Die Universität Regensburg ist eine von vielen, die ihre Kooperationen mit Russland aussetzt.
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Die Universität Regensburg ist eine von vielen, die ihre Kooperationen mit Russland aussetzt.

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Bayern stoppt wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Russland

Nach Wirtschafts-Sanktionen folgen jetzt Wissenschafts-Sanktionen: Bayerische Forschungseinrichtungen und Hochschulen setzen wegen des Ukraine-Kriegs ihre Kooperationen mit Russland aus. Russische Wissenschaftler sind bestürzt.

Neben den Einschränkungen im Sport, der Kultur und in der Wirtschaft gibt es jetzt auch Sanktionen gegen die russische Wissenschaft. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sei es nun wichtig, gegenüber Russland "klare Kante" zu zeigen, so Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: "Praktisch jede Hochschule hat Kooperationen mit Russland – das muss nun alles auf den Prüfstand“.

Blume: Zusammenarbeit beenden

Zum Bereich der Spitzentechnologie sagte Blume: "Da muss die Zusammenarbeit definitiv beendet werden". Heißt zum Beispiel: Kooperationen in der Geo- und Astrophysik, in der Energieforschung und bei Entwicklungen von Computertechnologie, teilt das Wissenschaftsministerium mit. Außerdem werde man einige vom Freistaat finanzierte Kooperationen aussetzen.

Deutsche Forschungsgemeinschaft setzt Förderungen aus

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat ebenfalls "mit sofortiger Wirkung alle von ihr geförderten Forschungsprojekte mit Russland ausgesetzt", wie sie mitteilt. Genauso das Bundesforschungsministerium. Die DFG empfiehlt zudem, keine Daten, Proben und Geräte mehr mit Russland auszutauschen.

Auch die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen spricht sich für eine Aussetzung der Beziehungen aus. Und: Der Deutsche Akademische Austausch-Dienst (DAAD) hat alle Stipendien nach Russland gestoppt. Fast alle Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Bayern dürften vom Einfrieren der Wissenschafts-Beziehungen direkt oder indirekt betroffen sein.

Fast alle Hochschulen in Bayern direkt oder indirekt betroffen

Nach Angaben des Bayerischen Hochschulzentrums für Mittel-, Ost- und Südosteuropa (Bayhost) haben bayerische Hochschulen und Universitäten bisher insgesamt 139 Kooperationsverträge mit Partner-Hochschulen in Russland, und das in allen Bereichen. Darüber hinaus gibt es 30 Kooperationen mit russischen Forschungseinrichtungen; und in den letzten Jahren wurden rund 170 Bayerisch-Russische Forschungsprojekte gefördert. Dies dürfte sich nun grundlegend ändern.

Große bayerische Unis legen Kooperationen auf Eis

Fragt man bei einzelnen Hochschulen und Universitäten nach, so heißt es überwiegend, man werde den Vorgaben folgen. Die TU München teilt auf Anfrage des BR mit, man "überprüfe derzeit" gemeinsame Projekte und werde dann "entsprechende Maßnahmen einleiten". Die Ludwig-Maximilians-Universität in München schreibt, die "Kooperationen mit russischen Institutionen" würden derzeit ausgesetzt, welche genau, bleibt aber unklar.

Genauso bei der Uni Regensburg, wie diese mitteilt. Die Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg habe bereits alle russischen Kooperationen eingefroren, bestätigt deren Präsident Joachim Hornegger: "Wir haben mit Russland 14 Kooperationsverträge, die wir auf Eis gelegt haben. Heißt für uns, dass diese Projekte nicht weiterverfolgt werden, es keinen wissenschaftlichen Austausch mehr gibt, keine Geräte gemeinsam benutzt werden." Betroffen ist etwa eine Kooperation im Bereich der Ingenieurswissenschaften und der Optik.

Russische Wissenschaftler sind verunsichert

Ein Professor, der in Russland lehrt und oft im Rahmen von Kooperationen nach Bayern gereist ist, schreibt dem BR, dass er den Stopp der Zusammenarbeit falsch finde. Auch eine Professorin aus Russland, die anonym bleiben will, weil sie den Ukraine-Krieg ablehnt und Repressionen befürchtet, findet das alles nicht gut.

Seit dreißig Jahren sei sie immer wieder nach Deutschland gekommen. Sie habe ein großes gemeinsames Netzwerk und Freundschaften mit Forschern in Deutschland aufgebaut. Ihr berufliches Leben sei durch das Einfrieren der wissenschaftlichen Kooperationen praktisch ruiniert.

Ein russischer Stipendiat, der gerade in Bayern ist, erzählt dem BR, er sei verunsichert. Er wisse nicht, ob sein Stipendium weiter finanziert werde und er hier bleiben könne. Immerhin: Die meisten Hochschulen in Bayern haben angekündigt, russische Stipendiaten und Forschende, die hierzulande arbeiten, weiter zu unterstützen. Auch Wissenschaftsminister Blume beteuert: "Gerade die, die sich für Freiheit und Demokratie auch in der Wissenschaft einsetzen. Da soll keiner im Regen stehen gelassen werden."

Offener Brief gegen Krieg von gut 7.000 russischen Wissenschaftlern

Tatsächlich haben sich Tausende russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem offenen Brief gegen den Ukraine-Krieg und damit gegen die offizielle Politik Putins gewendet. Gut 7.000 haben bis dato unterschrieben. Darin heißt es: "Wir, russische Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten, protestieren ausdrücklich gegen die Militäraktion der Streitkräfte unseres Landes in der Ukraine. […] Es gibt keine vernünftige Rechtfertigung für diesen Krieg. […] Der Krieg ist unfair und offen gesagt sinnlos.“ Die Unterzeichner fürchten nun, vom Regime in Russland dafür belangt zu werden.

Russische Forscher in Bayern bezweifeln Wirkung der Stopps

Vasily Zaburdaev ist russisch-stämmiger Physiker und lehrt und forscht in Bayern. Auch er lehnt den Einmarsch Russlands in der Ukraine ab. Aber die wissenschaftliche Zusammenarbeit deshalb zu beenden, findet er trotzdem falsch: Wissenschaftler seien oft gegen die Linie der russischen Regierung. Die Wissenschaft in Russland sei dadurch schon genug gefährdet: "Ohne die deutsche und ausländische Unterstützung ist sie wirklich nah am Sterben."

Vasily und seine Frau Larisa, die ebenfalls in der bayerischen Wissenschaft tätig ist, glauben, dass die Forschung zu Spitzentechnologien von dem Stopp der deutschen Gelder sowieso nicht getroffen werde, denn die deutschen Forschungsgelder würden vor allem in die Grundlagenforschung fließen, nicht in die strategische und militärische Forschung, so das Forscher-Ehepaar: "Putin und sein Regime und die Leute, die jetzt den Krieg angefangen haben, die spüren das nicht."

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