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Tag der Suchtberatung: Am 9. November soll auf die wichtige Arbeit hingewiesen werden, die 1.400 Suchtberatungsstellen in Deutschland leisten.

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Drogenkonsum in Nürnberg steigt – Suchtberatung am Limit

Drogen, Alkohol, Glücksspiel: Jeder kann süchtig werden. Auf die wichtige Arbeit der Suchtberatungsstellen weist der "Aktionstag Suchtberatung" hin. Der Verein Lilith in Nürnberg kümmert sich um Frauen und Kinder – und sieht steigenden Bedarf.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

In Deutschland suchen laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) aktuell jährlich rund eine halbe Million Betroffene und deren Angehörige Hilfe in einer der rund 1.400 Suchtberatungsstellen, Tendenz steigend. Das merkt auch der Verein Lilith, eine Suchtberatungsstelle in Nürnberg, die speziell Frauen und Kindern Hilfe anbietet. Die Geschäftsführerin des Vereins, Daniela Dahm, stellt angesichts des bundesweiten Aktionstags Suchtberatung am Donnerstag fest, dass auch in Nürnberg der Drogenkonsum steigt - besonders bei Mädchen und jungen Frauen.

Einstiegsalter für Drogenkonsum sinkt immer mehr

Das Einstiegsalter für den Konsum von Drogen sinke auf zwölf Jahre und jünger, so Dahm. Allerdings hätten die Suchthilfeeinrichtungen in Nürnberg nur wenig Kapazitäten, um Jugendliche, die Drogen konsumieren, beraten zu können. Dabei nähmen die Nachfragen zu: von besorgten Eltern, jungen Frauen, Jugendhilfeeinrichtungen und Schulen, die keine adäquate Anlaufstelle in Nürnberg finden könnten. Auch der Verein Lilith müsse diese Menschen derzeit abweisen oder Wartelisten anlegen, was dramatisch sei.

Spezielles Angebote für Kinder aus Familien mit Suchterfahrung

Bisher sind die Angebote von Lilith nur für Kinder bis zwölf Jahre und für erwachsene Frauen ab 18 Jahren konzipiert und finanziert. Gerade Kinder, deren Eltern Drogen konsumieren, seien vielen Risiken ausgesetzt, so Daniela Dahm. Das könne sich auf vielerlei Arten manifestieren: "Unterhalb der Armutsgrenze zu leben, Gewalt zu erfahren, eine psychische oder physische Erkrankung zu haben, eine Behinderung zu haben, wenn in der Schwangerschaft Drogen- oder Alkoholkonsum stattgefunden hat", sagt Dahm. Für diese Kinder brauche es ganz besondere Konzepte und Angebote, die Lilith bietet.

Angebote für suchtgefährdete Jugendliche dringend notwendig

Für junge Menschen ab zwölf oder 13 Jahren brauche man wiederum etwas anderes. Und genau in diesem Bereich will Lilith dringend die Beratung ausbauen. "Das hat damit zu tun, dass wir uns vor Anfragen schier nicht mehr retten können", erklärt sie. Gerade in den vergangenen ein, zwei Jahren hätten diese deutlich zugenommen. "Der Bedarf ist enorm", stellt die Expertin fest. Allerdings brauche es dazu eine ausreichende Finanzierung.

Mehr als 700 Frauen und über 200 Kinder werden betreut

Bei Lilith sind mehr als 30 hauptamtliche Fachkräfte und 40 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen sowie sechs Frauen aus der Zielgruppe im Einsatz. Im Jahr 2023 betreuen und beraten sie mehr als 700 Frauen, darunter mindestens 30 Schwangere und mehr als 200 Kinder. An Spitzentagen kommen mehr als 40 Besucherinnen pro Nachmittag ins Café der Einrichtung.

Daniela Dahm befürchtet, dass die Gewalt an Frauen eher zu- als abnimmt. "Gewalt ist ein ganz großes Thema, wenn man sich anschaut: Welche Ursachen sind dafür verantwortlich, dass Frauen zu Drogen greifen oder gar drogenabhängig werden", sagt sie. Weitere Gründe für den Drogenkonsum seien Traumatisierungen – und die "Doppelbelastungen in Familie und Beruf sind ein ganz, ganz großes Thema".

Nürnberger Drogenhilfe-Modell

Um besser auf die Anforderungen des wachsenden Drogenkonsums in Nürnberg reagieren zu können, hat sich vor zwei Jahren das Nürnberger Drogenhilfe-Modell gegründet: Die Drogenhilfen Mudra und Lilith sowie das Klinikum Nürnberg mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam die Situation von Drogenkonsumenten und -konsumentinnen und deren Angehörigen in der Region zu analysieren. Es sollen Daten erhoben, Bedarfe und Konzepte entwickelt werden, um auf deren Basis Modellprojekte zu erarbeiten. Die Koordination hat die Suchtbeauftragte der Stadt Nürnberg übernommen.

Gemeinsam seien sie im Bayerischen Staatsministerium gewesen, um die Situation in Nürnberg zu schildern, weil die Stadt ein Hotspot sei und unbedingt neue Angebote geschaffen werden müssten. "Und wir sind dabei auf einem sehr, sehr guten Weg", meint Daniela Dohm.

Mehr jugendliche Drogenkonsumenten in ganz Bayern

Dass in Bayern der Drogenkonsum von Jugendlichen zunimmt, stellt auch die Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe (KBS) fest: Immer mehr Jugendliche suchen die Beratungsstellen auf und immer mehr besorgte Eltern melden sich. In Bayern gebe es allerdings nur für Erwachsene ein flächendeckendes Sucht-Beratungsnetz. Zwar gebe es an 22 Standorten über ganz Bayern verteilt Suchtberatungen für Jugendliche, so die KBS, allerdings oft mit sehr niedrigem Stundenkontingent. Meist sind sie organisatorisch und konzeptionell mit den von den Bezirken geförderten Suchtberatungsstellen für Erwachsene verzahnt. Die Suchtverbände fordern, überall in Bayern Jugendsuchtberatungsstellen an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Suchthilfe zu schaffen oder auszubauen. Doch auch hier stellt sich die Frage nach der Finanzierung.

Gesicherte Finanzierung und einheitliche Regeln gefordert

Die chronische Unterfinanzierung treibt die Beratenden immer wieder um. Eine Problematik, die sich "aufgrund der schwierigen finanziellen Situation vieler Kommunen sowie aufgrund der steigenden Preise bei den Personalkosten, den Mieten und der Energie" weiter zuspitze, heißt es von der DHS. "Suchtprobleme machen vor keinem Ort und keinem Landkreis Halt. Suchtberatungsstellen bieten niederschwellig Hilfe und Beratung für Betroffene und Angehörige. Hier darf kein Rotstift angesetzt werden", erklärt Christina Rummel, Geschäftsführerin der DHS.

Deshalb hat die DHS auch ein Eckpunktepapier entwickelt, das eine Debatte zu den gesetzgeberischen Rahmenbedingungen anstoßen will. Ziel sei es, eine nachhaltige und auskömmliche Finanzierung von Suchtberatungsstellen zu erreichen und bundesweit einheitliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Angeboten der Suchtberatung zu schaffen. Denn - darüber sind sich alle Experten einig - die Suchtproblematik in der deutschen Gesellschaft wird eher wachsen als wieder abnehmen.

Aktionstag Suchtberatung am 9. November

Drogen, Alkohol, Medikamente, Zigaretten, Glücksspiel – Suchtberatungsstellen helfen den unterschiedlichsten Betroffenen. Um auf ihre wichtige Arbeit und ihren gesellschaftlichen Stellenwert hinzuweisen, wurde der bundesweite Aktionstag Suchtberatung eingeführt. In diesem Jahr findet er unter dem Motto "Wieso? Weshalb? Darum!" zum vierten Mal statt. Organisiert wird er von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) mit Sitz in Hamm und ihren Mitgliedsverbänden.

Mit Material der epd.

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