Die Zufahrt zur Pharma-Firma R-Pharm. Davor ein Schild mit der durchgestrichenen Aufschrift Illertissen am Ortsausgang.
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R-Pharm in Illertissen

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Bayerns Impfstoff-Hoffnung steht vor dem Verkauf

Das Unternehmen R-Pharm wollte Corona-Impfstoff in Schwaben produzieren. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Zukunft des Standorts in Illertissen im Landkreis Neu-Ulm ist ungewiss.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Es war eine Ankündigung, die die Kleinstadt Illertissen bundesweit in die Schlagzeilen brachte. Vor etwas mehr als zwei Jahren gab Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bekannt, einen Vorvertrag über die Lieferung von Sputnik V mit dem Medikamentenhersteller R-Pharm unterzeichnet zu haben. Der Impfstoff sollte in absehbarer Zeit auch in Schwaben vom Band laufen. Vakzine gegen Corona waren damals knapp und die Staatsregierung wollte nicht nur ein vorübergehendes Problem lösen. R-Pharm, so der Plan, sollte die Bürger im Freistaat auch bei möglichen künftigen Pandemien sicher mit Impfstoff versorgen. Doch vieles kam anders. Inzwischen will der Konzern den Standort in Illertissen verkaufen.

Vom Impfstoff zum Rheumamittel

"Bereits seit einigen Monaten laufen Gespräche mit mehreren Interessenten. Aber da konnten wir uns letztlich noch nicht einig werden", sagt Manager Felix Schmitt. Doch wie kam es überhaupt nach gerade einmal zwei Jahren zu dieser Kehrtwende? Von Anfang an war es ein ungleicher Wettlauf um den Covid-Impfstoff. Während R-Pharm erst einmal eine neue Biotech-Fertigungslinie aufbauen und für den russischen Sputnik V die Genehmigung für den europäischen Markt beantragen musste, erhöhte die Konkurrenz ihre Produktion. Corona-Impfstoff war plötzlich massenhaft verfügbar. R-Pharm änderte seine Strategie und schwenkte um auf die Herstellung eines Rheumamittels. Doch noch eine andere ungeplante Entwicklung sollte das Unternehmen treffen - der Kriegsbeginn in der Ukraine.

Probleme als "russisches" Unternehmen

"Wir sind eine deutsche GmbH, aber der Hauptsitz liegt in Moskau und bei der derzeitigen geopolitischen Lage haben wir es natürlich nicht leicht", betont Manager Schmitt. Langjährige Geschäftspartner seien zwar treu, aber es falle dem Unternehmen wegen der Verbindungen zu Russland schwer, neue Kunden zu gewinnen oder Fachkräfte zu rekrutieren. Eigentlich wollte R-Pharm auch den SSV Ulm als Sponsor unterstützen. Ein entsprechendes Trikot mit Werbeaufdruck am Ärmel wurde vergangenes Jahr der Öffentlichkeit präsentiert. Kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine änderte der Fußballverein allerdings seine Meinung. Man lasse "den Vertrag bis auf Weiteres ruhen". Zuvor hatte sich schon Schalke 04 vom langjährigen russischen Sponsor Gazprom getrennt.

Sorge vor Sanktionen

Der schwankende Rubelkurs seit Kriegsbeginn habe Investitionen erschwert, erklärt Felix Schmitt. "Zumal sich ein russisches Unternehmen ohnehin die Frage stellt, wie viel Geld man in einen Markt steckt, in dem möglicherweise mit Sanktionen zu rechnen ist." Es handle sich aber nicht um einen Notverkauf, man sei in der Lage, den Standort weiterhin gut zu betreiben, betont der Manager. R-Pharms Ziel ist es, ein Unternehmen zu finden, das das bisherige Geschäftsmodell weiterführen will. Aber das auch bereit ist, einen angemessenen Preis für den Standort zu bezahlen. Nicht zuletzt, weil eine dreistellige Millionensumme in den Aufbau des neuen Biotechbereichs geflossen ist. Der solle bald von den Behörden geprüft und dann die Freigabe zur Produktion erhalten.

Begehrte Fachkräfte

"Dieser Schritt in Richtung Biotech war für uns wahrscheinlich existenzsichernd", sagt der Betriebsratsvorsitzende Markus Mahler. Allein mit der klassischen Herstellung und Verpackung von Medikamenten könne man gerade durch den Preisdruck ausländischer Unternehmen nur schwer bestehen. Dennoch stellen sich viele der rund 450 Mitarbeiter derzeit die Frage, wie es denn nun weitergehen wird. Markus Mahler, der nach seinem Vater und Großvater schon in dritter Generation am Standort arbeitet, hofft, dass bald eine Lösung gefunden ist. "Es gibt schon einige Mitarbeiter, die haben ein Haus gebaut oder eine junge Familie. Und sie momentan im Unternehmen zu halten, ist nicht einfach", sagt er. Denn mehrere Konkurrenzfirmen im benachbarten Baden-Württemberg liegen im Umkreis von gerade einmal 50 Kilometern. Sie strecken ihre Fühler nach den Fachkräften aus.

Betriebsrat fordert mehr Engagement von der Politik

Der Betriebsratsvorsitzende wünscht sich mehr Engagement vonseiten der Politik. "Um es mal ganz salopp zu formulieren. Ganz Deutschland hat Arzneimittelengpässe und wir haben hier eine Firma, die produzieren könnte. Das wäre natürlich spannend, wenn so etwas funktionieren würde", so Mahler. Der Standort hat eine durchaus wechselvolle Geschichte hinter sich. Einst begründet unter dem Namen "Heinrich Mack" wurden Arzneimittel aus Bienengift hergestellt. 1971 übernahm dann der US-Konzern Pfizer das Ruder in Illertissen, um den Standort wiederum 2014 an R-Pharm zu verkaufen.

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