Der Taschachferner in den Ötztaler Alpen
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Der Taschachferner in den Ötztaler Alpen

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Aufgeheizte Alpen: Folgen der Klimakrise für den Bergtourismus

Nirgendwo ist der Klimawandel so stark messbar wie in den Alpen. Gletscher schmelzen, auch der Permafrost taut auf. Die Folge: Berggipfel werden instabil, Steinschläge und Muren nehmen zu. Und auch das Fundament von so mancher Hütte bröckelt.

Über dieses Thema berichtet: UNKRAUT am .

Der Weg hinauf zum Taschachhaus in den Ötztaler Alpen ist nicht mehr so, wie ihn viele kennen. Vor einigen Jahren kam hier ein ganzer Berghang ins Rutschen und begrub einen Wanderweg unter Schutt und Geröll. Der Deutsche Alpenverein (DAV) musste einen neuen Weg auf die beliebte Hochgebirgshütte ausweisen. Die liegt auf 2.434 Metern. Doch auch der neue Weg droht an manchen Stellen wegzubrechen.

Kosten für Wegeunterhalt steigen stark

Nach heftigen Unwettern hat der Bach den Pfad so sehr unterspült, dass er stellenweise instabil geworden ist. Roman Ossner, Ressortleiter Umwelt-, Natur- und Klimaschutz der DAV-Sektion München, ist besorgt. Er sieht einen klaren Zusammenhang mit dem Klimawandel: "Wenn das gesamte Gestein bröselig ist und uns im Prinzip unter den Füßen wegbricht, dann ist die Frage, macht das überhaupt noch Sinn?"

In dem Gebiet sind in den vergangenen Wochen mehrere Muren, besser bekannt als Schlammlawinen, abgegangen und haben den Weg zur Materialseilbahn komplett versperrt. Zum Teil türmt sich das Material mehrere Meter hoch. Der Aufwand für den Wegeunterhalt habe sich für den Alpenverein in den vergangenen zehn bis 15 Jahren mehr als verdoppelt, sagt auch Thomas Gesell von der DAV-Sektion München.

Permafrost verschwindet: Wenn der Kitt fehlt

In den vergangenen 100 Jahren sind die Durchschnittstemperaturen in den Alpen doppelt so stark angestiegen wie im globalen Durchschnitt. Die Erwärmung sorgt aber nicht nur dafür, dass Gletscher allmählich verschwinden. In den höheren Lagen der Alpen, ab etwa 2.200 Metern, wirkt der Permafrost wie eine Art Kitt oder Kleber. Und dieser Permafrost taut auf.

Roman Ossner warnt aber nicht nur vor Gefahr durch Steinschlag: "In einigen Jahrzehnten müssen wir damit rechnen, dass ganze Gipfel kollabieren und der ganze Berg runterkommt."

Was sind die größten Gefahren in den bayerischen Alpen?

Muren oder sogenannte Murgänge sind laut Michael Krautblatter, Professor für Hangbewegungen an der TU München, die größte Gefahr in Bayern. "Das liegt daran, dass sie sehr schnell sind, sie werden häufig 20 bis 60 km/h schnell, also schneller als Leute wegrennen können." Er hat diese Muren untersucht und festgestellt, dass sie vor allem auch eine extreme Wucht haben, wenn sie den Berg hinabrinnen.

Denn anders als Wasser, das um ein Objekt herumfließt, hat die Mure eine solche Mächtigkeit, dass sie mitten durch Brücken oder Häuser durchschießt.

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Wenn der Kitt fehlt

Prognose für die Zukunft: Sehr viel mehr Muren

In Bayern gibt es laut Michael Krautblatter 200 bis 300 murfähige Gerinne. Das heißt, Bachrinnen oder Bergrinnen in denen sich bei Starkregen Muren lösen können. Und seine Prognosen sind beunruhigend: Forscher schätzen, dass durch den Klimawandel Starkregen etwa doppelt so häufig vorkommen werden.

Dann erwartet Michael Krautblatter nicht doppelt so viele Muren, sondern sechs- bis siebenmal so viele: "Mit jeder Mure werden die Berge stärker entwaldet und in einem entwaldeten Gebiet reicht schon ein kurzer Starkniederschlag, um eine Mure auszulösen." Trotzdem hält er nichts davon, gefährdete Gipfel abzusperren, Michael Krautblatter will vielmehr die Vorhersagen verbessern.

Energieversorgung wird zum Problem

Der Alpenverein stellt sich bereits darauf ein, einzelne Hütten aufgeben zu müssen, wenn das darunter liegende Gestein nicht mehr genügend Stabilität bietet. Aber auch die Wasser- oder Energieversorgung entscheidet darüber, ob der Betrieb der Hütten künftig noch möglich ist.

Am Taschachhaus mit seinen 154 Schlafplätzen ist vor allem die Energieversorgung bedroht. Ein kleines Wasserkraftwerk liefert den Strom für die Hütte. Doch Wirt Jürgen Eiter wird immer öfter nachts aus dem Schlaf gerissen, wenn der Alarm anschlägt, weil der Strom ausgefallen ist. Dann muss er zum Wasserkraftwerk laufen und wie er sagt: "spülen, spülen, spülen", denn bei Unwetter verstopfen Sande die Turbine. Aber Unwetter werden häufiger und verschärfen das Problem mit der Energieversorgung.

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Schwindender Taschachferner

Wie lange bleiben Gipfel über 2.000 Meter noch zugänglich?

Das Taschachhaus dient als Hochgebirgshütte vor allem auch für Eiskletter-Kurse. Dafür war es früher auch ideal gelegen: direkt am Gletscher, dem Taschachferner. Doch der Gletscher hat sich inzwischen so weit zurückgezogen, dass die Wanderer eine bis eineinhalb Stunden durch Geröll und Fels gehen müssen, um überhaupt in die Nähe des Gletschers zu gelangen. Da die Wanderer von der Hütte auch nicht mehr direkt über das Eis gehen können, um den Gletscher zu überqueren, hat sich der Alpenverein hier eine vorübergehende Lösung ausgedacht: Er hat für fast 80.000 Euro eine Hängebrücke gebaut, um Wanderer sicher auf die andere Seite zu lotsen.

Doch diese technischen Hilfskonstruktionen sind nicht mehr als Symptombekämpfung. Das Grundproblem wird damit sicher nicht gelöst werden: der Klimawandel.

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