Die Zahl der Klassen-Wiederholer ist in der Pandemie leicht gesunken.
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Kinder auf dem Weg zur Schule.

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Bayerns Schulen: Weniger Wiederholer, mehr Vorrücker auf Probe

Ein Schuljahr wiederholen - in den vergangenen beiden Jahren haben das in Bayern weniger Schülerinnen und Schüler gemacht als in der Zeit vor der Pandemie. Dafür ist die Zahl derer, die auf Probe ins nächste Schuljahr vorgerückt sind, gestiegen.

In einem Unterrichtsbetrieb mit Lockdown und Homeschooling sollte in der Pandemie niemand sitzenbleiben. Deshalb hatte das Kultusministerium im vergangenen Jahr empfohlen, auch Schülerinnen und Schüler, die das sogenannte Klassenziel nicht erreichen, erst einmal auf Probe zu versetzen.

Daher ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die ein Schuljahr wiederholen, während Corona leicht gesunken - die Zahl der Vorrücker auf Probe dagegen hat sich verdreifacht: von 1.900 Schülerinnen und Schülern vor der Pandemie auf aktuell 5.700. Diskutiert wird, wie sich das langfristig auf die Schullaufbahn der Kinder und Jugendlichen auswirkt.

Vorrücken auf Probe zum Regelfall geworden

Fritz Schäffer ist Lehrer am Christoph-Scheiner-Gymnasium in Ingolstadt. An seiner Schule hat in den Pandemie-Jahren fast niemand ein Schuljahr wiederholt. "In der Regel hat man geschaut, ob ein Vorrücken auf Probe irgendwie verantwortbar ist", sagt er. Vorrücken auf Probe bedeutet: Die Kinder und Jugendlichen werden, auch wenn sie schlechte Noten auf dem Zeugnis haben, im Sommer erst einmal versetzt. Dann beobachten die Lehrkräfte bis Dezember, ob sie beim Schulstoff mithalten können.

Schäffer hat für diese Regelung Verständnis: "Wenn ein Schüler in der Schule nicht die Leistung bringt, die von ihm erwartet wird, woran liegt das? Liegt es daran, dass er durch Corona einen Schicksalssachlag in der Familie hatte, oder dass er in der Zeit der Pandemie sehr schlechte Verhältnisse vorgefunden hat für das Lernen zu Hause?", sagt er.

Begabung und Leistungsentfaltung seien sehr komplexe Vorgänge, deshalb halte er grundsätzlich nicht so viel davon, den Leistungsdruck bei Kindern und Jugendlichen durch die Maßnahme "Sitzenbleiben" zu erhöhen. Stattdessen plädiert er dafür, Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern.

Individuelle Förderung für Kinder mit Lerndefiziten

Dieser Meinung ist auch Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes. "Es gibt viele Möglichkeiten, differenziert Schülerinnen und Schüler je nach Stärken und Schwächen mitzunehmen und zu begleiten, dazu braucht es drei Dinge, erstens Lehrer, zweitens Lehrer, drittens Lehrer", sagt sie.

Wegen des Lehrermangels, besonders an Grund- und Förderschulen, befürchtet Fleischmann jedoch, dass die durch Corona entstandenen Defizite und Lernlücken vieler Kinder nicht aufgefangen werden können: "Ist es dann so, dass wir in zwei, drei Jahren dann viele Wiederholer haben? Weil diese Kinder eben nicht aufgefangen werden konnten? Das wäre fatal", betont Fleischmann.

Lehrpläne trotz Corona-Pandemie unverändert

Denn bei aller Milde, die das Kultusministerium im Hinblick auf die Versetzungen hat walten lassen: Für die Lehrpläne gab es keine coronabedingten Kürzungen – aber es gibt die Möglichkeit, Schwerpunkte zu setzen. Die Umsetzung bleibt allerdings den Schulen überlassen.

Die Angst vor Lerndefiziten scheint die Erwachsenen sowie auch die Schüler selbst umzutreiben. Denn die Zahlen des Kultusministeriums zeigen auch: Die Anzahl der Kinder, die freiwillig ein Schuljahr wiederholen, ist in den vergangenen Pandemie-Jahren konstant angestiegen.

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