Das Kunstprojekt "Wunderkugel" in Bamberg. Künstler: Ingo Siegismund
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Die Bamberger Wunderkugel im Stadtteil Wunderburg

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Die Bamberger "Wunderkugel": Kunst aus Erinnerungsstücken

"Ist das Kunst oder kann das weg?" Diese Frage stellt sich kaum einer in der Bamberger Wunderburg. Die Bürger dort sind extrem stolz auf die "Wunderkugel", ein Kunstprojekt von Ingo Siegismund. Die Einzelteile stecken voller Geschichten.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Man nehme einen eisernen Handschuh vom Metzger Alt, eine Ringänderungsmaschine vom Goldschmied Kastner, eine Mistgabel vom Gärtner Eichfelder oder auch einen Kartenständer aus der Wunderburg-Schule. Dann wird alles durch Erinnerungen verbunden und es entsteht ein Kunstwerk für die Bürger. In einem Bamberger Stadtteil ist solch ein einzigartiges Objekt unter den Händen des Künstlers Ingo Siegismund entstanden.

800 Kilogramm schwere Kugel mit zwei Meter Durchmesser

Jonny Hübner wollte dem Bamberger Stadtteil Wunderburg eine moderne Skulptur schenken, denn hier ist der Kunstmäzen aufgewachsen. Standesgemäß beim Bier im "Keesmann" dachte Hübner gemeinsam mit dem Künstler Ingo Siegismund darüber nach, was es sein könnte. Entstanden ist letztendlich eine 800 Kilogramm schwere Kugel mit zwei Meter Durchmesser. Vor allem war es Hübner wichtig, dass ein einheimischer Künstler das Objekt schaffen sollte. Siegismund war die optimale Wahl, denn er ist in der Wunderburg aufgewachsen. Die Stadt und auch der ansässige Bürgerverein stimmten dem Plan zu. Über drei Jahre vergingen, bis im Juli das Kunstobjekt "Wunderkugel" im Ulanenpark-Viertel eingeweiht werden konnte.

Ein großes Puzzle wird zusammengesetzt

Siegismund begann damit, aus Eisenstäben die Kugel zu formen. Doch er fand nicht die richtigen Teile, um sie zu füllen. Dann starteten er und Jonny Hübner einen Aufruf an die Bürger - sie suchten Erinnerungsstücke beziehungsweise Bauteile für das Werk. Jetzt kam das Projekt richtig ins Laufen. Es wurden die Schlüsselsammlung vom Großvater abgegeben, jede Menge Werkzeug und auch Zinndeckel von Bierkrügen vom Mahrs Bräu. Die Lebenshilfe Bamberg steuerte Flachmaterial zur Befestigung und rote Schrauber bei. Damit wurden in der Werkstatt vor 20 Jahren zum Beispiel T-Schienen verschraubt. "Wir haben uns natürlich bereiterklärt, Sachen zu spenden, denn das Projekt ist klasse", erklärt Stefan König von der Lebenshilfe. "Es gibt viele Rentner, die immer noch Kontakt zur Lebenshilfe haben und wenn die da jetzt vorbeilaufen am Kunstwerk und die Schrauben sehen, ist das eine tolle Erinnerung, denn damit haben sie einmal gearbeitet."

Bildrechte: Jonny Hübner/Wunderkugel.art
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Beginn der Arbeit an der Wunderkugel von Künstler Ingo Siegismund

Ein Kunstwerk, das Geschichten erzählt

Auch Gerald Kastners Trauringänderungsmaschine wurde verbaut. Bis vor Kurzem stand sie bei ihm in der Goldschmiedewerkstatt in der Wunderburg. Unzählige Eheringe wurden damit um eine Nummer größer oder kleiner gemacht. Jetzt ist sie Teil eines Kunstwerks. "Als ich die Sachen bei den Leuten abgeholt habe, da haben die mir Geschichten vom Opa oder vom Nachbarn oder auch vom Krieg erzählt", so Künstler Siegismund. "Da könnte man ein Buch drüber schreiben. Die Geschichten haben mich auch beim Arbeiten bewegt."

Das Eckige muss ins Runde

Irgendwann wurden die Eisenstäbe der Rohversion durch Kutschenreifen ersetzt. Nach und nach bearbeitete Siegismund die einzelnen Felder, die dadurch entstanden. Er suchte sich passende Stücke und schweißte sie ein. Er experimentierte mit den einzelnen Materialien, um sie zu verankern. Der Künstler, der die Kugel in seinem Scheßlitzer Außenatelier erarbeitete, hatte die schwere Aufgabe, Teile zu sortieren und sie sinnvoll und exakt in eine Kugel zu verwandeln. Viele Dinge mussten auf das Wesentliche reduziert, andere so verarbeitet werden, dass sie den Sicherheitsvorschriften entsprechen. So wurde Glas entfernt, spitze oder empfindliche Gegenstände in die nicht erreichbare Mitte eingesetzt. Die Mehrzahl der Stücke im Außenbereich musste der Künstler brechen und wieder zusammenschweißen. "Sie mussten ja gewölbt werden, um daraus eine Kugel entstehen zu lassen", erzählt Siegismund.

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Die fertige Wunderkugel in der Bamberger Wunderburg

Internetseite klärt über Einzelteile auf

Ein einzigartiges, geschichtsträchtiges Wimmelbild entstand mit der Wunderkugel in der Wunderburg. Und wer sich fragt, was nun alles für Teile und vor allem, wessen Erinnerungsstücke in dem Objekt verbaut wurden, gibt es die passende Internetseite: Unter www.wunderkugel.art kann ein 3D-Bild der Kugel mit grünen und roten Punkten aufgerufen werden. Beim Anklicken der roten Punkte stößt man auf Fotos von verbauten Teilen und vom Spender. Bei den grünen erzählen die Spender die Geschichten, die hinter den Dingen stecken. Auch das macht das Projekt so einzigartig.

Ein Geschenk für die Ewigkeit

Kunstmäzen Jonny Hübner, der noch heute in der Wunderburg lebt, hat beides finanziert: die Kugel und die Internetseite. Die geschenkte Kunst musste vom Gremium für Kunst im Öffentlichen Raum abgesegnet werden: 20 Experten vom Bauleiter bis zur Museumsdirektorin, die auch kritische Fragen zum Objekt stellten, hatten das Schicksal der Wunderkugel in der Hand. Letztendlich wurde das Werk genehmigt und geschaffen. Nun steht es im Wunderburger Ulanenpark. Es soll sogar in den Skulpturenweg der Stadt Bamberg aufgenommen werden.

Und weil noch nicht wirklich viel Kritik zur Wunderkugel laut wurde, hat der Künstler den Haken am oberen Teil einfach am Objekt belassen und verschweißt. Jetzt, so meint er, habe auch sein Kunstwerk einen entscheidenden Haken.

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