Eine Frau stützt den Kopf auf ihren Händen auf.
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Eine Frau stützt den Kopf auf ihren Händen auf. (Symbolbild)

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Eltern mit Depressionen: Wie eine App helfen kann

Wenn Eltern nach der Geburt ihres Kindes in eine Krise geraten, kann diese mitunter auch Depressionen auslösen – so wie bei einer Mutter aus Franken. Sie erhielt Hilfe auch durch eine App. Wie gut kann das Programm der Frau langfristig helfen?

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Die Kinderkrankenschwester Anja Ritzer sitzt im Sommer in ihrem Auto, auf dem Weg zu einer jungen Familie. Anja Ritzer betreut Väter und Mütter, die nach der Geburt ihres Kindes in eine Krise geraten sind. Bis zu zweimal in der Woche besucht sie Eltern und unterstützt sie in ihrem Alltag. Die Koordinationsstelle "Frühe Hilfen" der Stadt Nürnberg bietet Familien mit psychosozialen Problemen diese Hilfe an.

Im vergangenen Jahr hat Ritzer mit einigen Familien eine App getestet, die an der Uni Bamberg entwickelt wurde. Sie soll neben den Kinderkrankenschwestern junge Familien im Alltag unterstützen.

Junge Mutter litt unter Depressionen

Anja Ritzer klingelt bei Familie Ibrahimovic. Die Mutter Alisa freut sich über den Besuch. Die Frauen verstehen sich gut, umarmen sich zur Begrüßung. Die junge Mutter litt nach ihrer Entbindung unter einer schweren Depression. Ibrahimovics Tochter war als Baby sehr schwierig und hat viel geschrien, erzählt die Kinderkrankenschwester.

Alisa Ibrahimovic wollte alles perfekt machen, aber es wurde ihr zu viel. Sie erkrankte nach der Entbindung ihrer Tochter an einer postnatalen Depression. "Ich habe es nicht als Glücksgefühl empfunden, als ich das zweite Kind bekomme habe, sondern als Stress und als etwas Negatives", erzählt Ibrahimovic.

Und das, obwohl sie und ihr Mann sich das zweite Kind so sehr gewünscht hätten. Sie habe sich schlecht und in ihrem Körper gefangen gefühlt. "Allein hätte ich es nicht geschafft", erzählt sie. Die Kinderkrankenschwester Ritzer habe sie mehrmals in der Woche im Alltag unterstützt, ihr mit den Kindern geholfen und ihr in vielen Gesprächen wieder Hoffnung gegeben. "Ich habe akzeptieren müssen, dass alle Kinder unterschiedlich sind." Außerdem hätten ihr eine ambulante Therapie und Medikamente geholfen, ihre Depression zu überwinden.

App soll Eltern zusätzlich unterstützen

Neben der Betreuung durch die Kinderkrankenschwester hat Alisa Ibrahimovic zur Unterstützung eine App namens I-Pregno genutzt. Die App wurde im Rahmen einer europäischen Studie entwickelt, an der Wissenschaftler der Psychologie aus Deutschland, Österreich und Belgien beteiligt sind, so Jörg Wolstein, Professor für Pathopsychologie an der Uni Bamberg.

Die App soll Ängste nehmen und Schwangeren oder Eltern mit ihrem Neugeborenen helfen, ihre Ziele zu erreichen sowie gesund und entspannt zu bleiben. Die Zeit nach der Geburt sei eine sensible Lebensphase. Gerade Familien mit psychosozialen Problemen hätten häufiger ein idealisiertes Mutterbild, das sie oft nicht erreichen können. Dadurch entstehe Stress und das Gefühl, bei der Erziehung zu versagen, erklärt Wolstein.

In der App werden Themen wie Stressbewältigung, Emotionsregulation, Selbstwert, soziale Kompetenz, Achtsamkeit und Ernährung bearbeitet. In verschiedenen Modulen könnten die Mütter und Väter Texte lesen, kurze Podcasts hören und tägliche Übungen machen. Durch die App würden sich Familien sicherer fühlen und sich trauen, Fragen zu stellen. Dies sei auch ein Vorteil für die Fachkräfte vor Ort, denn die Familien schauen sich bestimmte Themen davor schon über die App an und können sich dann beim Besuch der Hebammen auf die Themen in der App beziehen, so der Professor für Psychologie.

Bei Depressionen Hilfe suchen

Seit dem Besuch von Kinderkrankenschwester Anja Ritzer bei Alisa Ibrahimovic ist ein halbes Jahr vergangen. Der Nürnbergerin geht es inzwischen wieder gut. Ritzer betreut die Familie nicht mehr. Die beiden Frauen haben aber immer noch online Kontakt. Kurz vor Weihnachten telefonierten sie miteinander. Es war nicht die App allein, die ihr geholfen habe, die Depression zu überwinden, sagt Alisa Ibrahimovic. Vielmehr sei die Hilfe der Kinderkrankenschwester für sie die größte Unterstützung gewesen.

Durch Ritzers Hilfe hat sie auch die ersten Schritte geschafft: Sie hat eine Therapie angefangen und Medikamente verschrieben bekommen. Als es Alisa Ibrahimovic dann wieder besser ging, habe die I-Pregno-App weitergeholfen, erzählt die Kinderkrankenschwester Anja Ritzer.

Alisa Ibrahimovic betont, wie wichtig es ist, sich bei Depressionen professionelle Hilfe zu holen. Sie hofft, dass durch ihre Geschichte auch anderen Eltern geholfen werden könne, damit es ihnen bald wieder besser geht.

Hotline bei Krisen

Die Hotline der Koordinationsstelle "Frühe Hilfen" informiert und berät Eltern und hilft auch bei Überforderung und Krisen weiter. Sie steht allen, die sich Sorgen machen, täglich rund um die Uhr unter 0911/231-33 33 zur Verfügung – auf Wunsch auch anonym.

Bei Depressionen oder anderen psychischen Problemen kann auch die Telefonseelsorge im Internet oder über kostenlose Hotlines (0800/111 0 111, 0800/111 0 222, 116 123) kontaktiert werden.

Zum Nachhören: I-Pregno - Wie eine App überforderte Eltern unterstützen soll

Ein Finger tippt auf das Display eines Smartphones.
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Eine App der Uni Bamberg hilft überforderten Eltern.

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