Zwei E-Transporter im Test
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Die beiden Wagen mit den unterschiedlichen Antriebskonzepten

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Elektro-Lieferwagen: Testfahrt im Fernverkehr

Werden Langstreckenlaster batterieelektrisch fahren? Der Ingolstädter Ingenieur Roland Gumpert, der einst den Audi-Quattro-Antrieb entwickelte, hat große Zweifel. Im Transportbereich setzt er auf E-Antriebe mit einer Methanolbrennstoffzelle.

Der MAN-Transporter auf dem Werkstatthof in Ingolstadt scheint auf den ersten Blick ein ganz normaler Lieferwagen. Die Typenbezeichnung eTEG verrät: Er hat einen Elektroantrieb. Und: Seit ihn Ingenieur Roland Gumpert vor einem halben Jahr umgerüstet hat, ist er ein einzigartiger Prototyp. Gumpert hat vier Methanolbrennstoffzellen eingebaut. Die haben zusammen eine Leistung von 15 kW und laden beim Fahren ständig den serienmäßig eingebauten Akku, der 36 kWh Strom speichern kann. Die Batterie wird also nie leer, solange Methanol im zusätzlich eingebauten Tank ist.

So die Theorie. Aber funktioniert das System auch? Gumpert will das auf einer Testfahrt über 500 Kilometer nach Graz in der Steiermark erproben. Auf dem Rückweg soll die Leistung des Methanolbrennstoffzellentriebes mit einem baugleichen E-Transporter verglichen werden, der seinen Strom nur aus der Originalbatterie bezieht. Beide Fahrzeuge sind mit dem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen unterwegs.

Der Methanolbrennstoffzellen-Antrieb

Letzte Vorbereitungen. Noch einmal gehen Gumpert und sein kleines Team die Technik durch. Der Akku ist vollgeladen. Jetzt muss nur noch der Treibstoff aufgefüllt werden. In den Tank kommt grünes Methanol, denn nur mit diesem nachhaltigen Sprit fährt das Fahrzeug klimaneutral. Erst im Auto zerfällt das Methanol durch Erhitzung in seine Bestandteile.

Die Wasserstoffatome erzeugen in der Hochtemperaturbrennstoffzelle beständig Elektrizität. Kohlenstoff und Sauerstoff werden zwar als CO2 freigesetzt, es kommt aber kein zusätzliches Klimagas in die Atmosphäre. Weil bei der Herstellung des Methanols zuvor genau die Mengen Kohlenstoff gebunden wurden, die jetzt wieder frei werden. In Pkws hat Gumpert diesen Antrieb schon verwirklicht, noch in diesem Jahr will er die ersten Sportwagen vom Typ Nathalie an Kunden ausliefern.

Wirtschaftsministerium fördert die Technologie

Seit einiger Zeit erprobt Gumpert die Methanolbrennstoffzelle auch in einem Lieferwagen mit 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, wie auf dem Fahrzeug zu lesen ist. Minister Hubert Aiwanger ist durch den Bericht im BR-Politik-Magazin "Kontrovers" auf Gumperts Antriebskonzept aufmerksam geworden.

Heute nun soll er sich erstmals auf der Langstrecke beweisen. Genau 501 Kilometer ist die geplante Strecke von Ingolstadt nach Graz lang. Auch für Quattro-Erfinder Gumpert, der lange Jahre als Chef von Audi-Sport unzählige Rallyeerfolge nach Ingolstadt geholt hat, ist diese Fahrt eine ganz besondere Herausforderung.

  • Zum Artikel: "Wo bleiben die Elektro-LKW?"

500 Kilometer quer durch die Alpenrepublik

Um 13.30 Uhr biegt Gumpert von seinem Firmenhof auf die Straße. "Da kann nichts schief gehen", sagt der 77 Jahre alte Ingenieur, "auch wenn die Batterie leer ist, ich habe ja die Grundpower von der Brennstoffzelle, die erzeugt Elektrizität, da kann man nicht mehr stehen bleiben." Er biegt auf die Autobahn. Tempo 80. Im Originalzustand, also nur mit dem Akku, hat der E-Transporter laut Hersteller eine Reichweite von bis zu 130 Kilometern.

Genau so weit ist es von Ingolstadt bis zum Irschenberg an der Autobahn A8. Doch Gumpert steuert an den Tankstellen dort vorbei, sein Akku ist noch fast voll und im Methanoltank ist noch genügend grüner Sprit. Eine kurze Pause legt er erst kurz vor der Grenze ein. Für einen Kaffee. Nach wenigen Minuten geht es weiter.

Auch Berge sind kein Problem

Die Strecke wird jetzt zunehmend bergiger, beim Voralpenkreuz biegt der Lieferwagen auf die Pyhrntalautobahn. Die führt in stetem Auf und Ab einmal quer durch die Alpenrepublik. Die vielen Berge erhöhen den Stromverbrauch. Für den einzigartigen Elektro-Lieferwagen ist das kein Problem, sagt Gumpert: "Die Pufferbatterie gleicht das aus, wir fahren einfach mit unserer konstanten Geschwindigkeit, funktioniert super."

Gegen 20 Uhr kommt der Ingolstädter nach Graz. Nur noch ein paar Kilometer bis zum eigentlichen Ziel, dem Arnold-Schwarzenegger-Museum im kleinen Örtchen Thal. Als er dort aussteigt, strahlt der 77-Jährige, spätestens jetzt fällt alle Anspannung von ihm ab: "Wir sind 500 Kilometer elektrisch gefahren, mussten nicht einmal laden, es ging völlig problemlos. Und das alles ganz klimaneutral."

Fahrt zu einem Ort der großen Visionen

Das Museum als Ziel für die Testfahrt hat der österreichische Unternehmer Max Sommerer vorgeschlagen. Als er vergangenen Mai den Bericht im BR-Fernsehen über Gumperts Antriebskonzept sah, überließ er diesem kostenlos den gerade erst gekauften elektrischen Firmenwagen. Mit der Bitte, den Transporter mit einem Methanolbrennstoffzellenantrieb auszurüsten.

Wie Gumpert glaubt auch Sommerer daran, dass man mit diesem Konzept den Autoverkehr auf der ganzen Welt am einfachsten elektrifizieren könnte. Weil man beispielsweise nicht die teure Ladeinfrastruktur braucht, sondern das bestehende Tankstellennetz kostengünstig umrüsten könnte. Eine kühne Vision. Genauso wie die Träume des Buben Arnold Schwarzenegger.

Bereits als 15-Jähriger träumte der von einer Karriere als Bodybuilder und Filmschauspieler in Amerika. Mit eiserner Disziplin hat der wohl berühmteste lebende Österreicher bekanntlich seine Träume verwirklicht. Und es sogar bis zum Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien gebracht. In diesem Amt hat sich Schwarzenegger sehr für den Klimaschutz eingesetzt. "Deshalb sind wir hierher gefahren", sagt Sommerer, "an diesen Ort großer Visionen".

Hoffnung auf Schützenhilfe aus Amerika

Sommerer und Gumpert erhoffen sich Schützenhilfe aus Amerika. Doch das geplante Videotelefonat kommt nicht zustande. Schwarzenegger habe zeitraubende Drehbuchbesprechungen für seinen neuen Film Drillinge mit Dany DeVito, Eddie Murphy und ihm in den Hauptrollen, erklärt der Schulfreund und Museumsleiter Peter Urdl. Ein Foto der Delegation aus Ingolstadt mit ihrem einzigartigen Elektroauto schickt Schwarzenegger aber umgehend mit Unterschrift zurück. Darüber steht: "Freunde, kommt gut zurück".

Vergleichsfahrt: Welcher Antrieb besser funktioniert

Für die Rückreise am nächsten Tag steht eine Vergleichsfahrt mit einem baugleichen E-Transporter auf dem Programm. Der ist ebenfalls fast neu, hat noch nicht einmal 10.000 Kilometer auf dem Tacho. Und fährt aber anders als der Prototyp von Ingenieur Gumpert nur mit dem Strom aus dem Akku. Am Steuer sitzt zunächst der Sohn von Max Sommerer.

Der 22-jährige Jakob ist sehr an E-Mobilen interessiert, beim österreichischen Miba-Konzern arbeitet er in der Entwicklung von Elektromotoren. "500 Kilometer bin ich noch nie mit einem E-Transporter gefahren, ich bin gespannt, wie viele Ladestopps wir brauchen werden."

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Zukunftsmusik: Elektrobetriebene Lkws auf der Langstecke

Laden statt Fahren – unerwartete Verzögerungen

Die Antwort auf diese Frage wird alle im Konvoi überraschen. Dass es mehr werden könnten als zunächst gedacht, zeigt schon der Elektroauto-Routenplaner von goingelectric.de. Der empfiehlt für ein Fahrzeug dieser Größenklasse insgesamt fünf Ladestopps auf der 500 Kilometer langen Strecke. Doch schon vor dem Schoberpass ist der Batteriestand beunruhigend abgesunken. Damit der Akku nicht mitten auf der Autobahn schlapp macht und der Transporter in einem der vielen Tunnels liegen bleibt, legt Sommerer einen außerplanmäßigen Stopp ein.

In Kahlwang, einem kleinen Ort nahe der Autobahn, soll es eine Ladestation geben. Doch die entpuppt sich als wenig leistungsstark. Man kann hier nur ganz langsam laden. Um die Batterie wieder auf 80 Prozent zu bringen, würde es vier Stunden dauern. Sommer lädt deshalb nur 31 Minuten, gerade so viel Strom, dass der bis zur nächsten Schnellladesäule an der Autobahn in Trieben reicht. Mit An- und Abfahrt, Nachfragen beim Tankstellenpächter dauert dieser erste, sehr unergiebige Ladestopp schon fast eine Stunde.

In Trieben kann man zwar wesentlich schneller Strom tanken. Aber zunächst sind beide Plätze an der Schnellladesäule von anderen Fahrzeugen belegt. Erstmal muss Sommerer warten, etwa 20 Minuten. Dann funktioniert seine Ladekarte nicht. Weder beim ersten, noch beim zweiten Versuch, sich einzuloggen. Also rein in die Tankstelle. Die hat eine Leihkarte gegen Ausweis. Das alles dauert. Bis der E-Lieferwagen seine Batterie wieder zu 80 Prozent voll hat, ist fast eine Stunde vergangen.

Immer neue Probleme beim Strom-Tanken

Auch die nächsten Ladestopps in Klaus, Regau und Salzburg laufen ähnlich. Fast jedes Mal dauern die An- und Abfahrt, das Warten auf eine freie Ladesäule oder die Probleme beim Bezahlen per Karte in etwa so lange wie das Laden selbst. Und so zieht sich die Rückfahrt unerwartet in die Länge. Kurz nach 19 Uhr, also nach neun Stunden hat der Testkonvoi erst 340 Kilometer geschafft.

In Bernau am Chiemsee liegt neben einem Schnellrestaurant eine große Stromtankstelle. Die fünf oder sechs Plätze von Tesla sind bis auf einen alle belegt, der E-Transporter findet Platz an einer der vier anderen Säulen, die den anderen Automarken offen stehen. Inzwischen hat Vater Sommerer seinen Sohn am Steuer des E-Lieferwagens abgelöst. Aber weder seine österreichische Ladekarte noch seine drei Kreditkarten lassen den Strom fließen.

Ein freundlicher E-Autofahrer aus Bad Reichenhall hilft schließlich, die App des deutschen Energieversorgers EnBW herunterzuladen. Doch auch das dauert. Wieder vergeht fast eine Stunde, bis der Akku 80 Prozent geladen hat.

Ingenieur Gumpert ist fassungslos

Roland Gumpert, der bislang seinen Wagen mit Methanolbrennstoffzelle kein einziges Mal tanken musste, beobachtet die Probleme des E-Transporters fassungslos. "Das ist doch eine einzige Katastrophe. Wie soll das funktionieren, wenn dutzende von Lkws an einem Parkplatz oder einer Tankstelle gleichzeitig laden wollen."

Bis Ingolstadt sind es von hier aus noch 160 Kilometer. Das heißt: der E-Transporter wird noch zweimal laden müssen, denn der Tag hat gezeigt: die angebliche Reichweite von 130 Kilometer schafft er bei weitem nicht. Zudem kann man die Batterie nicht bis zum letzten Kilometer ausreizen. Zu groß ist die Gefahr, die eingeplante Ladestation nicht zu erreichen und dann mit leeren Akku liegen zu bleiben.

E-Transporter braucht für 500 Kilometer 14 Stunden

Gumpert und Sommer beschließen deshalb, die gemeinsame Fahrt abzubrechen. Der Ingolstädter fährt von Bernau alleine nach Hause, in einem Rutsch, braucht für die 160 Kilometer knapp zwei Stunden. Sommerer dreht um und fährt nach Gmunden im Salzkammergut. Der Zufall will es, dass er am Endes des Tages mit 503 Kilometern zwei mehr am Tacho hat als Gumpert.

Bis es soweit ist, muss er aber noch einmal in Salzburg und am Mondsee nachladen. Insgesamt kommt er so auf acht Ladestopps. Und braucht wegen der damit verbundenen vielfältigen Verzögerungen für die Strecke von 500 Kilometern 14 Stunden. Also doppelt so lange wie Gumpert, der die gleiche Distanz am Tag zuvor ohne Tankstopp in knapp sieben Stunden zurückgelegt hat.

E-Laster im Fernverkehr untauglich

Fazit: Serienreif ist der Transporter mit Methanolbrennstoffzelle von Roland Gumpert noch nicht. Aber die Testfahrt des Prototypen hat bewiesen: Er funktioniert. Und: Die Reichweite ohne Tankstopp ist bei einem damit ausgerüsteten E-Transporter um ein vielfaches höher als die beim rein batterieelektrischen Antrieb. Letzterer scheint zumindest mit dem aktuellen Stand der Technik für Lieferwagen und wahrscheinlich auch für schwere Lastwagen im Langstreckenbereich weder alltagstauglich noch wirtschaftlich.

Denn entweder brauchen die Fahrzeuge riesige, entsprechend schwere Akkus, die ihre Nutzlast viel zu sehr einschränken. Oder aber sie müssen so oft aufgeladen werden, dass sich die Durchschnittsgeschwindigkeit extrem reduziert. Beides macht sie aus heutiger Sicht extrem unwirtschaftlich. Fahrzeuge mit Methanolbrennstoffzelle scheinen dagegen eine realistische Option, um den Transportverkehr auf der Langstrecke genauso effizient und kostengünstig abwickeln zu können wie es heute mit Dieselfahrzeugen der Fall ist.

Lieferwagen mit E-Antrieb
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Lieferwagen mit E-Antrieb

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