Ein junger Mann im roten T-Shirt sitzt in seinem Zimmer im Rollstuhl.
Bildrechte: BR/Jörg Hertle

Rico in seinem Kinderzimmer, das viel zu klein ist für seinen Rollstuhl. Er möchte gerne bei seinen Eltern ausziehen. Wohnungen sind aber knapp.

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Allein leben! Die schwierige Wohnungssuche mit Behinderung

Rico will frei sein. Mit 23 Jahren sein Leben in die Hand nehmen, feiern, etwas erleben. Dafür will er raus aus seinem Kinderzimmer und rein in eine eigene Wohnung. Allerdings: Rico sitzt im Rollstuhl. Und: Barrierefreie Wohnungen gibt es kaum.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Es ist jedes Mal eine Sache von Millimetern, wenn Rico Wuttke in der 80-Quadratmeter-Wohnung seiner Eltern von einem Zimmer zum anderen fährt. Gerade so passt der Elektrorollstuhl durch die 80 Zentimeter breiten Türen. Der 23-Jährige leidet unter Muskeldystrophie Typ Duchenne. Dabei schwinden die Muskeln und wandeln sich in Bindegewebe um. Rico hat einen riesigen Wunsch: "Ich will einfach mein eigenes Ding machen. Nicht, weil ich meine Eltern nicht lieb habe. Weil Eltern auch nerven können und es auch tun."

Ricos Wunsch: Ein selbstbestimmtes Leben

Rico Wuttke will einfach ein selbstbestimmtes Leben führen können, mit seinen Kumpels Kneipen und Rockkonzerte besuchen und nicht jedes Mal nachts, wenn er nach Hause kommt, seine Eltern aus dem Bett klingeln müssen, damit sie ihn mit einem speziellen Lifter für den elektrischen Rollstuhl die zwei Stockwerke durch das Treppenhaus in die Wohnung bringen. Einen Aufzug gibt es in dem Haus nicht.

Verein versucht zu helfen

An diesem Tag hat sich Daniela Krump vom Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg zu einem Gespräch angemeldet. Sie unterstützt Familie Wuttke bei der Wohnungssuche. Ihr Verein betreibt die Boxdorfer Werkstatt für Menschen mit Behinderung mit 120 Plätzen, einer Wohnanlage mit gemeinschaftlichen Wohnen (80 Bewohner im eigenen Apartment) und Gruppenwohnen für Menschen mit schweren Behinderungen (25 Bewohner). Daneben unterhält der Verein auch einen Fahrdienst, integrative Kindertagesstätten, eine Heilpädagogische Tagesstätte für Kinder und interdisziplinäre Frühförderstellen.

Rico will nicht ins Wohnheim

Krump weiß, dass ein Wohnheim nicht für alle eine Option ist. Gerade für junge Menschen, die aktiv sind. "Sie brauchen ein barrierefreies oder komplett schwellenloses Bad, schwellenlosen Zugang. Und da schauen wir auf jeden Fall, dass wir da etwas finden." Jungen Menschen wie Rico Wuttke sei es wichtig, nicht außerhalb zu wohnen, sondern mittendrin im Geschehen.

Ein Besuch bei Rock im Park

Rico Wuttke möchte einfach mal in die Stadt gehen, Eis essen, etwas trinken gehen oder ein Festival besuchen. Das Armbändchen aus Stoff von seinem Besuch bei Rock im Park im Jahr 2017 hütet Rico wie seinen Augapfel. Gerne möchte er ein zweites Eintrittsbändchen am Handgelenk tragen. Das wäre möglich – mit einem Betreuer in seinem Alter, der auch mit in der Wohnung wohnt. Das ist allerdings ein weiteres Hindernis bei der Wohnungssuche.

Zeit, das Leben selbst in die Hand zu nehmen

Seit zwei Jahrzehnten lebt Familie Wuttke in ihrer Wohnung in Nürnberg. Früher konnte Rico noch laufen. Ein ganz normaler Junge eben. Bis zufällig seine Krankheit entdeckt wurde. Damals war er drei Jahre alt. Und jetzt ist es für ihn Zeit, sein Leben selber in die Hand zu nehmen. Das sieht Ricos Mutter, Angelika Wuttke, genauso. Aber: "Ich denke, jetzt ist er noch in einem Alter, wo er sich noch leichter umgewöhnt. In zehn Jahren sieht´s dann wieder anders aus. Ich denke, je älter man wird, desto schwerer gewöhnt man sich an sein eigenes Leben. Und, auf der anderen Seite: Er ist trotzdem mein Sohn. Welche Mama lässt ihren Sohn gern gehen?"

Wohnung in Sicht?

Rico Wuttke kann vermutlich bald ausziehen. Es wird wahrscheinlich eine barrierefreie Wohnung frei, die dem Verein für Menschen mit Körperbehinderung gehört. Das Wichtigste: Es ist eine Wohnung mit Aufzug, in den der Rolli passt.

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