06.01.2024, Baden-Württemberg, Stuttgart: Bei einer Mahnwache vom Landesbauernverband  Baden-Württemberg, hängt ein Schild mit der Aufschrift "·Ihr legt unsere Felder still - Wir eure Straßen·" an einem Traktor. Die Mahnwache fand bezüglich des traditionellen Dreikönigstreffens der FDP in Stuttgart statt. Aus Protest gegen Kürzungen im Agrarbereich wollen die Bauern am 08.01.2024 bundesweit auf die Straße gehen. Foto: Christoph Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Mahnwache des Bauerverbandes in Stuttgart

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Bauernproteste: Ampel will sich nicht "erpressen" lassen

Vor der Bauern-Aktionswoche spitzt sich der Streit zwischen Bundesregierung und Landwirten zu. Bundesagrarminister Özdemir und Finanzminister Lindner wollen keine weiteren Zugeständnisse machen. Deutschland und Bayern erwartet eine heiße Woche.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Vor der Aktionswoche der Bauernverbände ist die Situation in Bayern und bundesweit angespannt. Die Bundesregierung möchte nicht weiter zurückrudern und erteilt nach ihren Zugeständnissen den übrigen Forderungen der Bauern eine Absage.

Bundesagrarminister Özdemir: "Wir sind nicht erpressbar"

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) antwortete auf die Frage, ob er den Landwirten weiter entgegenkommen könne, am Freitagabend im ZDF-"Heute Journal": "Nein, denn das müsste gegenfinanziert werden." Die Ampel-Koalition gehe sehr fair vor. Zugleich unterschied Özdemir zwischen einem legitimen Protest von Landwirten und Aktionen wie am Donnerstagabend gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). "Wer jetzt glaubt, dass er die Politik erpressen kann, wer jetzt glaubt, mit Umsturzfantasien hier irgendwie Eindruck machen zu können, wird sehen, dass die Mehrheit unseres Landes und auch die Politik da sehr klar steht: Wir sind nicht erpressbar."

Habeck war von Demonstranten an der schleswig-holsteinischen Küste gehindert worden, eine Fähre zu verlassen, die er für eine Privatreise nutzte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Grund der Aktion war die Streichung von Subventionen für Bauern, die die Ampel-Koalition nach Protesten teilweise zurücknehmen will. Auch Özdemir war gegen die ursprünglichen Pläne. In der kommenden Woche wollen Bauern in ganz Deutschland gegen die Agrarpolitik demonstrieren.

Lindner: Landwirtschaft ist "hochsubventionierter Sektor"

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kritisierte die Proteste der Landwirte gegen die geplanten Sparmaßnahmen der Regierung scharf. "Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um", rief Lindner beim Dreikönigstreffen der FDP am Samstag in Stuttgart. Eine Situation, wie sie Wirtschaftsminister Robert Habeck habe erleben müssen, sei "völlig inakzeptabel", die angekündigten Blockaden der Bauern seien "unverhältnismäßig". Die Konsequenz von Landfriedensbruch und Sachbeschädigung könne nur sein: "Das sind Fälle für den Staatsanwalt."

Die Gesellschaft habe zwar eine Verantwortung für die Landwirtschaft, aber die Landwirtschaft habe auch eine Verantwortung für die Gesellschaft, betonte der FDP-Chef. Bei der Landwirtschaft handele es sich um einen "hochsubventionierten Sektor". Und auch die Bauern müssten einen Beitrag leisten, um den Haushalt verfassungsgemäß aufstellen zu können. Im Übrigen erhielten die Landwirte neue Subventionen, etwa für Strom oder den Stallumbau. Wer neue Subventionen wolle, müsse auch bereit sein, auf alte Subventionen zu verzichten, betonte der FDP-Chef.

"Umsturzrandale" versus "Bauern wissen sich zu benehmen"

Sicherheitsbehörden beobachten im Zusammenhang mit den geplanten Protesten diverse Mobilisierungsaufrufe und Solidaritätsbekundungen von Rechtsextremisten, Gruppierungen der Neuen Rechten und der Querdenker-Szene, besonders in den sozialen Medien. Das berichtet die "Welt am Sonntag" [Externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt]. Dabei beruft sich das Blatt auf das Bundeskriminalamt und Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern. Darunter seien Aufrufe für einen "Generalstreik" und "Umsturzrandale" sowie für eine "Unterwanderung" der Demonstrationen.

Bei den Bauernprotesten in Bayern wollen die Freien Wähler nach Aussage ihres Vorsitzenden Hubert Aiwanger am Montag "ganz vorne dabei sein". Damit wolle die Partei ein klares Bekenntnis für die Landwirte abgeben, sagte er am Samstag beim Dreikönigstreffen in Bad Füssing (Landkreis Passau). Dass es bei den Demonstrationen keine kriminellen Aktionen und Sachbeschädigungen geben dürfe, sei eine Selbstverständlichkeit. Er wolle dafür sorgen, dass die Landwirte die Plätze, auf denen sie protestieren, sauberer verlassen, als sie es vorher waren: "Bauern wissen sich zu benehmen."

Aiwanger wettert auf Dreikönigstreffen gegen Ampelregierung

Es gehe um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung, sagte Aiwanger, der selbst Landwirt in Niederbayern ist. Deutschland dürfe nicht auf ein Schiff mit einer Lieferung aus China angewiesen sein. Bauern seien eine fleißige Berufsgruppe, die von Montagfrüh bis Sonntagabend arbeite - dafür müsse sie von der Bundesregierung wertgeschätzt werden. Jedoch würden in Berlin Entscheidungen von Leuten getroffen, "die eine Kuh von einer Sau nicht unterscheiden können".

Aiwanger stand zuletzt immer wieder in der Kritik. Politiker werfen ihm vor, die Proteste durch seine Formulierungen unnötig anzuheizen. Zuletzt schrieb der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke auf X im Zusammenhang mit der Fähren-Blockade um Robert Habeck: "Wenn ein stellvertretender bayerischer Ministerpräsident erklärt, man müsse sich die Demokratie zurückholen u die Grünen hätten den Arsch auf, dann wundert einen nix mehr. Wer die AfD Narrative benutzt, der bereitet den Boden für diese Bilder."

Im Video: Aiwanger sieht Bauernproteste als "politische Notwehr"

Bei den Bauernprotesten in Bayern wollen die Freien Wähler nach Aussage ihres Vorsitzenden Hubert Aiwanger am Montag "ganz vorne dabei sein".
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Bei den Bauernprotesten in Bayern wollen die Freien Wähler nach Aussage ihres Vorsitzenden Hubert Aiwanger am Montag "ganz vorne dabei sein".

CDU und CSU unterstützen Bauernproteste

Die Unionsparteien unterstützen das Festhalten der Landwirte an geplanten Protestaktionen in der kommenden Woche. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte zwar die Blockade der Fähre von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) durch protestierende Landwirte. Er habe aber Verständnis für die Proteste der Bauern.

Den Habeck-Vorfall bezeichnete er zu Beginn der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon als "unmögliche" Entgleisung, "die so nicht stattfinden darf". Unionsfraktionsvize Steffen Bilger (CDU) warf der Bundesregierung einen "faulen Kompromiss" vor, denn die Streichung der Agrardieselsubvention sei weiterhin geplant. Bilger nahm die Landwirte in Schutz. "Die Landwirtsfamilien sind ganz überwiegend sachorientiert und haben ein feines Gespür für Trittbrettfahrer, denen es in Wahrheit nicht um die Landwirtschaft geht", sagte er. Auch Lindholz mahnte jedoch, dass die Proteste im rechtsstaatlichen Rahmen bleiben müssten. "Alles andere ist inakzeptabel und schadet dem demokratischen Prozess."

Für die kommende Woche sind dem Innenministerium zufolge in Bayern mehr als 200 Versammlungen mit Tausenden Traktoren angemeldet. Grund dafür: Landwirte sollen auf einen Teil ihrer Steuererleichterungen verzichten. Die Bundesregierung hat zwar bereits ihren Plan fallengelassen, die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge aufzuheben. Die Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigung soll aber bleiben, allerdings soll sie nicht mehr sofort wegfallen, sondern auf drei Jahre gestreckt. Das genügt den Bauern nicht.

Mit Informationen von Reuters, dpa, AFP

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