Ein hölzerner Richterhammer auf einem hölzernen Sockel als Symbol für den Urteilsspruch
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Richterhammer in Nahaufnahme als Symbolbild für Urteilsspruch

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Bewährungsstrafen für Sterilisation ohne Gerichtsbeschluss

Im Prozess um die Sterilisation zweier Männer hat das Landgericht München Bewährungsstrafen für einen Arzt und die Eltern eines Mannes, verhängt. Die Hürden für die Sterilisation betreuter Menschen sind aus gutem Grund hoch.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Im Prozess um die Sterilisation zweier junger Männer hat das Landgericht München I die drei Angeklagten zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Arzt, der beide Betroffene während Operationen an der Leiste sterilisierte, bekam ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen vorsätzlicher und schwerer Körperverletzung. Das Elternpaar, das seinen behinderten Sohn zu diesem Arzt brachte, bekam jeweils neun Monate auf Bewährung für die Anstiftung zur schweren Körperverletzung.

Arzt spricht von einem "Versehen"

Das Gericht glaubte dem Mediziner, dass es sich in einem Fall um ein "Versehen" gehandelt habe, und er im zweiten Fall davon ausging, dass es ausreiche, wenn die Mutter des behinderten Patienten die Einwilligung zur Vasektomie unterschreibe. Der Vorsitzende Richter Matthias Braumandl ging bei allen drei Angeklagten von einem "Bewusstsein aus, nichts Falsches zu tun". Nach seinen Worten sah er "keine kriminelle Energie" und auch "keine Nähe zur NS-Rassenlehre".

Zwei junge Männer mit Behinderung

Es ging um zwei Fälle: In dem ersten hatte der Chirurg aus Grünwald einen 17-jährigen Autisten bei einer Leistenoperation sterilisiert, im zweiten hatten Eltern um die Sterilisierung ihres damals 24 Jahre alten behinderten Sohnes gebeten. Ganz sicher habe ihr Sohn das gewollt, hatte die 66-Jährige Mutter im Prozess gesagt. Darum sei das in seinem Sinne gewesen, als sie den Mediziner bat, ihrem heute 31 Jahre alten, geistig behinderten Sohn 2016 bei einer Leistenoperation auch gleich den Samenleiter durchzuschneiden. Seitdem ist der junge Mann zeugungsunfähig.

Hürden für die Sterilisation von Menschen mit Behinderung

Für die Sterilisation eines Menschen, der unter Betreuung steht, gibt es gesetzliche Hürden. So hat das Bundesjustizministerium 1992 vor dem Hintergrund Hunderttausender Zwangssterilisationen zur Zeit des Nationalsozialismus dieses Gesetzgebung formuliert.

Laut Paragraf 1830 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist eine Sterilisation zum Schutz der betreuten Person möglich, wenn strenge Voraussetzungen erfüllt sind. Dafür muss laut Justizministerium auch ein extra Betreuer, ein sogenannter Sterilisationsbetreuer, eingesetzt werden. Und es muss einen Gerichtsbeschluss geben. Laut Deutschem Ärzteblatt genehmigen Betreuungsgerichte pro Jahr deutschlandweit rund 100 Sterilisationen.

Falsche Entscheidungen

"Es geht darum, dass hier einfach falsche Entscheidungen getroffen wurden", sagte Richter Braumandl. Entscheidungen müssten sich am Recht orientieren. Und dieses Recht habe eben diese hohen Hürden gezogen - "weil es auf den Erfahrungen eines zwölfjährigen Unrechtsregimes beruht".

Mit Material von dpa.

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