Bauernproteste in Roth
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Bauernproteste: Wer steht für was bei den Landwirten?

Mehrere Verbände und Vereine vertreten die Landwirte in Bayern. Bei den anhaltenden Protesten ist nicht immer klar, wer für wen spricht und welche Ziele dabei verfolgt werden: BBV, LSV, AbL, BDM, Freie Bauern und LVÖ – wer steht eigentlich wofür?

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Um die unterschiedlichen Positionen vergleichen zu können, haben wir allen Verbänden und Vereinigungen dieselben Fragen gestellt. Wir wollten wissen, wie sie die aktuelle Protestbewegung der Bauern beurteilen, wie eine gerechtere und einfachere Agrarpolitik aussehen müsste und: ob sie eine Landwirtschaft ohne Subvention überhaupt für möglich halten.

BBV ist der älteste und größte Verband

Im Bayerischen Bauernverband BBV versammeln sich seit 1945 die meisten landwirtschaftlichen Betriebe "ohne Unterschied der Religion und Rasse", heißt es in der Gründungserklärung. Die Vertretung der Bauerninteressen durch den BBV ist sogar gesetzlich verankert. Aktuell hat der BBV 135.000 Mitglieder.

Die großen Protestveranstaltungen gegen die Berliner Agrarpolitik in Bayern hat der Bauernverband – anders als der Bundesverband – nicht alleine, sondern mit LsV Bayern organisiert. Die Kritik gilt dabei allgemein der aktuellen Berliner Agrarpolitik, die ließe "die Bäuerinnen und Bauern mit vielen Probleme alleine. Stattdessen kommen immer neue Vorschriften und Verbote."

LsV – aus dem Protest heraus geboren

Klein, groß, öko, konventionell – im Verein "Landwirtschaft verbindet Bayern" LsV (früher: "Land schafft Verbindung") haben sich die unterschiedlichsten Betriebe zusammengetan. Gegründet nach den Protesten gegen die Düngeverordnung 2019 hat sich der Verein ein Jahr später in seiner jetzigen Form aufgestellt: "Da Sachpolitik zum Teil der kurzsichtigen Ideologie gewichen ist, sind wir da", schreibt LsV-Bayern, der für die Proteste viele Mitglieder mobilisieren konnte.

Die Debatte um Rechtsextremismus in der Gesellschaft zwingt den Verein immer wieder, sich zu rechtfertigen: Man lege Wert darauf, nicht in die rechte Ecke gestellt zu werden, heißt es. Mit dem Protest will man einen Politikwechsel erreichen, der "Betriebe nicht noch weiter in den Ruin treibt durch sinnlose Verordnungen."

Biobetriebe unter dem Dach der LVÖ

In der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau, der LVÖ Bayern, sind die vier Öko-Anbauverbände Bioland, Naturland, Biokreis und Demeter organisiert. Sie setzt sich in der politischen Diskussion für ihre rund 8.000 Mitglieder ein, aber auch insgesamt für mehr Bio in Bayern. Die LVÖ beansprucht für sich, "erfolgreich die Ökonomie ihrer Betriebe mit dem Schutz unserer Lebensgrundlagen zusammenzubringen".

Sie beteiligt sich nicht aktiv an den aktuellen Protesten, unterstützt aber die Anliegen, die über den Agrardiesel hinausgehen: zu viel Bürokratie, zu großer Einfluss von möglichst billig produzierenden Großbetrieben und Großkonzernen und die Verschleppung einer Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der EU.

BDM – eine eigene Vereinigung für die Milchviehbetriebe

Die Milcherzeuger haben sich im BDM (Bundesverband deutscher Milchviehhalter) zusammengeschlossen. Der Verband setzt sich für eine Agrarpolitik ein, die ein Haupteinkommen ohne Subventionen ermöglicht. Bei Gründung 1998 wollten die Initiatoren für mehr Unabhängigkeit von den großen Molkerei-, Futtermittel- und Chemieunternehmen sorgen. Seit 2007 haben Kampagnen für einen Milchpreis von 40 Cent immer wieder für Aufmerksamkeit gesorgt. Mittlerweile fordert der BDM einen Milchpreis von 60 Cent pro Liter.

Die aktuellen Proteste begleitet der BDM mit der Forderung nach Unabhängigkeit von Steuergeldern und nach grundlegender Veränderung: Ein "weiter so wie bisher darf es nicht geben", schreibt der BDM.

AbL – die Gemeinschaft der bäuerlichen Landwirtschaft

Kein Größenwachstum mehr, keine weitere Spezialisierung, keine Industrialisierung – das wollen die Betriebe in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL. Bei Gründung 1973 ging es darum, eine Alternative zum Bauernverband zu schaffen. Die intensive Landwirtschaft sieht die AbL als Hauptursache "für Bürokratie, Auflagen und Akzeptanzverlust, sowie körperlicher und seelischer Überlastung".

In der Sache unterstützt die AbL die aktuellen Proteste, beteiligt sich aber wegen der "martialischen Art der Aufrufe" nicht.

"Freie Bauern" bewusst unbequem

Bäuerliche Familienbetriebe haben sich bei den Freien Bauern zusammengetan, eine Vereinigung von Betrieben mit "überdurchschnittlicher Flächenausstattung". Familienbetriebe seien wegen "der Verbindung von Eigentum und Arbeit ökonomisch und ökologisch überlegen". Eine unabhängige Interessenvertretung ist den Freien Bauern wichtig, gegen Verflechtungen mit Parteien, Industrie und nichtstaatlichen Organisationen. Deshalb sei man "für die Politik vielleicht nicht so bequem wie andere".

Mit ihren eben teils unbequemen Haltungen bei landwirtschaftlichen Themen ecken die Freien Bauern mitunter an. Derzeit gehen die Freien Bauern gerichtlich gegen Klaus-Peter Lucht, den Präsidenten des Bauernverbandes Schleswig-Holstein vor. Der Vorwurf: Verleumdung. Lucht hatte sich von "extremen Randgruppen" distanziert und dabei auch die Freien Bauern genannt.

Bei den Protesten waren die Freien Bauern von Anfang an dabei. Und man werde weitermachen, um mehr Eigenverantwortung und mehr Einfluss in der Wertschöpfungskette zu erreichen.

Wie müsste die GAP reformiert werden, damit sie gerechter und einfacher wird?

Durch die Bank sind sich alle einig: Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, kurz GAP, muss sich grundlegend ändern. Nötig seien einfache, umsetzbare und planbare Vorgaben.

Weg mit Bürokratie und Regelungen, die keiner versteht. Konsens herrscht auch, dass Leistungen fürs Gemeinwohl, also für Umweltschutz, Landschaftspflege, honoriert werden müssen.

Weg von der Flächenbindung

Der Dachverband der Ökobauern, die LVÖ, und die AbL teilen auch eine verbreitete Meinung zur GAP, nämlich dass öffentliche Gelder eben genau nicht mehr für den reinen Flächenbesitz verwendet werden dürfen.

Für die AbL müssten für eine vielfältige Landwirtschaft immer strukturelle und natürliche Voraussetzungen ausgeglichen werden.

Förderung von Leistung fürs Allgemeinwohl

Gefragt nach einer besseren Agrarpolitik verweist die LVÖ auf das Stufenmodell ihres Bundesverbandes, das Regeln für Pflanzenschutz, Viehbesatz und Fruchtfolgen vorgibt. Je höher die Stufe, desto anspruchsvoller die Vorgaben, desto mehr Förderung.

Die AbL findet, weniger Bürokratie sei schon möglich, wenn zum Beispiel die aus den Mehrfachanträgen bekannten Betriebsdaten automatisch erfasst würden.

Bessere Position am Markt

Die Freien Bauern indes halten die GAP inzwischen für nicht mehr reformierbar. Sie sei ein "Sammelsurium an sinnlosen oder sogar schädlichen Auflagen". Dann lieber gar keine Gemeinsame Agrarpolitik in der EU. Stattdessen Regelungen für bessere Rahmenbedingungen.

Hier will auch LsV Bayern ansetzen, und zwar über den von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber eingesetzten Praktikerrat. Und die Milchviehhalter des BDM wollen über eine Weiterentwicklung der Gemeinsamen Marktordnung vor allem bessere Preise für ihre Agrarprodukte und damit mehr Unabhängigkeit.

Wie würde eine Landwirtschaft ohne Subventionen aussehen?

Ohne Subventionen geht es nicht – das wäre das Aus für viele Tausend Höfe in Deutschland, urteilen sowohl die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau, LVÖ, als auch der Bayerische Bauernverband. Der BBV begründet das mit den allgemein hohen Produktionskosten. Auch wegen der hohen Tierschutz-, Umwelt- und Sozialstandards seien die Bauern in Deutschland international im Nachteil.

Diese Ansicht teilen auch die Freien Bauern, fordern aber als einzige: "rigorosen Zollschutz". Wie LsV Bayern sagen sie aber auch: Es müssten mindestens dieselben Standards für Importe gelten und die Rahmenbedingungen in vielen kleinen und großen Maßnahmen am heimischen Markt verbessert werden.

Unabhängiger von Subventionen wäre die Landwirtschaft aus Sicht der LVÖ, wenn öffentliche Leistungen besser honoriert würden. Der BDM bringt diesen Gedanken auf die Formel: "Wenn Agrargelder komplett an konkrete Leistungen gebunden werden, sind es keine Subventionen, sondern haben ein Preisschild".

Im Video: Interview mit Claus Hochrein von "Landwirtschaft verbindet Bayern" (LsV)

Claus Hochrein
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Im Interview: Claus Hochrein von der Organisation "Landwirtschaft verbindet Bayern" (LsV)

Anmerkung der Redaktion: In einer ursprünglichen Version des Artikels stand der Satz: „Immer wieder werden die Freien Bauern kritisiert, sie würden rechtsextreme Meinungen vertreten. Diesen Vorwurf weisen sie zurück.“ – Das haben wir geändert in: "Mit ihren eben teils unbequemen Haltungen bei landwirtschaftlichen Themen ecken die Freien Bauern mitunter an."

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