Lkw-Fahrer sind oft tagelang unterwegs
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Trucker haben einen Knochenjob

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Lkw-Branche: Sorgen, Nöte und Arbeitsbedingungen der Trucker

Schwere Lkw-Unfälle wie jener kürzlich in Fürth lenken den Blick auf die Branche der Fernfahrer. Sie stammen oft aus der Türkei oder Osteuropa und sind tagelang unterwegs. Ein polnischer Fahrer schildert seine Nöte, Sorgen und Arbeitsbedingungen.

Jakub Pajka machte letzten Herbst europaweit Furore für sein "Nein Danke, Herr Premierminister", das er einem britischen Fernsehteam in die Kamera sagte. Damals hatte der britische Premier Boris Johnson wegen des durch den Brexit ausgelösten Fahrermangels um ausländische Fernfahrer geworben, die das Weihnachtsgeschäft auf der Insel retten sollten, aber nicht viel erreicht.

Auch nicht beim 35-jährigen Pajka, der lange in England gefahren war. "Lohnt sich einfach nicht mehr so wie vor zehn, 15 Jahren, denn immer öfter kann ich in einer polnischen Firma ebenso gut verdienen wie in einer ausländischen. Die Löhne beginnen sich anzugleichen."

Die Bezahlung ist unattraktiver geworden

Als durch und durch glücklichen Berufskraftfahrer darf man sich ihn aber deswegen nicht unbedingt vorstellen. Wenn er heute neu starten würde, würde er einen anderen Berufsweg wählen, sagt er. Relativ zu anderen Berufen gesehen sei die Bezahlung nämlich unattraktiver geworden: "Als ich anfing, bedeutete Fernfahrer guten sozialen und auch finanziellen Status, etwa im Vergleich zu Baustellen. Ich verdiente damals etwa doppelt so viel wie in anderen Berufen ohne höhere Ausbildung."

Heute aber könne man auch vor Ort gut verdienen, etwa am Bau im Dauerboomland Polen, wo Arbeitskräfte teils schon fehlen. "Man sieht auch einen Generationswechsel, junge Leute haben eine andere Lebenseinstellung. Sie konzentrieren sich mehr auf Kontakt mit Freunden und Familie, und nicht nur auf Arbeit und Arbeit."

Mobilitätspakt reguliert Arbeitszeiten strenger

Fernfahrer aber sind immer wieder tagelang unterwegs. Pajka arbeitet meist fünf Tage und ist dann zwei Tage zu Hause, oft an Wochenenden, erzählt er. "Aber es gibt auch Firmen, die beschäftigen zwei Wochen am Stück, und dann eine Woche zu Hause." Die immer strengeren Regeln zu den Arbeitszeiten, etwa durch den europäischen "Mobilitätspakt", sieht er trotzdem kritisch.

"Ich verstehe ja, dass es nicht normal ist, einen Fahrer einen oder zwei Monate lang sitzen zu lassen. Aber wenn einer mitmacht, dann doch nicht, weil ihm jemand eine Pistole an den Kopf setzte, sondern weil er etwas leisten will, Geld verdienen, zum Beispiel für ein besseres Leben für seine Kinder."

Der Mobilitätspakt, der auch die Fahrten ausländischer Anbieter in EU-Nachbarländer strenger reguliert und begrenzt, sei eingeführt worden, weil Firmen aus dem "neuen Europa" den Markt zu dominieren begannen, findet Pajak: Polen, Rumänien, Tschechien. "Als wir der EU beitraten, hieß es, Konkurrenz nach gleichen Prinzipien. Jetzt sind die Deutschen und Franzosen aufgewacht und werfen uns Knüppel zwischen die Füße."

Teure Konkurrenz im Westen, billigere Angebote im Osten

Wobei auch Polen anderen Knüppel zwischen die Füße wirft, finden jedenfalls die Ukrainer. Auf Druck der polnischen Transportlobby hatte Polen die Zahl der Einfahrtgenehmigungen für ukrainische Lastwagen gesenkt, trotz brummenden Handels beider Länder.

Die Ukraine reagierte mit einer monatelangen Eisenbahnblockade für nach Polen fahrende Güterzüge aus China, also auf der "neuen Seidenstraße". "Man spürt, dass die Ukrainer viel günstiger sind als wir", gibt Pajka zu. Sein Land und auch seine Trucker-Kollegen sehen sich in einer Art Sandwich-Situation, zunehmend abgewehrt von der teureren Konkurrenz im Westen, unter Druck von der billigeren aus dem Osten.

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Lkw-Fahrer Jakub Pajka

Ein Knochenjob ohne Erholungsphasen

Doch egal, woher ein Trucker kommt und was er verdient: Es ist und bleibt ein Knochenjob, auch psychisch. Vor allem die Kinder litten, sagt der Vater dreier Kinder. Eine Untersuchung des europäischen Transportarbeiter-Verbands zeichnete ein schlechtes physisches wie psychisches Bild von den Truckern, chronisch übermüdet, berge das auch Unfallgefahren.

"Stress und Nervosität, unter denen wir Lkw-Fahrer leiden, kommen auch in anderen Berufen vor, aber der Unterschied ist: Ein Bauarbeiter, ein Journalist oder Polizist kommt, wenn er einen schlechten Tag hatte, nach Hause zurück, zur Familie, kann einen Reset machen und sich erholen. Wir können das nicht, und Erholung auf Parkplätzen ist nicht immer möglich, denn nicht überall fühlen wir uns sicher. Vor allem die Älteren unter uns flüchten in Alkoholkonsum in den Abendpausen. Andere flüchten in Fresssucht, was man bemerken kann: Wenig Bewegung, viel Essen und Alkohol, es gibt viele Wege zum Stressabbau. Andererseits bilden sich gerade solche Facebook-Gruppen und Menschen gehen dazu über, die Pausenzeiten aktiv zu verbringen, Sport treiben, um dem Stress zu begegnen." In polnischer Sprache gibt es neuerdings sogar einen Podcast mit Tipps für ein besseres Leben als Lkw-Fahrer.

Der Vorteil: Menschen aus anderen Ländern kennenlernen

Womit Pajka bei den positiven Seiten wäre. Auch wenn er heute nicht mehr Fahrer werden würde: "Ich denke, es ist schön, authentisch Menschen aus anderen Ländern kennenzulernen. Nicht als Tourist, wo man nur auf Leute trifft, die einen bedienen. Ich lerne Menschen so kennen, wie sie sind. Man kann die Länder mit eigenen Augen sehen, vergleichen, wie dort das Leben ist."

Am Ende des Telefongesprächs, will er den Menschen in Deutschland noch etwas sagen? "Vielleicht einen Appell, dass man den Lastwagenfahrer nicht als einen sieht, der einen Job wegnimmt, sondern als einen, der zwei oder vier Wochen im Lkw sitzt, um seiner Familie in Tschechien, Polen oder Rumänien ein gutes Leben zu ermöglichen."

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