Unterfränkischer Konzern Knauf
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Knauf reagiert: Gips für "russisches" Mariupol?

Mariupol in der Ukraine war lange umkämpft, dann besetzte Russland das Gebiet. Recherchen des ARD-Magazins Monitor zeigen: Am Wiederaufbau der Stadt sind auch Produkte deutscher Firmen wie Knauf beteiligt. Was sagt man dort zu den Vorwürfen?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Mehrere deutsche Firmen stehen im Verdacht, die EU-Sanktionen gegen Russland zu verletzen, darunter auch ein großes bayerisches Unternehmen. Nach ARD-Recherchen hilft der Baustoff-Konzern Knauf aus dem unterfränkischen Iphofen im Landkreis Kitzingen mit seinen Produkten den Russen dabei, das besetzte Mariupol am Asowschen Meer wieder aufzubauen. Knauf schreibt in einer Stellungnahme, man befolge alle Sanktionen der EU, von Großbritannien und den USA. Juristen sehen das allerdings anders.

Wiederaufbau eines "russischen" Mariupol

Drei Monate lang wurde die ukrainische Stadt Mariupol nach dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 belagert und mit Granaten beschossen. Zehntausende Zivilisten wurden getötet, viele Häuser zerstört. Die letzten Verteidiger gaben am 20. Mai ihren Widerstand auf. Schon kurz darauf begannen die Bauarbeiten am "neuen" Mariupol. Überall sind nach Recherchen von Monitor Baustellen zu finden, aus dem Boden gestampfte Wohnblöcke. Der Wiederaufbau von Mariupol als "russische" Stadt ist ein wichtiges Propagandaprojekt für Putin.

Hilfe erhält der russische Präsident dabei offenbar von mehreren deutschen Firmen. So tauchen auf Videos und Bildern immer wieder die Logos deutscher Hersteller auf. Auf Gipssäcken prangt der Name Knauf. Das unterfränkische Familienunternehmen aus Iphofen im Landkreis Kitzingen ist weltweit führend in der Gipsproduktion und macht seit langem gute Geschäfte in und mit Russland.

Rund 4.000 Mitarbeiter beschäftigt Knauf nach eigener Aussage in Russland, macht weiterhin Milliardenumsätze. Firmenpatriarch Nikolaus Knauf war mehr als zwei Jahrzehnte russischer Honorarkonsul, auf Fotos lächelt er neben Präsident Putin. Diesen Posten behielt er auch nach der Annexion der Krim. Die darauf folgenden Sanktionen gegen Russland bezeichnete er noch 2018 als "schrecklich".

Knauf: Keine Exporte aus EU nach Russland

Am Freitag verschickte der Konzern eine Stellungnahme zu den aktuellen ARD-Recherchen. Darin weist die Knauf darauf hin, dass es keine Baustoffe aus der EU nach Russland exportiere. Die Firma liefere demnach weder nach Russland noch nach Mariupol und importiere seit Februar 2022 auch keine Baustoffe mehr nach Russland. "Uns ist außerdem wichtig zu betonen: Knauf produziert Baustoffe und ist nicht als ausführender Bauherr oder Investor an Bauvorhaben beteiligt", so die Firma.

Der Konzern unterhalte auch keine direkten Lieferverträge zu Verbrauchern oder Verarbeitern seiner Produkte in Russland. Die Produkte gelangten dort über verschiedene, von Knauf unabhängige Händler zu den Endkunden, so das Familienunternehmen. Knauf, so eine Sprecherin, habe keinen Einfluss darauf, wie und wo die Endkunden die Produkte verwendeten und verhalte sich jederzeit gesetzes- und sanktionskonform.

Produktion für Russland in Russland

Zuvor hatte Knauf auf eine BR-Anfrage bereits mit einem allgemeinen Statement zum Russland-Geschäft reagiert. Darin hieß es, man verurteile den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, befolge sämtliche Sanktionen der EU gegen Russland. Knauf produziere in Russland "ausschließlich für den russischen Markt".

Doch reicht das aus, um sich an die Zwangsmittel der EU zu halten? Sanktionsrechtsexperte Viktor Winkler widerspricht: "Die Vorstellung, wenn ich mich mit einer Tochtergesellschaft in Russland nur im russischen Bereich, nur auf den russischen Territorien bewege, dass dies sozusagen sanktions-unerheblich sei, das ist ein absoluter Mythos und könnte nicht weiter weg sein von der Realität." Zwar seien Baustoffe grundsätzlich nicht in den Sanktionsregeln der EU enthalten, so Winkler. Das Unternehmen müsse aber "effektiv ausschließen können, dass es einen militärischen Zusammenhang gibt, irgendeine militärische Beziehung von dem gibt, was sie liefern."

Politiker: Knauf zementiert russische Macht in Mariupol

Diese "militärische Beziehung" ergibt sich dabei laut Monitor schon durch den Auftraggeber: So wirbt ein offizieller Vertragshändler von Knauf laut den Recherchen öffentlich damit, dass er ein Wohnhausprojekt mit Knauf-Baustoffen im Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums erbaut hat. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter, kritisiert die Beteiligung deutscher Firmen an den Bauarbeiten in Mariupol. Sie stellten sich in den Dienst eines völkerrechtswidrigen Krieges: "Das ist bei Knauf sehr augenscheinlich, weil sie in den besetzten Gebieten auch in Mariupol tatsächlich russische Macht zementieren."

Knauf-Produktion in Ukraine

Knauf produziert auch in der Ukraine. Aus Sorge um die Sicherheit der Belegschaft hatte der Konzern aber sein Werk Donbass bei Bachmut in der Ostukraine mit 420 Mitarbeitern unmittelbar nach Kriegsbeginn geschlossen. Inzwischen ist das Werk Knauf zufolge vollständig zerstört. Die Werkshalle wurde offenbar von einer Granate oder einer Drohne getroffen. Auch in der Westukraine hatte Knauf nach Kriegsbeginn ein Werk mit 170 Mitarbeitern geschlossen. Eine Fabrik in Kiew nahm das Unternehmen 2022 wieder in Betrieb, verkündete außerdem im August 2023, ein neues Werk in der Ukraine zu bauen. Knauf beschäftigt nach eigenen Angaben derzeit 450 Mitarbeitende in der Ukraine.

14 Knauf-Werke in Russland

In Russland unterhält Knauf derzeit insgesamt 14 Werke und beschäftigt rund 4.000 Mitarbeiter. Nach wie vor habe sich der Konzern "für den Verbleib im russischen Markt entschieden". Der Grund: Man wolle seiner Verantwortung als Familienunternehmen gerecht werden und die "langjährigen Beschäftigten nicht in die berufliche Unsicherheit entlassen", so Knauf. In den russischen Werken produzierten russische Mitarbeiter für den russischen Markt. Weltweit stellt Knauf in über 90 Ländern mit rund 40.000 Mitarbeitern Baustoffe und Bausysteme her.

Die ausführlichen Recherchen zeigt das ARD-Magazin Monitor am Donnerstag, 4. April, um 21.45 Uhr im Ersten.

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