1972: Pünktlich zu den Olympischen Spielen waren die Münchner S-Bahnen voll in Betrieb.
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1972: Pünktlich zu den Olympischen Spielen waren die Münchner S-Bahnen voll in Betrieb.

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50 Jahre S-Bahn: Von der Vorstadt-Bahn zur Stammstrecke

Am 28. April 1972 hat die S-Bahn erstmals Fahrgäste durch die Münchner Innenstadt befördert. Mit ihrem sternförmigen Netz veränderte sie jedoch vor allem das Umland enorm. Heute ist die Stammstrecke die meistbefahrene Bahnstrecke in Europa.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Wer in den 1960er-Jahren vom Dorf Ismaning mit dem Zug nach München fahren wollte, musste seine Fahrt gut planen und den Fahrplan genau studieren. Es gab vier Verbindungen pro Tag – und die waren mit über einer halben Stunde Fahrzeit von Ismaning bis zum Ostbahnhof nicht nur ziemlich langsam, der späteste Zug nach München fuhr bereits vor 20 Uhr ab.

Die Einführung der Münchner S-Bahn am 28. April 1972 brachte kurze Zeit danach nicht nur einen 40-minütigen Taktverkehr, sondern halbierte auch die Fahrzeit. Und das wiederum sorgte dafür, dass aus dem einstigen Bauerndorf erst eine zügig wachsende Vorstadt-Gemeinde wurde und ein paar Jahre später ein bedeutender Medienstandort.

Ismaning ist nur ein Beispiel, wie das S-Bahn-Netz die Landeshauptstadt und vor allem das Münchner Umland verändert hat. Und diese Entwicklung dauert bis heute an.

Mit der Vorstadt-Bahn an den Starnberger See

Ein Blick in die Geschichte des Eisenbahnverkehrs in München zeigt: Schon im 19. Jahrhundert fuhren die Münchnerinnen und Münchner gerne mit den Vorstadt-Bahnen. Diese gingen beispielsweise zum Starnberger See oder ins Isartal hinunter und waren vor allem bei Ausflüglern beliebt.

Aufgrund des rasanten Wachstums der bayerischen Landeshauptstadt entstand schon vor dem Zweiten Weltkrieg die Idee, den Hauptbahnhof und den Ostbahnhof mit einem unterirdischen Tunnel zu verbinden. Das Projekt kam dann kriegsbedingt zum Stillstand und nach 1945 galt es erst einmal, die Stadt wieder aufzubauen. Erst als München im April 1966 den Zuschlag für die Olympischen Spiele 1972 erhielt, wurde der Bau eines S-Bahn-Systems mit einer unterirdischen Stammstrecke beschlossen.

Olympische Spiele 1972: Streckensystem entsteht in Rekordzeit

So kam es dann auch, dass nur 50 Tage nach der Vergabe der offizielle Startschuss für den Bau der Stammstrecke fiel. Das Streckensystem entstand in Rekordzeit und nur sechs Jahre später, am 28. April 1972, war es dann soweit: Erstmals konnten Münchnerinnen und Münchner nicht nur mit der U-Bahn (sie wurde am 19. Oktober 1971 eröffnet), sondern auch mit einer S-Bahn durch die Innenstadt fahren. Zuerst auf der Stammstrecke unter der Innenstadt hindurch, einen Monat später im gesamten sternförmigen Netz bis ins Umland hinaus.

Schon im ersten Jahr übertraf die Zahl der Reisenden mit über 430.000 Fahrgästen die Prognose von rund 240.000 Personen deutlich. Heute fahren durchschnittlich 840.000 Menschen täglich mit der S-Bahn, in der Spitze sogar bis zu 950.000, so aktuelle Fahrgastzahlen der Bahn.

Besuch des Papstes, Gartenbau-Ausstellung, Wiesn - die S-Bahn befördert Millionen

Nach den Olympischen Spielen im Jahr 1972 galt es eine weitere besondere Herausforderung im November 1980 zu meistern, als Papst Johannes Paul II. München besuchte. Zum Gottesdienst auf der Theresienwiese strömten rund 930.000 Menschen, den U-Bahnhof an der Theresienwiese gab es damals noch nicht. Um die vielen Menschen, die fast zeitgleich auf das Gelände wollten, transportieren zu können, lieh sich die Münchner S-Bahn kurzerhand 27 Züge aus Stuttgart und Frankfurt aus.

Drei Jahre später fand die Internationale Gartenbauausstellung (IGA) in München statt. Die S7 brachte die Besucherinnen und Besucher im 10-Minuten-Takt zum Gelände. Und bis heute zum S-Bahn-Alltag gehört auch die An- und Abreise von Wiesn-Besuchern. Der S-Bahnhof Hackerbrücke ist dabei ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für Millionen von Menschen aus aller Welt.

S-Bahn lässt das Münchner Umland wachsen

1985 startete der Bau der Flughafen-S-Bahn – mit 630 Millionen D-Mark das umfangreichste Neubauvorhaben seit 1972. Im März 1992 wurde die Strecke eröffnet, einige Jahre später fuhr dann auch die S1 zum Flughafen. Beide Linien hatten zur Folge, dass auch viele umliegende Gemeinden an das S-Bahn-Netz angeschlossen wurden. Auch wenn sie dadurch nicht zu so bedeutenden Unternehmensstandorten wurden wie Ismaning – sie erlebten ebenfalls ein rasantes Wachstum, bis heute.

Ein wichtiger Meilenstein war in der Geschichte der Münchner S-Bahn auch das 1998 beschlossene 520-Millionen-DM-Programm. Mit neuer Signal- und Stellwerktechnik für die Stammstrecke und dem zweigleisigen Ausbau einiger Streckenabschnitte im Außenbereich wurde die Basis für den 10-Minuten-Takt auf drei Linien geschaffen.

444 Kilometer S-Bahn-Gleise – doch es reicht noch nicht

Statt rund 360 Kilometer zu Beginn umfasst das S-Bahn-Liniennetz heute rund 444 Kilometer. Seit 2004 verkehren drei Linien im 10-Minuten-Takt und durch den Stammstreckentunnel rollen mittlerweile, wenn es gerade nicht zu Störungen kommt, fast alle zwei Minuten S-Bahnen.

Eine Münchner Besonderheit ist dabei der sogenannte "Spanische Bahnsteig": An den Stationen Hauptbahnhof, Stachus und Marienplatz erfolgt der Einstieg über den mittleren Bahnsteig, während die äußeren Bahnsteige nur dem Ausstieg dienen. Das ist auch nötig, denn wer schon einmal zur Rush Hour an der Stammstrecke ein- oder ausgestiegen ist, weiß, wie es da zugeht. Laut Informationen der Bahn ist die Münchner Stammstrecke sogar Europas meistbefahrene Eisenbahnstrecke.

Doch angesichts stetig steigender Fahrgastzahlen kommt das System zunehmend an seine Grenzen. Das langfristige Ziel von Bund, Freistaat und Bahn ist deshalb: Neue Gleise, mehr Züge, modernere Bahnhöfe und umweltfreundliche Technik – damit mehr Menschen die Schiene nutzen und dadurch die Verkehrswende gelingt. Dazu zählt auch das Riesen-Projekt "Zweite Stammstrecke".

  • Zum Artikel: "Zweite S-Bahn-Stammstrecke München - Am Marienhof wird gebuddelt"

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