Bayerischer Landtag

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EU-Kommissionschef Juncker zu Gast im Landtag

Heute Abend will der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, im Bayerischen Landtag für die europäischen Idee werben. Die Erwartungen der Parteien an die EU sind aber unterschiedliche. Von Nikolaus Neumaier

Über dieses Thema berichtet: Bayern am .

Europa und Bayern, das ist eine ambivalente Beziehung. Man braucht einander, und doch fliegen manchmal auch die Fetzen. Das hat auch der jetzige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon erfahren, als im Streit um Griechenland und Euro von der CSU die Frage gestellt wurde, ob er noch der Richtige an seinem Platz sei. Inzwischen aber ist alles wieder gut. Als Ministerpräsident Söder kürzlich in Brüssel war, lobte Juncker die Bayern in höchsten Tönen: "Die Bayern sind weltoffene, den anderen zugewandte Menschen. Je mehr Bayern man trifft, umso besser geht es einem."

Bayern will mitmischen

In der bayerischen Staatsregierung weiß man umgekehrt um die Bedeutung Europas. Das war auch ein Grund dafür, dass sich der Freistaat in Brüssel vor Jahren eine Vertretung zugelegt hat, die alle anderen überstrahlt. Die Liegenschaft ist eine grüne, charmante Oase mitten im betongrauen Europaviertel.

Das gleicht auch den formal eher geringen Einfluss Bayerns aus. Die Location des Freistaats dient als Plattform, um wichtige Europapolitiker zusammenzubringen. So sprach Ministerpräsident Söder bei seinem Brüssel-Besuch im Mai selbstbewusst von bayerischer Interessenvertretung: "Wir sind hierhergekommen, um nicht einfach zu sagen 'Nein', sondern wir wollen auch mitmischen, soweit wir das als Bayern können."

Europa soll fördern und schützen

Söders Erwartung an Europa ist komplex: Die EU soll bayerische Landwirtschaft und regionale Entwicklung fördern, aber die Region auch vor einem neuen Flüchtlingsstrom schützen. Vor wenigen Tagen sagte Söder bei einem Kongress der Europäischen Volkspartei: "Europa muss sich auch als Schutzgemeinschaft verstehen. Es braucht auch diesen Festungs-Gedanken Europa mit dem Schutz vor neuen Balkanrouten, vor einer denkbaren Mittelmeerroute."

Aiwanger teilt Söders Position, SPD und Grüne warnen vor Kleinstaaterei

Bei Europa ist Hubert Aiwanger nahe bei der CSU. Vor allem, wenn es um das Thema Asyl geht. Dann klingt der Freie-Wähler-Chef wie Seehofer oder Söder: "Man hat den Eindruck, man nimmt uns nicht ganz ernst. Es ist auf der einen Seite die Asylpolitik mit dem alten Streit: Darf Deutschland an den Grenzen Flüchtlinge zurückweisen? Brüssel im Bündnis mit Merkel sieht es so, dass wir das alles so zu akzeptieren hätten. Da muss man unsere Befindlichkeit und unsere Rechte auch akzeptieren."

Entscheidend für Bayern sind aber auch die Gelder, die aus Brüssel fließen. Für Landwirtschaft und Infrastrukturprojekte gibt es derzeit noch etwa eine Milliarde Euro. Doch das könnte sich ändern, wenn der Brexit kommt und damit auch ein zahlender Mitgliedsstaat ausscheidet. Söder, aber auch Aiwanger, finden, dass sich dennoch nichts ändern darf: So sagen Söder und Aiwanger: "Wir wollen nicht, dass da weniger ankommt, zumal unsere Landwirtschaft kleinteiliger ist. Wir haben nicht die großen Agrarfrabriken. Für die bayerische Landwirtschaft zählt da jeder Cent." (Söder) "Der durchschnittliche bayerische Familienbetrieb, der darf hier nicht unter die Räder kommen, den würde ich sogar gerne noch besser gefördert sehen." (Aiwanger)

SPD und Grüne fordern Stärkung Europas

SPD und Grüne verfolgen dagegen einen anderen Kurs. Sie sehen die außenpolitischen Herausforderungen. Die Antwort darauf könne nur ein stärkeres Europa sein, meint Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen und erklärt: "Viele von uns erinnern sich noch, als die Grenzen zu waren, als die Grenzen kontrolliert wurden, als die Währungen noch unterschiedliche waren. Europa ist auf dem Vormarsch, und wir müssen alles dafür tun, dass wir ein starkes Europa haben." Ähnlich sieht es Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Er würde lieber auf Gelder für Bauern und Infrastruktur verzichten, wenn dafür Europa insgesamt gestärkt würde: "Bayerische Interessen sind für mich, dass wir unsere guten bayerischen Waren weiter auf dem Weltmarkt absetzen können. Und dafür brauche ich ein Europa, was so gestärkt weltweit auftreten kann. Auch gegenüber der US-Regierung."

Landtagspräsident erwartet mehr Bedeutung für die regionalen Parlamente

Das erwartet auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Sie freut sich auf den Besuch des EU-Kommissionpräsidenten aber auch, weil sie sich mehr Gewicht für die Regionen, also die Bundesländer, wünscht: "Wenn wir ein Europa der Regionen haben wollen, dann kann das nicht bedeuten, dass Europa der Regionen nur unter dem Gesichtspunkt der Nationalparlamente gesehen wird. Die Regionalparlamente spielen hier eine ganz große Rolle." Insofern wertet Stamm den Auftritt des Kommissionspräsidenten auch als Wertschätzung.

Juncker-Rede wird ca. 30 Minuten dauern

Gut eine halbe Stunde soll EU-Kommissionspräsident Juncker im Plenum des Landtags reden. Sein Auftritt um 17 Uhr soll dazu beitragen, dass sich wieder mehr Menschen für Europa begeistern. Das ist nicht nur die Erwartungshaltung von Landtagspräsidentin Stamm. Sie fordert wegen der außenpolitischen Herausforderungen, dass Europa enger zusammenrückt: Dem BR sagte Stamm: "Auf der europäischen Ebene wird momentan mit sehr, sehr vielen Stimmen gesprochen und ich meine auch im Hinblick auf Amerika, wäre es wichtiger denn je zusammenzustehen."

Hartmann von den Grünen erwartet sich einen Schub für die europäische Idee und sagt: "Ich würde mir wünschen, dass nach der Rede ein Ruck durch den Landtag geht, auch bei den anderen Fraktionen. Dass die Antwort auf die Herausforderungen eigentlich eher mehr Europa heißen muss." Ähnlich sieht es SPD-Chefin Kohnen. "Wir können nur als Europa stark sein, wenn wir solidarisch sind", sagt sie. Freie-Wähler-Chef Aiwanger ist dagegen enttäuscht, dass es kein Gespräch zwischen Juncker und den Abgeordneten gibt. "Jetzt", so Aiwanger, "wird es nur ein Show-Akt".