Der Chanukkaleuchter mit Kerzen.
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Chanukka

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Chanukka: Vorbereitungen zum jüdischen Lichterfest in Würzburg

Am Sonntag beginnt das jüdische Lichterfest Chanukka. Wie viele andere Juden in bayerischen Städten, feiert auch die Israelitische Gemeinde in Würzburg das Entzünden der ersten Kerze mit einem großen Fest. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Über dieses Thema berichtet: Schalom - Jüdischer Glaube, jüdisches Leben am .

Völlig außer Atem eilt Alexander Shif über die Gänge des jüdischen Kultur- und Gemeindezentrums Shalom Europa in Würzburg. Der Jugendleiter der Jüdischen Gemeinde ist gerade das "Mädchen für alles", wie er selbst sagt. Zusammen mit seinen Kolleginnen von der Sonntagsschule und der Jüdischen Kunstakademie gestaltet er das Programm für die Feier zu Chanukka am Sonntag, wenn die erste Kerze an der Chanukkia, dem achtarmigen Kerzenleuchter, entzündet wird. Und er muss die Technik dafür im Großen Saal vorbereiten. Da kommt er ein bisschen ins Schwitzen. "Ja, das ist sehr stressig. Chanukka ist nicht die größte jüdische Feier, aber das ist meistens eine geliebte Feier mit viel Musik, viel Freude. Und deswegen gibt es viele Veranstaltungen und sehr viele Vorbereitungen", lächelt Alexander Shif und muss schon wieder weiter.

Chanukka-Unterricht in der Sonntagsschule

Er schaut kurz in der Sonntagsschule "Shalom Jeladim" vorbei. Die Kinder sind damit beschäftigt kleine Chanukkiót, also Kerzenleuchter für das Lichterfest, zu basteln. Gerade einmal fünf Kinder sind heute da, die Woche zuvor musste die Sonntagsschule sogar ganz ausfallen, weil alle Kinder krank waren. Dabei sollen sich die Drei- bis Achtjährigen auf ihren Auftritt bei der großen Feier vorbereiten. Dazu singen sie Chanukka-Lieder auf Jiddisch und üben einen kleinen Tanz ein. Und natürlich lernen sie alles über das große Wunder und die Botschaft von Chanukka von ihrer Lehrerin Marina Zisman, die die Sonntagsschule seit über 20 Jahren leitet. Ganz spielerisch, mit einem typischen Chanukka-Spiel: Dreidel heißt es.

Spielerisch lernen mit dem Dreidel

Auf dem Dreidel oder Sewiwon, so heißt der kleine Kreisel auf Hebräisch, der für das Spiel benutzt wird, stehen die vier Anfangsbuchstaben des Satzes "Ness gadol haja scham". Das bedeutet so viel wie "Ein großes Wunder geschah dort". "Wir erzählen die Geschichte von Chanukka, die Geschichte von diesem kleinen Wunder, das zu einem großen Wunder geworden ist", erklärt Marina Zisman. Meistens verstünden die Kinder ganz gut, was bei dem kleinen Wunder passiert ist. "Dass die Kerzen mit dem kleinen Ölkrug eine große Beleuchtung machen können. Das ist ganz wichtig, dass die Kinder verstehen, dass eine kleine gute Tat Großes bewirken kann", ergänzt die Lehrerin.

Der Ursprung des jüdischen Lichterfestes Chanukka

Das Lichterfest beginnt stets am 25. Kislew, der dieses Jahr auf den 18. Dezember fällt. Nach christlicher Zeitrechnung verändert sich der Zeitpunkt von Chanukka jedes Jahr. Chanukka geht zurück auf die Rückeroberung Jerusalems durch eine kleine Gruppe tapferer Juden im zweiten Jahrhundert vor Christus, den sogenannten Makkabäern. Unter Führung von Judas Makkabäus befreiten sie die Stadt aus der mächtigen hellenistischen Herrschaft und errichteten einen unabhängigen jüdischen Staat. Das ist das Wunder Nummer eins, in dem Chanukka seinen Ursprung hat. Den entweihten Tempel reinigten sie und stellten ihn wieder her. Am 25. Kislew 3595 (das entspricht dem Jahr 165 v. Chr.) wurde der Tempel feierlich neu eingeweiht. Dieses Ereignis feiern die Juden mit Chanukka. "Chanukkat habajit" bedeutet die "Einweihung des Tempels".

Wunder Nummer zwei: Die Legende vom Lampenöl

Das Wunder Nummer zwei geschah beim Aufräumen des Tempels. Dort fanden die Juden ein kleines Fläschchen mit kosherem Lampenöl, um das Licht im Tempel zu entzünden. Das kleine Fläschchen Öl reichte an sich nur für eine Nacht, aber am Ende brannte es acht Tage lang – ein Wunder geschah! Deshalb wird Chanukka acht Tage lang gefeiert. Mit Advent und dem christlichen Weihnachtsfest hat das jüdische Lichterfest also rein gar nichts zu tun.

Chanukka-Quiz für Jugendliche

Ein paar Räume weiter veranstalten Jugendliche aus ganz Bayern ein Quiz zu Chanukka. Wer eine Frage richtig beantwortet, gewinnt je nach Schwierigkeitsgrad eine bestimmte Anzahl Schekel. Bei Quizleiterin Nicole Fahrmeir ist die Vorfreude auf das Lichterfest groß. Die 19-jährige Augsburgerin studiert in Würzburg und kommt regelmäßig zu den Treffen des Jüdischen Studentenverbands im Shalom Europa. Ihr ist vor allem die positive Botschaft von Chanukka wichtig, das Licht nach außen in die Welt zu tragen. "Dass man zeigt, dass das Positive immer über dem Negativen steht, dass man immer mit Hoffnung, Freude sein kann, dass man das Schlechte immer irgendwie überwiegen kann mit etwas, was positiv ist, was Freude bereitet", strahlt die Studentin. Sie selbst begeistert am Fest vor allem die Wärme, die sie während der Festtage verspürt.

Der Jugendleiter der Israelitischen Kulturgemeinde in Würzburg Alexander Shif beim Entzünden Kerzenleuchters, der Chanukkia.
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Der Jugendleiter der Israelitischen Kulturgemeinde in Würzburg Alexander Shif beim Entzünden des Kerzenleuchters, der Chanukkia.

Jugendleiter fand in Würzburg zum jüdischen Glauben

Alexander Shif hat den Sabbanot, das gemeinsame Wochenende für die Jugendlichen aus ganz Bayern, organisiert. Auch Geflüchtete aus der Ukraine sind dabei. Alexander Shif selbst stammt aus St. Petersburg, ist dort geboren als es noch Leningrad hieß. Obwohl seine Eltern Juden waren, kam er mit dem jüdischen Glauben kaum in Berührung – bis er vor 24 Jahren in die jüdische Gemeinde nach Würzburg kam. "Für mich war Chanukka wahrscheinlich die erste Feier, die wirklich Gefühle ausgelöst hat. Diese Lichter in der Dunkelheit, tausende Jahre jüdische Geschichte, das war für mich was Besonderes. Und das war das erste große Fest, das wir zusammen mit Jugendlichen gestaltet haben", schwärmt er. Etwa 900 Mitglieder sind es zurzeit in der Würzburger jüdischen Gemeinde. Dank der herzlichen und warmen Atmosphäre hier, hat er sich zum ersten Mal jüdisch gefühlt, betont Alexander Shif. Er war es auch, der den Grundstein für die Jugendarbeit in Würzburg gelegt hat, als seine Tochter vor 20 Jahren geboren wurde.

Studenten veranstalten Latkes-Wettbewerb

Die Jugendlichen bereiten sich auch in ihrer Freizeit auf Chanukka vor und feiern das Fest gemeinsam. In der Studierendengruppe veranstalten sie "Cook Offs", wie Lea Shif sagt, Kochwettbewerbe. "Da schauen wir mal, wer die besseren Latkes kocht", lacht die 20-jährige Studentin. Neben den traditionellen jüdischen und sehr öligen Kartoffelpuffern backen die auch die typischen mit Marmelade gefüllten jüdischen Krapfen, die Sufganiot. Für Lea zählt vor allem die Verbundenheit, die Gemeinschaft, die sie besonders während der Festtage in der Gemeinde spürt. Dazu gehört auch das gemeinsame Kerze anzünden mit der Studigruppe. "Das ist einfach ein schönes Ritual", sagt sie. Ähnlich wie für die Christen der Advent, obwohl das eine mit dem anderen nichts zu tun hat.

Corona und Erkältungswelle: Gesangsprobe unter erschwerten Umständen

Aus dem großen David-Schuster-Saal, benannt nach dem ersten Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, tönt laute Musik. Hier findet am Sonntag nach dem Gottesdienst die große Chanukka-Feier statt. Lea Shif muss zum Singen auf die Bühne, Papa Alexander steht am Mischpult. Heute haben die Jugendlichen der Jüdischen Kunstakademie Juka ihre erste gemeinsame Probe. Erst Corona und jetzt eine Krankheitswelle haben das bislang verhindert. Zu dritt üben sie ein hebräisches Lied ein, das zu allen Feiern passt und gerne auf den Machanot, den jüdischen Ferienfreizeiten, gesungen wird. "Das ist nicht einfach, wir sprechen im Alltag kein Hebräisch", sagt Juka-Leiterin Vladlena Vakhovska. Nur sonntags haben sie Zeit zum Proben. Da kommt gerade eher Stress statt Vorfreude auf.

Tradition trifft Pop und Schlager

Als nächstes steht "Gimme, Gimme!" von ABBA auf dem Programm. Denn so gerne die jüdische Gemeinde in Würzburg ihre hergebrachten Traditionen lebt und feiert – ein bisschen frischer Wind kann auch an Chanukkah nicht schaden. So dürfen die Jugendlichen auch moderne Lieder zum Besten geben, die mit dem Judentum gar nichts zu tun haben. Lea hat sich "Strange" von Celeste für ihren Soloauftritt ausgesucht. Jugendleiterin Vladlena Vakhovska hat das mit Gemeindeoberhaupt Rabbi Jakov Ebert abgesprochen. "Ich habe gesagt, die Kids heutzutage, die können nicht nur traditionell. Die lernen, die haben Reli-Unterricht, die lernen jüdische Geschichte, Bräuche, Traditionen – klar, das muss sein. Aber sie sollen auch Freude haben", erzählt sie.

Brücken bauen zwischen Geschichte und Moderne

Die Jugend mitgestalten zu lassen, dafür hat sich auch Alexander Shif eingesetzt. Er habe mit Rabbi Jakov Ebert einige Konflikte bestreiten müssen, um die traditionellen Abläufe ein wenig auflockern zu dürfen, erinnert sich der Jugendleiter. Denn Chanukka ist eigentlich ein Fest, das für die Erhaltung jüdischer Werte steht. "Und heute: natürlich machen wir Party für Jugendliche, natürlich machen wir viel Spaß, viele Werte, die nicht unbedingt im Kern des Judaismus liegen, aber wir versuchen diese Brücke zu bauen zwischen unserer Geschichte, unseren wirklich wertvollen Werten und dem modernen Leben." Das ist dem Jugendleiter wichtig. Und auch dem Rabbi gefällt mittlerweile, was er hört und sieht. Mit einem wohlwollenden Nicken verlässt er die Gesangsprobe. Alexander Shif grinst zufrieden. Chanukka kann kommen.

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