Mädchen in Afghanistan, fotografiert von Jamal Farani bei einem Besuch in seiner Heimat.
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Diese Mädchen aus Afghanistan sind mittlerweile zu jungen Frauen geworden. Was wird jetzt aus ihnen?

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"Das Leben für Frauen in Afghanistan ist vorbei"

Jamal Farani lebt seit 1985 in Fürstenfeldbruck. Seine Heimat Afghanistan hat er aber nie vergessen, denn seit Jahrzehnten engagiert er sich dort für Frauen und Kinder. Seit dem Einmarsch der Taliban ist unklar, ob seine Hilfsprojekte weitergehen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Jamal Farani ist 1981 nach Deutschland geflüchtet, knapp zwei Jahre nach dem Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan. Mitte der 1980er-Jahre kam er dann nach Fürstenfeldbruck – und dort lebt er bis heute. Der 62-jährige Elektriker hat in der oberbayerischen Stadt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern eine zweite Heimat gefunden.

Bilder von der Schönheit Afghanistans - trotz allem

Sein Heimatland hat er aber dennoch nie vergessen. Von Bayern aus engagiert sich Farani schon seit Jahrzehnten für die Menschen in Afghanistan. Als er 2007 das erste Mal wieder dort war, hat er auch viele Bilder mit nach Deutschland gebracht: Fotos von glasklaren, blauen Seen und von weiten Landschaften. Bilder, die die majestätischen, schneebedeckten Gipfel des Hindukusch zeigen oder Mandelblüten im Frühling in idyllischen Bergdörfern. Oft aber hat er die Kinder in Afghanistan fotografiert – lachende Mädchen und Jungen in farbenfrohen Kleidern.

Farani will damit den Menschen hier in Deutschland zeigen, wie schön sein Heimatland ist – trotz allem. Und obwohl er damals, als junger Student, in Kabul sogar ein paar Mal im Gefängnis war, beispielsweise weil er sich an einer Demonstration an der Uni beteiligte.

Irgendwann hat Jamal Farani damit angefangen, immer mehr Bilder aus Afghanistan mit nach Deutschland zu bringen. Die Fotos wurden immer besser, seine Kamera auch. Denn er hatte eine Idee: Mit jährlichen Fotokalendern Hilfsprojekte finanzieren.

"Neben den Spenden, die ich sammle, lasse ich von meinen Bildern Kalender drucken und verkaufe sie für 15 Euro. Zehn Euro davon gehen dann direkt nach Afghanistan", erzählt Farani über sein Kalender-Projekt.

Engagement für afghanische Geflüchtete und Vorträge

Seit der sogenannten "Flüchtlingskrise" kümmert sich der Fürstenfeldbrucker auch um seine Landsleute in Deutschland. Vor allem hilft er den afghanischen Geflüchteten, sich hier besser zurechtzufinden. Schließlich kam er ja selbst Anfang der 1980er-Jahre als Flüchtling nach Deutschland.

Und dann hält er auch noch Vorträge über sein Heimatland Afghanistan, mittlerweile in vielen Orten in ganz Bayern. Er berichtet über das Leben und die Menschen, zeigt seine Bilder, sammelt Spenden. Und seine Frau, die vor ein paar Jahren ein afghanisches Kochbuch geschrieben hat, versorgt währenddessen die Teilnehmer mit einem selbstgemachten, landestypischen Imbiss.

Jamal Farani in seinem Heimatland Afghanistan.
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Jamal Farani in seinem Heimatland Afghanistan.

"Stoff statt Plastik": Afghanische Frauen nähen Stofftaschen

Vor ein paar Jahren haben die Faranis im afghanischen Fernsehen zufällig eine Dokumentation über Plastiktüten gesehen und dabei ist die Idee für ein weiteres Hilfsprojekt entstanden: "Stoff statt Plastik". Ein Freund der Familie hatte ein altes Haus in Kabul. Von Bayern aus finanzierten die Faranis Nähmaschinen aus Spendengeldern und stellten dann vor Ort Frauen als Näherinnen für Stofftaschen ein.

Damit sollte nicht nur der Verbrauch an Plastiktüten in Afghanistan reduziert werden. Frauen aus ärmeren Verhältnissen erhielten so auch die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben und ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Hilfsprojekt gestoppt: Frauen haben Angst

Mittlerweile hat Jamal Farani selbst ein Haus in Kabul gemietet, wo ein anderer Freund – ein bekannter afghanischer Moderator – sich um das Hilfsprojekt kümmert. Durch dieses Engagement und Berichte darüber im afghanischen Fernsehen wurde das Projekt auch außerhalb Kabuls bekannt, erzählt Farani.

Die Frauen nähten zuletzt aber nicht nur Stofftaschen, sondern auch Corona-Masken. Doch seit der Machtübernahme der Taliban sind die Hilfsprojekte gestoppt. Die Frauen, so Farani, haben zu große Angst, ihre Häuser zu verlassen. "Wir schauen, wie es weiter geht. Ob die Taliban es ihnen erlauben, das Haus alleine zu verlassen."

"Das Leben für die Frauen in Afghanistan ist vorbei"

"Ich bin sehr traurig, enttäuscht, wütend", so beschreibt Farani seine Gefühle, wenn er derzeit die Bilder aus Afghanistan sieht. Er hat noch immer viele Freunde dort, die ihm täglich am Telefon berichten, was sie seit dem Einmarsch der Taliban so alles erleben müssen. "Heute habe ich beispielsweise ein Bild geschickt bekommen, wo zwei Journalisten von den Taliban ausgepeitscht wurden", berichtet der Fürstenfeldbrucker. "Die sagen zwar, jeder Mensch kann seiner Arbeit nachgehen, aber das stimmt überhaupt nicht!"

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Besonders fatal sei aber die Situation für Mädchen und Frauen, so Farani: "Die sagen, die Frauen dürfen in die Arbeit und in die Schule gehen. Frauen trauen sich aber nicht mehr raus, weil sie Angst haben, zwangsverheiratet zu werden."

"Ich fürchte, das Leben für die Frauen in Afghanistan ist vorbei. Sie leben nicht mehr, sie atmen nur noch." Jamal Farani, Afghane in Bayern

Jamal Farani berichtet, dass Frauen in Afghanistan schon jetzt keinen Sport mehr treiben und nicht mehr alleine einkaufen dürften. Das Haus verließen die meisten Frauen nur noch in Begleitung eines männlichen Verwandten, wenn überhaupt.

"Ich fühle mich sehr machtlos"

Der 62-Jährige ist nicht nur wütend auf die Taliban, sondern auch enttäuscht über die Politik der westlichen Länder. Sie hätten sein Heimatland einfach fallen gelassen, sagt er. Aber auch der Präsident trage Schuld daran, dass die Situation so gekommen ist: "Der letzte Präsident hat es nicht geschafft, Ruhe in das Land zu bringen."

Jamal Farani selbst ist in Sicherheit, auch seine gesamte Familie. Einer seiner Brüder leitete den überregionalen afghanischen Fernsehsender "Tolo TV" und war, als die Taliban kamen, gerade auf Urlaub in Deutschland. Hier wird er vorerst auch bleiben.

Farani macht sich große Sorgen um seine Freunde in Afghanistan. Der Fürstenfeldbrucker, der sich jahrzehntelang engagiert hat, um den Menschen in seinem Heimatland zu helfen, kann jetzt auf einmal nichts mehr tun. "Ich fühle mich zur Zeit sehr sehr machtlos, ich weiß nicht mehr, was ich machen soll und wohin ich mich wenden muss."

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