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Fahndung der Polizei München: Foto der Überwachungskamera der mutmaßlichen Täter

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#faktenfuchs: Wann die Polizei mit Bildern Tatverdächtige sucht

Manchmal passiert es ganz schnell, manchmal vergehen mehrere Monate nach einer Straftat: Wann dürfen Polizisten einen Verdächtigen öffentlich mit Fotos suchen? Und welche Regeln gelten für Medien? Von Jenny Stern

Mit den Aufnahmen einer Überwachungskamera sucht die Polizei München derzeit nach Unbekannten, die im November 2017 zwei Männer in einem U-Bahnhof verprügelt haben. Der Fall ist Monate her, doch die Beamten schreiben die Fahndung nun öffentlich aus. Einige Facebook-Nutzer fragen sich, warum das so lange dauerte. Ein Mann schreibt in ironischem Ton unter einen geposteten Artikel: "Ging ja mal wieder schnell mit der Öffentlichkeitsfahndung! Sollte die Bevölkerung nicht zu viel von der Realität mitbekommen?"

Die Realität jedoch, sie ist viel einfacher: Die Polizei will den Fall nicht verheimlichen, sie hält sich vielmehr an bestehendes Recht. "Für eine öffentliche Fahndung muss ein richterlicher Beschluss vorliegen. Denn sie greift tief in die Persönlichkeitsrechte ein", erklärt Sven Müller, Sprecher der Münchner Polizei. Da die Eingriffe so gravierend sind, müssen die Beamten bei der Ermittlung zunächst allen anderen Ansätzen nachgehen, ehe sie als letztes Mittel öffentlich nach einer tatverdächtigen Person suchen dürfen.

Hohe Erfolgsquote

Als im vergangenen Jahr zwei Männer einen Obdachlosen am Münchner Hauptbahnhof beinahe angezündet hatten, veröffentlichte die Polizei die Kameraaufnahmen bereits etwa eine Woche später. Zwei Verdächtige wurden schnell gefasst und gestanden die Tat. Die Erfolgsquote bei öffentlichen Fahndungen ist laut Polizeisprecher Müller sehr hoch: Etwa 80 bis 90 Prozent der Fälle würden mithilfe der Öffentlichkeit gelöst. Im vergangenen Jahr habe die Münchner Polizei etwa 15 solcher Fahndungen ausgeschrieben.

"Eine öffentliche Fahndung erhöht die Wahrscheinlichkeit, den Täter zu fassen, enorm", sagt auch der Sprecher des Bayerischen Landeskriminalamts, Carsten Neubert. Je weiter sich die Suche verbreite, desto größer werde die Möglichkeit, "dass irgendwer den Täter kennt, Hinweise geben kann". Neubert ist sich aber ebenfalls des Problems bewusst, dass ein Fahndungsaufruf Menschen verängstigen könnte: "Ein Gesicht verunsichert mehr als ein Text, keine Frage. Es beeinflusst das subjektive Sicherheitsgefühl."

Dennoch, so sagt der Sprecher, würden die Ermittlungsbehörden alles Mögliche dafür tun wollen, um den Täter zu finden und weitere Straftaten zu verhindern - öffentliche Fahndungsaufrufe gehören da dazu. Allein das Landeskriminalamt veröffentlicht im Jahr um die 200. Darunter fallen aber nicht nur Personen, sondern auch Gegenstände. Wenn zum Beispiel Schmuck bei einem mutmaßlichen Räuber gefunden wird, werden davon Bilder veröffentlicht. Die Beamten wollen dadurch herausfinden, an welchen Orten die Person überall eingebrochen sein könnte.

Rechtliche Vorgaben: §131 ff. der Strafprozessordnung

Um einen Tatverdächtigen öffentlich mit Fotos suchen zu dürfen, gibt es laut BR-Rechtsexpertin noch einige weitere Hürden: Die Straftaten, die der Person angelastet werden sollen, müssen zum Beispiel von erheblicher Bedeutung sein. Das heißt, dass sie "mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzurechnen sind, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Rechtsgefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen". Welche Taten genau darunter fallen, legt das Gesetz nicht fest. Der Richter oder die Staatsanwaltschaft müssen jeden Fall einzeln beurteilen.

"Es muss schon ein massives Delikt sein", sagt Polizeisprecher Müller. Diebstahl zum Beispiel reiche nicht aus, um eine öffentliche Fahndung vor der Justiz begründen zu können. Verhältnismäßig selten fahnden die Behörden mithilfe von Bildmaterial aber auch aus einem anderen, simplen Grund: "Voraussetzung ist ja, dass es überhaupt ein Bild gibt, dass eine Überwachungskamera oder ein Zeuge aufgenommen haben", so Sven Müller.

Liegen aber Fotos oder Videoaufnahmen vor, spielen bei einer Entscheidung für oder gegen einen öffentlichen Fahndungsaufruf noch weitere Fragen hinein. Der Sprecher des Landeskriminalamts nennt hierzu Beispiele: "Wie gefährlich ist die Person? Ist der Verdacht so groß, dass er eine Vorverurteilung der Person legitimieren kann? Schließlich ist sie noch nicht rechtskräftig verurteilt. Man muss also abwägen: Reicht es von der Schwere der Tat her?"

Wo wird publiziert?

Laut BR-Rechtsexpertin sollen die Behörden deshalb auch prüfen, in welchen Medien die Öffentlichkeitsfahndung gezeigt werden soll. Denkbar wären eine Zeitungsanzeige, eine Pressemitteilung, Plakate, Handzettel, aber auch die Veröffentlichung in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter.

Medien wiederum können die Aufrufe der Polizei teilen oder Fotos in eigenen Beiträgen veröffentlichen. Sobald der Tatverdächtige gefasst ist, müssen die Ermittlungsbehörden und Medien die Bilder aber sofort wieder löschen. An welcher Stelle ein Aufruf publiziert wird, muss laut dem Sprecher des Landeskriminalamts deshalb gut durchdacht werden. Denn: "Einmal in sozialen Medien veröffentlicht, ist es dort für immer. Das Internet vergisst nicht."