Matthias Kennerknecht, HEMS (Helicopter Emergency Medical Service) am Christoph 17
Bildrechte: BR/Doris Bimmer

Rettungshubschrauber Christoph 17

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Yes or No-Signal – Jeder kann die Bergrettung unterstützen

Die Rettung per Hubschrauber ist in den Bergen mittlerweile alltäglich. Sie ist schnell, aber teuer. Um Zeit zu sparen, kann jeder mit gut sichtbaren Signalen die Retter unterstützen. Was hilft und was als veraltet gilt - ein Überblick.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Ein typischer Samstag bei der Bergwacht Oberstdorf im August 2023: Bei Wegebauarbeiten zwischen Enzian- und Rappenseehütte verletzt sich ein Arbeiter am Oberarm. Er muss mit dem Rettungshubschrauber "Christoph 17" zur weiteren medizinischen Versorgung ins Tal geflogen werden. Kurze Zeit später verletzt sich auch ein Wanderer, wieder steigt der Hubschrauber auf zur Rettung am Berg. Für Michael Lacher, Einsatzleiter der Bergwacht Oberstdorf, sprechen mehrere Gründe für diese Flüge: Sie sparen Zeit und Personal. Die Bergwacht ist ehrenamtlich im Einsatz und angesichts zahlreicher Zwischenfälle, gerade im Sommer, kann man die Leute nicht viele Stunden pro Alarm binden: "Was wir mit dem Helikopter in 20 Minuten abwickeln können, würde zu Fuß mitunter Tage in Anspruch nehmen", sagt Lacher.

Präzise Schilderungen sparen Zeit

Gerade an stark frequentierten Orten tun sich die Einsatzkräfte oft schwer, die in Not geratenen Wanderer auf Anhieb zu finden. Da hilft auch die Technik, genaue GPS-Koordinaten zum Beispiel, nur bedingt weiter. Matthias Kennerknecht ist für den Rettungshubschrauber "Christoph 17“ zuständig, arbeitet dort als HEMS (Helicopter Emergency Medical Service). Im Hubschrauber ist er als speziell qualifizierter Notfallsanitäter das Bindeglied zwischen Pilot, Notarzt und Bergretter.

Kennerknecht nennt als Beispiel den beliebten Heilbronner Weg bei Oberstdorf. Wenn man beim Notruf seine rote Jacke zur Orientierung angibt, sei das prinzipiell gut. Wenn aber von den 150 Leuten, die zu dem Zeitpunkt dort oben unterwegs sind, 50 eine rote Jacke tragen, ist das Merkmal wieder hinfällig. Auch Winken ist nicht hilfreich, weil nicht wenige der Hubschrauber-Besatzung einfach aus Freude zuwinken. Nur über das eindeutige Yes- oder No-Signal mit den Armen käme man da ans Ziel, so Kennerknecht.

Yes or No-Signal sind internationaler Standard

Damit kommt man überall weiter. Mit dem "Yes" zeigt man den Rettern unzweifelhaft: Hier wird die Hilfe gebraucht. Beim Yes-Zeichen steht man gerade da, streckt beide Arme V-förmig in die Höhe und bildet so mit seinem Körper ein Ypsilon. Für das No-Signal streckt man den rechten Arm in die Höhe, den linken wiederum hält man Richtung linkes Knie, sodass eine diagonale Linie entsteht, die mit dem Körper den Buchstaben "N" symbolisiert. Michael Lacher zeigt die Signale auf den beiden Bildern.

Mehr als diese Signale braucht es nicht, sagt Notfallsanitäter Matthias Kennerknecht. Ist der Hubschrauber da, sollte man den Rest den Profis überlassen. Dazu gehört: Nicht unaufgefordert dem Hubschrauber nähern, dadurch bringt man sich selbst unnötig in Gefahr. Wenn überhaupt, nur von vorne nähern. Denn der Sog der hinteren Maschine könnte insbesondere für Menschen mit längeren Haaren gefährlich werden.

Ohne umfangreiche Kenntnisse sollte man auch darauf verzichten, den Hubschrauber einweisen zu wollen, warnt Kennerknecht. Oftmals ist es so, dass die Crew zunächst die Einsatzstelle anfliegt, um sich einen Überblick zu verschaffen und zu entscheiden: Wird gelandet oder über die Winde gerettet? Dann dreht sie kurz wieder ab. Was aber nicht bedeutet, dass der Einsatz abgebrochen wird, erklärt Michael Lacher.

Zifferblatt zur Orientierung ja, Lichtsignale nein

Wenn der Unfall aber im Wald passiert ist und man den Rettern das Yes-/No-Signal nicht zeigen kann, was dann? Auch dafür gibt es eine Lösung. Die Hubschrauberbesatzung ruft in dem Fall auf der beim Notruf hinterlegten Nummer zurück und lässt sich einweisen. Dabei greifen sie auf das Bild eines Zifferblatts zurück, erklärt Michael Lacher. Das bedeutet: 12 Uhr ist immer vorne. Drei Uhr somit rechts, neun links usw.

Lichtsignale seien eher kontraproduktiv, so Lacher, weil sie den Piloten oft blenden würden. Außerdem sind mittlerweile viele Trailrunner und Jogger mit Stirnlampen in der Dunkelheit unterwegs, die ebenfalls als Lichtpunkte aufscheinen. In den vergangenen Jahren sind deshalb die Fehlalarme gestiegen, weil viele im Tal die Lichter als "Alpines Notsignal" interpretieren. Das Lichtsignal hat nach Meinung von Lacher und Kennerknecht weitgehend ausgedient. Dennoch schadet es nicht, es zu kennen: eine Minute lang alle 10 Sekunden ein Signal, dann eine Minute Pause, dann wieder für eine Minute alle 10 Sekunden ein Signal, dann wieder eine Minute Pause, etc.

Wann der Einsatz gezahlt werden muss

Und dann wären da noch die Kosten zu klären. Grundsätzlich gilt in Deutschland: Wer verletzt ist und mit dem Hubschrauber gerettet wird, muss dafür nicht selbst zahlen. Das übernimmt die Krankenkasse, genau wie bei einem normalen Rettungsdiensteinsatz auf der Straße. Wer aber zum Beispiel einen Einsatz auslöst, ohne dass eine medizinische Notwendigkeit vorliegt, weil vielleicht die Kondition nicht reicht, weil man sich verstiegen oder verlaufen hat, der muss die Kosten für die Rettung mit dem Hubschrauber selbst tragen.

Zunächst zumindest. Denn auch hier gilt: Wer eine spezielle Versicherung hat oder schlicht Mitglied im Alpenverein ist, dem werden die Ausgaben in der Regel erstattet. Im regulären DAV-Mitgliedsbeitrag ist der "Alpine Sicherheitsservice" inbegriffen, der Such-, Bergungs- und Rettungskosten bis 25.000 Euro übernimmt.

Notruf ist keine Reisehotline

Für Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger geht die Kostendiskussion deshalb in die falsche Richtung. Erst Mitte August wieder hatte sich ein hilfloser Wanderer am Sonnenkopf bei Sonthofen geweigert, sich mit dem Hubschrauber retten zu lassen. Ampenberger findet: Wer die Rettung ruft, muss davon ausgehen, dass auch ein Hubschrauber zum Einsatz kommt. Es könne nicht sein, dass man den Notruf wähle, um Hilfe anzufordern, sobald die Leute aber hörten, dass der Hubschrauber zum Einsatz kommen soll, sie eine Diskussion über die Kosten vom Zaun brechen würden.

"Die Notrufnummer 112 ist doch keine Reisehotline!" Roland Ampenberger, Bergwacht

Wer die 112 wählt, muss sich im Klaren sein, dass es dort um die Rettung von Menschenleben geht. Und nicht um das Angebot, eine Fahrt mit der Seilbahn zu machen. Aus seiner Sicht läuft die Kostendiskussion deshalb in eine falsche Richtung. Auch Einsatzleiter Michael Lacher sagt: "Wenn jemand verletzt ist, der will geholt werden und dann ist den meisten jedes Mittel recht." Wer Zeit habe, sich über mögliche Kosten Gedanken zu machen, sei in keiner ernsthaften Gefahr. Er stellt aber auch klar: "Wir können Menschen nicht gegen ihren Willen retten."

Michael Lacher hat jedoch die Erfahrung gemacht: Diejenigen, die zunächst die Hilfe verweigern, lassen sich später doch gerne retten. Und wenn der Unverletzte dann mitten in der Nacht beschließt, er möchte doch aus seiner misslichen Lage befreit werden, findet er das ärgerlich. Aber noch handelt es sich um Einzelfälle, sagt Michael Lacher und schiebt nachsichtig das Kredo der Bergwacht hinterher: Wir sind zum Retten da, nicht zum Verurteilen.

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