gearbeitet"

Andreas Schroll schaut sich inzwischen nach anderen Stellen um. "Ich frage mich, ob da dann in meinem Arbeitszeugnis von der Alzmetall drinsteht: 'Bester Kurzarbeiter des Jahres". Weil ich habe ja dieses Jahr nur acht Tage gearbeitet.“

Ob es sich lohnt, für seine Stelle zu kämpfen, wie es der Betriebsrat sagt - da ist er noch unentschlossen. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass viele Betroffene von ihrem Klagerecht Gebrauch machen. Aber daheim sitzen will er auch nicht mehr.

Bildrechte: BR / Theresa Krinninger
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Die Firma "Alzmetall"

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