LEMON TWIGS - Everything Harmony        

Das sind in erster Linie die Gebrüder Brian und Michael D‘ Addario aus New York City. Sie machen auch auf ihrem vierten Album verblüffend echt wirkenden Sixties-Retro-Pop zwischen Lovin` Spoonful und den Beach Boys, aber keiner der Songs hier erreicht die Klasse seiner Vorbilder. So richtig ironisch ist dies hier alles auch nicht zu verstehen, dann wären die Lemon Twigs nämlich Foxygen aus LA, die das vor zehn Jahren schon mal viel besser hinbekommen haben. Allein für ihre glaubwürdige Sehnsucht und ihre schrillen Frisuren bekommen die Lemon Twigs aber ein paar Extra-Pünktchen gutgeschrieben. (6,3 von 10 Punkten)

LA PRIEST - Fase Luna

LA Priest heißt eigentlich Sam Eastgate und stammt aus Castle Donington in England, der Stadt der Heavy Metal Festivals. Eine kurze Zeitlang war er mal Frontmann der Britpop-Band Late of the Pier, die großes Potential, aber wenig Umsatz vorzuweisen hatte. Seit 2007 veröffentlicht Eastgate unregelmäßig als LA Priest, wobei das L-A in Großbuchstaben geschrieben wird, so dass ihn manche an der amerikanischen Westküste verorten. Sein größter Erfolg war eine selbstgebaute Drum Machine, die Menschen von Afrika bis Amerika haben wollten. Bei einem Aufenthalt in Mexiko und in Costa Rica hat er nun sein viertes Solo-Album mit lokalen Musikern aufgenommen. Dabei entstanden Songs , die an Reggae, an Hawaii, an Tyrannosaurus Rex oder an Kevin Ayers erinnern. Sind da Drogen im Spiel gewesen? Keine Ahnung. Jedenfalls Kauz-Musik, wie sie sein soll. (6,7 von 10 Punkten)

ATMOSPHERE - So many other Realities exist simultaneously  

Das Duo aus Minneapolis verbindet weißen HipHop mit Indie-Spirit seit 1996. Vor etwa 20 Jahren hatten sie ihre größten Erfolge und erreichten in ihrer Heimat die Top-Ten der Charts. Seitdem haben sie kontinuierlich weitergemacht. Slug und Ant geben einfach nicht auf, auch wenn ihr Sound inzwischen extrem weit entfernt ist von aktuellem HipHop und Trap. Auch das neue Album ist mit 20 Songs wieder randvoll - Atmosphere sind auf dem Weg zur Legende, verdientermaßen. (7,5 von 10 Punkten)

ROOMFUL OF TEETH - Rough Magic           

„The Isle, II: Ariel“ - allein schon an dieser Benamsung wird klar, dass Roomful of Teeth eigentlich keine Popmusik machen, sondern eher Neo-Klassik. Aber es ist eben nicht der übliche Chor, der bekannte Werke einsingt, sondern eher ein experimentelles Ensemble, das sich neue Stücke und Suiten schreiben lässt für ihre Platten. Manchmal ist mir da ein bisschen zu viel Vokalakrobatik dabei, aber immerhin kann die neuköpfige Truppe um den Gründer Brad Wells für sich verbuchen, absolut originell zu sein. (7,2 von 10 Punkten)

ASHER GAMEDZE - Turbulence and Pulse        

Dies ist ein junger Jazz-Schlagzeuger aus Kapstadt, Südafrika. Er und seine sehr versierte Band spielen langsamen bis mittelschnellen Bebop auf Ashers zweiten Album als Bandleader. Der Doppel-LP vorangestellt ist in Statement über die ständige Veränderung der Welt, die er für ein hoffnungsvolles Zeichen hält. Gamedze könnte noch eine wichtige Stimme Afrikas werden. Wir beobachten seine Entwicklung. (7,4 von 10 Punkten)

WESTERMAN - An inbuilt Fault      

Manche nennen es modernen Prog Rock, was der Engländer so macht. Und tatsächlich erinnern seine Songs gelegentlich an das, was Peter Gabriel kurz nach der Trennung von Genesis so fabriziert hat. Aber die wesentlich wichtigere Referenz ist der Amerikaner Bon Iver, der eben auch auf starke Stimmen und komplexe Beats setzt. Westerman schafft es jedenfalls, inmitten dieses Spannungsfeldes einen eignen Sound zu kreieren, was das Album ungeheuer spannend macht - die Empfehlung der Woche! (8,0 von 10 Punkten)

SBTRKT - The Rat Road          

Es war Mitte der Zehner Jahre, da war Aaron Jerome mal der ganz heiße Scheiß. Als SBTRKT war er ein schwer gefragter Remixer und wurde von Radiohead bis Underworld weitergereicht. Aber auch seine eigenen Werke waren so etwas wie State of the Art der elektronischen Musik. Das ging so bis 2016, dann zog sich Jerome frustriert aus dem Business zurück. Der Siegeszug des Streamings und die damit einhergehende Beliebigkeit von Popmusik, die nun vor allem von Algorithmen kuratiert wird, konnte er nicht ertragen. Nun hat man ihn zu einem neuen Album überredet, als Gastsänger*Innen sind Leila, Toro Y Moi und Little Dragon am Start, aber irgendwie ist SBTRKT die Modernität flöten gegangen. Das hat man alles schon mal besser gehört, auch wenn’s immer noch gefällt. (7,0 von 10 Punkten)

UPSAMMY - Germ in a Population of Buildings         

Die Holländerin Tessa Torsing ist ganz und gar eine Frau der Electro-Musik. Ihr zweites Album macht keinerlei Zugeständnisse an Popularität und experimentiert mit Stimmen und Sounds sehr skurril herum. Auch hier wird aufs Angenehmste gekauzt, was meine anfängliche These unterstreicht. (6,5 von 10 Punkten)