Labor-Mitarbeiter verarbeitet Corona-Proben (Symbolbild)
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Corona: Bayern weist Inzidenz nach Impfstatus nicht mehr aus

Nach der Aufregung um wohl verzerrte Inzidenzwerte bei Geimpften und Ungeimpften verzichtet das Landesamt für Gesundheit vorerst auf die getrennt ausgewiesenen Zahlen für Bayern. Die Landtags-FDP fordert derweil weiter Aufklärung.

Nach dem Wirbel um die Corona-Inzidenz bei Geimpften und Ungeimpften in Bayern verzichtet das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vorerst darauf, die Werte wöchentlich auszuweisen. Bisher hat das LGL die getrennt ausgewiesenen Inzidenzwerte für den Freistaat immer donnerstags veröffentlicht, diesen Donnerstag kam es nicht dazu.

Seit Freitagmorgen steht auf der LGL-Webseite: "Angesichts der sehr hohen Fallzahlen und der daraus folgenden hohen Arbeitsbelastung der Gesundheitsämter ist eine aussagekräftige Aktualisierung bezüglich des Impfstatus derzeit nicht möglich." Die Werte würden derzeit nicht aktualisiert, da ein "länderübergreifender fachlicher Austausch" stattfinde. Dessen Ergebnisse könnten dann weiter berücksichtigt werden.

LGL: Vorgehensweise kommuniziert - aber jetzt in der Kritik

In den vergangenen Tagen gab es viel Kritik an der Inzidenz-Berechnung durch das LGL. Grund: Die Behörde rechnete, wie einige andere Bundesländer, pauschal alle positiven Corona-Fälle mit unbekanntem Impfstatus zur Gruppe der Ungeimpften. Zwar wurde diese Vorgehensweise seit Monaten vom LGL kommuniziert und fand sich – wenngleich nicht allzu prominent – auf der Webseite der Behörde. Auch BR24 berichtete schon im Herbst über die Schwachstellen der Daten, unter anderem auch über den möglichen Effekt dieser Berechnungsmethode. Erst nach einem "Welt"-Artikel vor rund einer Woche gab es aber teils massive Kritik.

Aus dem Bericht ging hervor, dass der Anteil der Fälle mit unbekanntem Impfstatus zuletzt deutlich gestiegen ist. Demnach war etwa bei der Berechnung für den 24. November von gut 72.000 Personen, die als ungeimpft behandelt wurden, bei mehr als 57.000 der Impfstatus zunächst unbekannt. Noch zwei Monate vorher trat das Problem nicht so stark auf: Laut LGL waren im September bei rund 60 Prozent der Fälle der Impfstatus bekannt, durch Nachmeldungen waren es sogar später 80 bis 90 Prozent. Die Behörde weist immer wieder darauf hin, dass erfahrungsgemäß die "weit überwiegende Anzahl" der Fälle mit zunächst unbekanntem Impfstatus tatsächlich ungeimpft war.

Landtags-FDP sieht Skandal und fordert Aufklärung

Die Landtags-FDP sprach nach dem "Welt"-Bericht von einem Skandal, stellte angesichts der verzerrten Zahlen Anfang der Woche unter anderem die inzwischen geltende 2G-Regel in weiten Teilen des Einzelhandels infrage – und forderte auch personelle Konsequenzen. FDP-Fraktionschef Martin Hagen erklärte: Man müsse grundsätzlich die Annahme hinterfragen, wonach ein ungetesteter Geimpfter sicherer sei als ein getesteter Ungeimpfter. Hagen betonte aber auch: Impfen sei richtig und sinnvoll, weil es erwiesenermaßen deutlich besser vor schweren Verläufen schützt als keine Impfung.

Klar ist inzwischen: Die FDP gibt sich mit den bisherigen Auskünften von bayerischem Gesundheitsministerium und LGL nicht zufrieden. Insgesamt sieben parlamentarische Anfragen zu dem Thema seien größtenteils völlig unzureichend beantwortet worden, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Matthias Fischbach dem BR. Man werde daher Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) bitten, mehrere der Antworten zu monieren. Fischbach erklärte auch: Durch das "systematische Kleinrechnen der Geimpften-Inzidenz" habe man ein "wichtiges Warnsignal deaktiviert und in Bayern die deshalb so wichtigen Booster-Impfungen viel zu spät und zaghaft vorangetrieben".

Teils dünne Antworten des Ministeriums

Dem BR liegen die Antworten des Gesundheitsministeriums vor. Tatsächlich gibt es darin keine Antwort auf die Frage, wer in der Staatsregierung zu welchem Zeitpunkt über das Ausmaß der Fälle mit unbekanntem Impfstatus informiert gewesen sei. Auch die Frage, wie hoch der Anteil der Fälle mit unbekanntem Impfstatus wöchentlich zuletzt jeweils war, wird vom Gesundheitsministerium nicht mit konkreten Zahlen beantwortet. Inwiefern die Inzidenz für Geimpfte und Ungeimpfte Grundlage für politische Entscheidungen war, bleibt ebenfalls offen. Die Zahlen hätten "allgemeine Verwendung" gefunden, teilt das Gesundheitsministerium lediglich mit.

Eine Neuigkeit geht aus den Antworten auf die FDP-Anfragen allerdings hervor: Über 50 Prozent lag der Anteil der Fälle mit zunächst unklarem Impfstatus erstmals in Kalenderwoche 45 (also ab 8. November) – konkret betrug der Anteil damals 55,2 Prozent. Allerspätestens als mehr als die Hälfte der Fälle unbekannt war, sagen viele Kritiker, hätte man die Zahlen nicht mehr verwenden dürfen. Tatsächlich sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) aber noch vergangenen Freitag: "Die Inzidenz bei Ungeimpften liegt in Bayern bei 1.600, bei Geimpften knapp über 100."

Dienstag: Schlagabtausch im Landtag

Bereits am Dienstag sorgte das Thema für einen hitzigen Schlagabtausch im Landtag. FDP-Fraktionschef Hagen blieb bei seiner Position: Das selbst ernannte Team Vorsicht habe den Geimpften mit den verzerrten Inzidenzen eine trügerische Sicherheit vermittelt, kritisierte er mit Blick auf die Staatsregierung.

Redner von CSU, Freien Wählern und Grünen warfen den Liberalen allerdings in der Debatte vor, die Bürger zu verunsichern und der AfD, Querdenkern, Impfskeptikern und Verschwörungstheoretikern in die Hände zu spielen. Es sei klar, dass die Corona-Inzidenz bei Ungeimpften um ein Vielfaches höher liege als bei Geimpften, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume. Die SPD-Fraktion schloss sich der Forderung nach Aufklärung dagegen an, die AfD-Fraktion kritisierte die Zahlen sowie die gesamte Corona-Politik.

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