Der Niederbayerische Braunweizen steht auf einem Feld.
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1,50 Meter Länge: Der Niederbayerische Braunweizen unterscheidet sich vom herkömmlichen Backweizen.

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Alte Getreidesorten: Backen wie vor 100 Jahren

Die Erntesaison für Weizen beginnt wieder. Heute auf den Feldern: moderner Backweizen, der hohen Ertrag bringt und leicht zu backen ist. Vor 100 Jahren kannte man den noch nicht – gebacken wurde trotzdem.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Es ist ein echter Getreide-Schatz, den Saatgutexperte Klaus Fleißner von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Ruhstorf an der Rott gehoben hat: Mehr als 100 eigentlich längst ausgestorbene Getreidesorten hat er mit einer Kollegin auf einem Versuchsfeld angebaut.

Kärntner Winterbinkel, Moosburger Dickkopf, Mauerner Grannenweizen: Die Vielfalt an Getreidesorten in Bayern ist einst groß gewesen. Mittlerweile ist sie längst vergessen – nur in Gendatenbanken hat das Saatgut überlebt. Klaus Fleißner hat mehrere Jahre recherchiert, um sie wiederzubekommen. Verpackt in kleine Tütchen genügt eine Saatgutprobe für einen kleinen Versuchsanbau. Genug, um zu testen, ob die Sorten sich heutzutage noch wohlfühlen in Bayern.

90 Prozent der alten Sorten sind heute verschwunden

Hier in Niederbayern heimisch war etwa der Niederbayerische Braunweizen. Mit rund 1,50 Metern ist das Getreide fast dreimal so hoch wie der Backweizen von heute. Dies berge die Gefahr, so Fleißer, dass das Getreide nach einem Starkregenereignis "ins Lager gehe" – sich also plattdrückt. Dies kann die Ernte gefährden. Und auch der Ertrag des Niederbayerischen Braunweizens kann je nach Anbauform rund um die Hälfte geringer sein als beim modernen Weizen.

Deshalb sind in den letzten 100 Jahren rund 90 Prozent der Getreidesorten verschwunden. Viele von ihnen stehen heute auf Fleißners Versuchsfeld – doch das soll erst der Anfang sein.

"Schatzbewahrer" sollen Sorten erhalten

"Schatzbewahrer" heißt die Initiative, die er zum Erhalt der alten Sorten gegründet hat. Sie geht zurück auf die bereits 15 Jahre alte Biodiversitätsstrategie des Freistaats, wonach die Arten- und Sortenvielfalt in Bayern erhalten werden soll.

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Fertig gebacken: die Heimatseele der Bäckerei Wagner.

Doch dafür braucht es Landwirte und Bäcker, die die alten Sorten aufs Feld und letztlich in die Backstube bringen. Beim Niederbayerischen Braunweizen ist das gelungen – mit der Ruhstorfer Bäckerei Wagner fand Fleißner Mitstreiter.

Heute backt Günther Wagner, der die Bäckerei zusammen mit seinem Bruder betreibt, mit Sohn Raphael die sogenannte Heimatseele. Darin enthalten: Wasser, Sauerteig, Öl, Salz, Bärwurz und: Mehl aus dem Niederbayerischen Braunweizen.

Mehl aus Niederbayerischem Braunweizen ist anspruchsvoll

Erste Backversuche in diesem Frühjahr hatten gezeigt: "Keine Maschine der Welt ist ausgelegt auf einen so weichen Teig", sagt Sohn Raphael Wagner. Das Mehl des niederbayerischen Braun muss handwerklich verarbeitet werden. Heißt: viel Kneten und eine lange Teigruhe von 48 Stunden. Das Mehl aus dem Niederbayerischen Braunweizen ist anspruchsvoll.

Nun backen die beiden täglich rund 150 "Heimatseelen". Im Jahr brauchen sie dafür rund 10 Tonnen Mehl. Das Getreide von Klaus Fleißners Versuchsanbau genügt dabei nicht. Vielmehr musste Günther Wagner selbst einen Landwirt suchen, der den Niederbayerischen Braunweizen für ihn anbaut.

Alte Sorten: Viel Arbeit, wenig Ertrag

Gefunden hat er einen konventionellen Ackerbauern – ein Freund der Wagners. Gerhart Pfaffinger baut nun auf zwei seiner 44 Hektar den Niederbayerischen Braunweizen an. Dabei erwartet er bis zu 50 Prozent weniger Ertrag. Der Anbau ist für ihn ein Freundschaftsdienst – wirtschaftlich lohnenswert ist er kaum.

Daher sucht auch Saatgutexperte Klaus Fleißner in ganz Bayern weiter nach Menschen, die seine wiederentdeckten Sorten zum Leben erwecken. Denn die "Schatzbewahrer" leben vom Engagement einzelner. Ansprechen möchte er nicht nur Landwirte, die sein Getreide anbauen – insgesamt hat er bereits über 700 alte Sorten, darunter zum Beispiel auch alte Sonnenblumenarten, wiederentdeckt.

Im Audio: Der kaum noch bekannte Beruf des Müllers

Alte Mühle in Bayern (Symbolbild)
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Mühle (Symbolbild)

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