Modellgrafik: So könnte das Logistikzentrum aussehen
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Modellgrafik: So könnte das Logistikzentrum aussehen

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Amazon-Logistikzentrum in Rohr: Überforderung oder Geldsegen?

Großprojekte führen häufig zu großen Protesten - auch in Bayern. In Niederbayern gibt es nun Pläne für ein Logistikzentrum des Online-Riesen Amazon. Während die Gemeinde Rohr auf zusätzliche Einnahmen hofft, befürchten die Gegner Schlimmes.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

In den ruhigen Dörfern Ober- und Unterschambach im niederbayerischen Landkreis Kelheim brodelt es. Vor ein paar Wochen haben sich die Bewohner getroffen und gemeinsam Protestschilder gemalt. Wer durch den Ort fährt, kann sie nicht übersehen: "Groß, größer, Größenwahn", steht da. Oder: "Logistik: Nein, danke!"

Hunderte Lkw und Pkw erwartet

Etwa zwei Kilometer entfernt soll direkt an der A93 ein großes Logistikzentrum entstehen. Amazon soll der Hauptnutzer werden. Knapp 340.000 Quadratmeter Fläche sind dafür laut der Gemeinde Rohr eingeplant. Das entspricht etwa neunmal der Fläche der Münchner Allianz-Arena. An Spitzentagen – zum Beispiel im Weihnachtsgeschäft – könnten am Logistikzentrum mehr als 600 Lastwagen an- und wieder abfahren. Dazu kommen Hunderte Autos der Mitarbeiter.

Hans-Jürgen Thaus hat sich der Bürgerinitiative gegen das Projekt angeschlossen. Er befürchtet, dass der Verkehr nicht nur über die angrenzende Autobahn fließen wird, sondern auch durch die Nachbarorte. "Lärm, CO2, Gesundheitsgefährdung, ein Risiko über die Straße zu laufen", zählt Thaus seine Kritikpunkte auf. "Ich habe Angst um meine Enkelkinder."

Versiegelte Flächen, Lärm, Abgase befürchtet

Und nicht nur den Verkehr sehen die Gegner des Logistikparks kritisch. Auch die Natur werde leiden, befürchtet Roland Weiß. Er ist Vorstand der Bürgerinitiative Abensberg, die mittlerweile knapp 1.300 Mitglieder zählt. Er kritisiert die drohende Flächenversiegelung, befürchtet Lichtverschmutzung, Lärm und Abgase. Seit seiner Kindheit gehe er hier spazieren. "Ein Rückzugsgebiet für die Seele" seien die Felder.

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Etwa zwei Kilometer von Unterschambach entfernt ist bei Stocka das Logistikzentrum geplant. Protestplakate hängen in den betroffenen Gemeinden.

Standort für Logistik "ideal"

Im Rathaus von Rohr sieht das Bürgermeisterin Birgit Steinsdorfer (CSU) ganz anders. Der Standort direkt an der Autobahnauffahrt sei für die Logistik ideal. Die Flächen neben der Autobahn und einem Tonabbaubetrieb seien landwirtschaftlich nur schlecht nutzbar. Die Ansiedlung bringe daher mehr Chancen als Schäden: 1.800 Arbeitsplätze könnten hier am Ende entstehen.

Dazu kommen Gewerbesteuer- und Grundsteuer-Einnahmen im sechsstelligen Bereich, auf die die finanziell eher schwache Marktgemeinde hofft. Straßensanierungen, ein neuer Kindergarten, die Pflicht zur Ganztagsbetreuung an der Schule: Das alles müsse finanziert werden, sagt die Bürgermeisterin des Orts mit rund 3.500 Einwohnern.

Kein Verständnis für Kritik anderer Bürgermeister

Leicht macht es der Gemeinde aber auch die Tatsache, dass der geplante Logistikpark am äußersten Rand des Gemeindegebiets liegt. Die Kritik kommt daher vor allem aus den Ortsteilen der Nachbargemeinden rund um das geplante Logistikzentrum. Hier werden die Auswirkungen wohl deutlicher zu spüren sein als in Rohr selbst, das weiter entfernt ist.

Dennoch verbittet sich Steinsdorfer Kritik aus anderen Rathäusern. "Dass Bürger Bedenken haben, kann ich absolut nachvollziehen. Dass sich Bürgermeisterkollegen jetzt so dagegen aussprechen, kann ich in keiner Weise nachvollziehen." Die Nachbargemeinden würden viel besser dastehen als Rohr und selbst weiter Flächen versiegeln, Bäume abholzen und neue Gewerbegebiete erschließen. Das führe ebenfalls zu zusätzlichem Verkehr, auch in den Nachbardörfern des möglichen Amazon-Logistikzentrums, sagt Steinsdorfer, die auf eine breite Unterstützung im Marktgemeinderat hofft. Der Bebauungsplan könnte dort noch in diesem Jahr beschlossen werden.

Sorge vor Zuzug

Die Mitglieder der Bürgerinitiativen glauben dagegen nicht, dass sich das Projekt wirklich lohnt. Viele Jobs, die entstehen würden, seien nur im Niedriglohnbereich. Die Beschäftigten könnten deswegen zum Beispiel zusätzlich auf Wohngeld angewiesen sein, sagt Hans-Jürgen Thaus. Außerdem gebe es kaum Arbeitslose in der Region und die Orte seien auf den Zuzug vieler neuer Mitarbeiter nicht ausgelegt. "Das funktioniert nicht. Wir haben die Wohnungen nicht, wir haben die Kitaplätze nicht. Wir haben die ärztliche Versorgung nicht. Die ganze Infrastruktur bricht zusammen. Falscher Standort", argumentieren die Gegner.

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Auf beiden Seiten dieser Straße soll das Logistikzentrum entstehen. Äcker und Wiesen würden versiegelt werden.

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