Die AfD beim Parteitag in Greding
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Daniel Löb

Drei bayerische AfD-Abgeordnete wollen nach Russland reisen.

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AfD-Abgeordnete wollen zur Präsidentschaftswahl nach Russland

Nächste Woche findet in Russland die Präsidentschaftswahl statt. Wahlbeobachter der OSZE sind nicht zugelassen. Bayerische AfD-Abgeordnete wurden aber offenbar eingeladen. Sie wollen die Einladung annehmen, trotz Kritik aus Fraktion und Parteispitze.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Schon bald soll die Reise losgehen. Dann wollen die bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Jurca, Elena Roon und Ulrich Singer nach Russland reisen. "Wir bewerten die Organisation und den Ablauf der Wahlen in der Russischen Föderation", schreiben sie auf Anfrage des BR, "ob die Wahllokale barrierefrei erreichbar sind, ob Leseschablonen für Blinde in den Wahllokalen zur Verfügung stehen, ob Bürger oder lokale Wahlbeobachter Beschwerden an uns herantragen usw." Primär aber, so schreiben sie es, sei der Zweck der Reise, "die von der Parteilinie unterstützten Forderungen nach einem diplomatischen Dialog umzusetzen".

Die Bundespartei und die AfD-Fraktion sehen das anders. Sie fordern die Abgeordneten auf, nicht nach Russland zu reisen. Eine Diskussion, bei der es sicherlich auch darum gehen dürfte, wie sich die Partei öffentlich zu Russland positioniert.

Einladung aus Russland

Von Anfang: In gut einer Woche, vom 15. bis 17. März, wird in Russland der Präsident gewählt. Internationale Beobachter der OSZE sind nicht zugelassen. Die "Bürgerkammer der Russischen Föderation" hat aber die Abgeordneten der bayerischen AfD eingeladen - als Spezialisten für Wahlen ("specialists on electoral procedures"). Das bestätigen die drei Abgeordneten dem BR.

Westliche Parlamentarier sollen Wahlen Gütesiegel geben

Die Bürgerkammer wurde 2005 gegründet und soll das russische Parlament beraten. Vertreten sind darin Prominente, Intellektuelle und Künstler. Theoretisch soll die Zivilgesellschaft so an politischen Entscheidungen beteiligt werden. Faktisch spielt die Bürgerkammer machtpolitisch aber keine Rolle und gilt auch nicht als unabhängig.

Für Gerhard Mangott, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck, ist deswegen klar: Bei der Einladung der Bürgerkammer geht es um staatliches Interesse. Russlandfreundliche westliche Parlamentarier sollen der Wahl attestieren, ordnungsgemäß abgelaufen zu sein. "Das soll nach innen und nach außen signalisieren: Auch westliche Politiker bescheinigen uns, dass alles richtig abgelaufen ist."

Abgeordnete weisen Kritik zurück

Jurca, Roon und Singer weisen solche Vorwürfe zurück. Sie schreiben dem BR: "Wir glauben, dass in Anbetracht der derzeitigen Situation die russische Regierung nicht ernsthaft an einen legitimierenden Effekt durch den Besuch einiger westlicher Politiker glaubt." Es sei eine Standardaufgabe des Bürgerrats, ausländische "Demokratieexperten einzuladen". Zunächst war geplant, dass der Bürgerrat die Reise auch finanziert. Die Abgeordneten teilen nun mit, dass sie sich entschieden hätten, die Kosten selbst zu tragen, "gerade um Vorwürfen einer Befangenheit keinen Raum zu bieten".

Ob sie sich nach der Wahl öffentlich äußern werden? Das, so schreiben sie, bedinge sich "durch unsere Beobachtungen in Russland".

Kritik aus AfD-Fraktion und Parteispitze

Die Abgeordneten werden auch aus den eigenen Reihen kritisiert. Dem Bayerischen Rundfunk sagen mehrere Mitglieder der bayerischen Landtagsfraktion, sie hielten die Reise für taktisch unklug.

Die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner distanziert sich auf BR-Anfrage deutlich: "Die Fraktion lehnt diese Reise ausdrücklich ab. Sollten die Abgeordneten die Reise zur Wahlbeobachtung antreten, dann reisen sie nicht als Repräsentanten der Fraktion."

Am Montag hat sich auch der Bundesvorstand eingeschaltet und den drei Abgeordneten per Beschluss "dringend" empfohlen, "die vom 13. - 19.03.2024 geplante Reise in die Russische Föderation nicht anzutreten". BR-Informationen zufolge laufen derzeit Gespräche zwischen den Abgeordneten, Bundes- und Fraktionsspitze.

Russlandnähe in der AfD

Der Verdacht, dass Abgeordnete der AfD durch Russland instrumentalisiert werden könnten, dürfte für die AfD zu einem kritischen Zeitpunkt kommen. Gerade erst hat die "Süddeutsche Zeitung" über ein internes Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz berichtet, nach dem die Partei womöglich als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft werden könnte (externer Link, womöglich Bezahl-Inhalt). Darin führt der Nachrichtendienst laut SZ als neuen Punkt auch das "Verhältnis zu Russland" an.

Tatsächlich ist die AfD in der Vergangenheit immer wieder durch eine besondere Nähe zu Russland aufgefallen. Zum Jahrestag des Sieges über Deutschland im Zweiten Weltkrieg nahmen AfD-Politiker im vergangenen Jahr an einem Empfang in der russischen Botschaft teil (externer Link). AfD-Bundestagsabgeordnete sollen einen Verein in Chemnitz unterstützen, der prorussische Propaganda betreibt (externer Link).

Und im bayerischen Landtag arbeitet ein Referent der AfD, der bereits mit engen Verbindungen zu Russland aufgefallen ist.

Krieg verurteilen – und Dialog zu Russland suchen

Die offizielle Parteilinie ist klar: Noch am Tag der Invasion Russlands in die Ukraine hatten die AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla und Alice Weidel den Angriff verurteilt. Er sei durch "nichts gerechtfertigt". Und: "Russland muss die Kampfhandlungen umgehend einstellen und seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen."

Allerdings ist die Partei auch gegen Waffenlieferungen und fordert den Dialog mit Russland aufrecht zuhalten, um zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Die AfD lehnt auch die Sanktionen gegen Russland ab. So steht es seit 2016 auch schon im Grundsatzprogramm der Partei (externer Link). Die AfD setze sich für "ein Ende der Sanktionen und eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland ein".

Konfrontation mit Bundesvorstand

Darauf verweisen auch die drei Abgeordneten Ulrich Singer, Elena Roon und Andreas Jurca. "Wir tragen die von der Partei geforderte Diplomatie und den Dialog nach Russland und vertreten somit die Interessen unserer Partei", schreiben sie in einer Mail an den Bundesvorstand, die dem BR vorliegt.

Am Ende suchen die Abgeordneten die Konfrontation mit dem Bundesvorstand: "Abschließend möchten wir den Bundesvorstand anregen, im Rahmen des nächsten Bundesparteitages eine entsprechende Beschlussvorlage einzubringen, die eine Distanzierung zu Russland fordert, wenn dies inzwischen im Einklang mit der geltenden Parteilinie stehen sollte."

CSU-Fraktionschef Holetschek: "Fünfte Kolonne Moskaus"

Der Vorsitzende der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, kritisiert die Reise der drei Abgeordneten. Sie seien "die fünfte Kolonne Moskaus" und "versuchen die antidemokratische Wahl Putins zu decken und den Völkerrechtsbrecher zu unterstützen."

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