Bachmuschelbetreuer Leo Rasch hält am Ufer der Scharlach eine Bachmuschel in der Hand.
Bildrechte: BR/Florian Regensburger

Die Scharlach im Unterallgäu hat noch einen guten Bestand der bedrohten Bachmuschel. Leo Rasch hat schnell ein Exemplar gefunden.

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Bedrohte Art: Ringen um den Schutz der Bachmuschel

Bis vor 100 Jahren hat man Bachmuscheln an Schweine verfüttert. Heute gibt es nur noch vereinzelt gute Bestände in Bayern. Ein bedeutendes Vorkommen ist in Schwaben. Muschelschützer ringen um Schutzmaßnahmen, mit denen alle Beteiligten leben können.

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"Schönes Exemplar" sagt Leo Rasch, als er im Gras am Bachufer kniet und gleich beim ersten Griff ins Wasser eine Bachmuschel erwischt. Hier, an der Scharlach bei Ettringen, ist es normal, dass der Bachmuschelbetreuer nicht lange suchen muss. Sein geübtes Auge erkennt sofort die Atemöffnung der Muschel, die sich fast ganz im Schlamm eingegraben hat.

Nur noch wenige Vorkommen in Bayern

"Wir haben hier doch ein sehr bedeutendes Vorkommen – und das zu schützen ist schon wichtig", sagt Rasch. Im Unterallgäu mit seinen vielen kleinen Bächen gibt es noch vergleichsweise viele und gute Bachmuschelvorkommen, vor allem im Einzugsgebiet der Wertach.

Weitere größere Vorkommen in Bayern liegen in Schwaben im Raum Dillingen sowie im oberbayerischen Donaumoos.

Früher hieß sie Flussmuschel

Allein der heutige Name der Bachmuschel zeigt aber, wie es generell um ihre Verbreitung bestellt ist: Früher war Flussmuschel die geläufige Bezeichnung für die Art mit dem wissenschaftlichen Namen Unio crassus. Doch in größeren Flüssen kommt sie kaum noch vor. Zwar sind Abwässer aus der Industrie, die der Muschel früher zu schaffen machten, in den vergangenen Jahrzehnten weniger und die Flüsse viel sauberer geworden. Aber eine eingeschleppte Art aus der Schwarzmeerregion hat dort inzwischen ihren Platz eingenommen.

Eingeschleppte Art verdrängt die Bachmuschel

"In den großen Flüssen haben wir die Dreikantmuschel und wo die ist, kann sich die Bachmuschel nicht halten", sagt Leo Rasch, und: "Die parasitiert sie und nimmt ihnen die Nahrung weg."

In der Scharlach kann sie noch bestehen, die Bachmuschel. "Die hat kein Fell und die schaut auch nicht nett", sagt Bernd Schweisser, wie Leo Rasch einer von vier Bachmuschelbetreuern an der Scharlach. Trotzdem sei sie als sogenannte Zeiger-Art von großer Bedeutung. "Wo die Bachmuschel lebt, ist die Umwelt in Ordnung, zumindest im Gewässer", sagt Schweisser.

Die Bachmuschel braucht bestimmte Wirtsfische

Seit 14 Jahren kümmert sich im Unterallgäu eine Gruppe von insgesamt etwa 25 Bachmuschelbetreuern um die Tiere, die auf der roten Liste gefährdeter Arten stehen. Mit Fallen stellen sie Fressfeinden wie der ebenfalls eingeschleppten Bisamratte nach – und hoffen auf Angler, dass sie viele Exemplare des sich immer weiter ausbreitenden Wallers erbeuten. Der gefräßige Fisch mit den charakteristischen langen Barteln dezimiert die Bestände von Wirtsfischen der Bachmuschel wie der Elritze, der Bachforelle oder der Mühlkoppe. In den Kiemen dieser Fische wachsen die Larven der Bachmuschel heran, ohne dass die Fische dabei Schaden nehmen, ehe sie als winzige Muscheln abfallen und im Gewässergrund weiter heranwachsen.

Zu viel Sonne lässt Wasserpflanzen wuchern

Die Bachmuschelbetreuer pflanzen Sträucher, die Schatten spenden, an den Bachufern. Denn zu viel Sonne lässt Wasserpflanzen wie das Laichkraut oder die Kanadische Wasserpest wuchern. Dadurch läuft der Bach häufig über und überschwemmt die Wiesen am Ufer. Das ist zwar für die Muschel erst einmal kein Problem, ärgert aber die Besitzer der Wiesen und schmälert damit die öffentliche Akzeptanz des strengen Muschelschutzes. Stellenweise gleicht das Grünland an der Scharlach schon eher einem Sumpfgebiet mit reichem Schilfbewuchs.

Bürgermeister bemüht sich um Interessensausgleich

"Naturschutzfachlich ist das ganz toll, weil viele Watvögel da sind. Aber der Landwirt ist natürlich alles andere als begeistert", sagt Leo Rasch. "Und dreimal dürfen Sie fragen, wo der Landwirt hinkommt", sagt Bürgermeister Robert Sturm. Nämlich zu ihm ins Rathaus, um sich zu beschweren. Die Landwirte, so Sturm, bräuchten die Flächen zur Erzeugung von Grünfutter heute "dringender denn je", so der Bürgermeister. Gerade die kleinen Betriebe stünden in Konkurrenz zu großen Milchviehbetrieben und beim Futtererwerb heute auch etwa zu Biogasanlagen.

Bach soll ausgebaggert werden

"Die Muschel ist nicht schuld daran", dass die Wiesen überflutet werden, so Sturm, es sei "halt indirekt, durch die hohen Naturschutzauflagen". Helfen würde, das Bachbett auszubaggern und damit quasi tieferzulegen. Gemeinde und Muschelschützer hätten sich auch schon auf eine muschelschonende Lösung geeinigt, nämlich den Bach Stück für Stück abschnittsweise auszubaggern.

Dabei bleibt der größte Teil des Bachbetts, in dem die Muscheln leben, bei einer Einzelmaßnahme verschont und die Menge des ausgebaggerten Materials ist so überschaubar, dass die Bachmuschelbetreuer die Muscheln herausklauben und wieder in den Bach zurücksetzen können. Auch Bürgermeister Sturm half bei der letzten derartigen Aktion mit.

Viele verschiedene Stellen reden mit

Das abschnittsweise Ausbaggern muss aber jedes Mal neu beantragt werden. Neben der Regierung von Schwaben, der Unteren Naturschutzbehörde und der Wasserrechtsabteilung beim Landratsamt müssen auch noch einige weitere Stellen ihr OK für die Maßnahme geben. Seit mehr als zwei Monaten gibt es keine Entscheidung über den aktuellen Antrag.

"Wir wollen keinen Ärger mit den Landwirten"

Auch wenn Vögel sich in den auf den Wiesen entstandenen Biotopen wohlfühlen, sagt Leo Rasch, der auch Mitglied im Landesbund für Vogelschutz ist: "Das ist nicht in unserem Sinne, denn die Landwirte sind da nicht begeistert und wir wollen keinen Ärger mit ihnen haben." Der Bachmuschelbetreuer hofft auf eine schnelle Entscheidung – im Sinne des Muschelschutzes, der auch auf seine Akzeptanz in der Bevölkerung angewiesen ist.

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