Extremismusforscher Dierk Borstel, FH Dortmund im Kontrovers-Interview zum Thema Extremisten im Schöffenamt
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Extremismusforscher Dierk Borstel, FH Dortmund im Kontrovers-Interview

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Extremismusforscher: "Der Staat muss genauer hinschauen"

Klare Regelungen für die Überprüfung von Schöffen fordert Politologe Dierk Borstel im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Extremisten unter Laienrichtern dürfte es auch in Einzelfällen nicht geben.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

In der Vergangenheit haben Extremisten es immer wieder geschafft, das Schöffenamt und damit die Justiz zu unterwandern. "Das ist eine Gefahr, die wir auf jeden Fall ernst nehmen müssen", unterstreicht Politologe Dierk Borstel . "Wir brauchen eine klare Aufsicht. Unterwanderungen sind zwar nur Einzelfälle. Aber wenn es sie gibt, müssen die Personen natürlich sofort aus den Ämtern enthoben werden."

5.000 neue Schöffen gesucht

In Bayern finden im Frühjahr 2023 wieder Schöffenwahlen statt. Rund 5.000 Laienrichter werden gesucht. "Sie alle zu überprüfen wäre tatsächlich aufwändig", erklärt der Extremismusforscher in Kontrovers. Zudem sei das Schöffenamt eigentlich dafür geschaffen worden, um das Vertrauen der Bürginnen und Bürger in die Rechtsprechung des Staates zu stärken. "Wenn der Staat den Bewerbern erst einmal mit Misstrauen begegnet, sie unter den Generalverdacht stellt, dass sie möglichweise Extremisten seien, dann ist kein guter Start für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit."

Trotzdem dürften Menschen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit Füßen treten, dieses Amt nicht besetzen und müssten entsprechend ihrer Aufgabe entbunden werden. "Der Staat muss hier genauer hinschauen", betont Borstel.

Wer prüft eigentlich was?

Vor einigen Wochen hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen Gesetzentwurf vorgelegt. Er besagt unter anderem, dass die Verfassungstreue von Schöffen Voraussetzung für die Übernahme des Amtes sein soll.

Für Extremismusforscher Borstel ist der Entwurf lediglich eine Zusammenfassung der aktuellen Rechtlage, da das Bundesverfassungsgericht diese Voraussetzung bereits in einem Urteil zementiert hatte. "Aber auffallend ist, dass aus dem Gesetzentwurf nicht klar hervorgeht, wie diese Überprüfung überhaupt stattfinden soll. Wer prüft eigentlich was? Hier eine Übersicht reinzubekommen, ist aus meiner Sicht notwendig", so die Einschätzung von Borstel.

Extremisten als "Kümmerer"

Die Schöffenämter seien nur einer von vielen gesellschaftlichen Bereichen, in denen Rechtsextremisten Unterwanderungen versuchen. Dem Politologen, der sich unter anderem intensiv mit dem ostdeutschen Rechtsextremismus beschäftigt hat, fällt auf, dass "überall dort, wo Demokratie vor Ort wenig sichtbar war, Extremisten unterschiedlicher Farben das häufig ausnutzen und die Löcher auffüllen." Sie würden versuchen sich bei Vereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr, in den Gemeinden als "Kümmerer" zu präsentieren und sich besonders einzubringen.

Ihre Haltungen würden als eigen und nicht mehrheitsfähig wahrgenommen werden, doch sie blieben meist unwidersprochen. "Viele Extremisten versuchen vor Ort eine Normalität herzustellen. Ihre Aussagen bleiben im Raum stehen. Und das führt dann tatsächlich zu politischen Wahlerfolgen," erklärt Borstel seine Forschungsergebnisse im BR-Politikmagazin Kontrovers. "Es gilt der Grundsatz: Überall dort, wo die Demokratie schwach ist, haben es Rechtsextremisten leicht."

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