Frau liegt schlaflos neben Partner im Bett
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Über eine Million Menschen in Deutschland leiden unter Schlafstörungen.

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Schlafstörungen: Melatonin als alternatives Schlafmittel?

Deutschland schläft immer schlechter: Laut Daten der Kaufmännischen Krankenkasse leiden rund 1,2 Millionen Menschen bundesweit an Schlafstörungen. Einige davon greifen daher zu rezeptfreien Melatonin-Präparaten, die Abhilfe schaffen sollen.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Am 21. Juni ist Tag des Schlafes. Den finden in Deutschland immer weniger Menschen. In den letzten zehn Jahren sind in der Bundesrepublik die Schlafstörungen um 77 Prozent gestiegen. Diese Schlafstörungen sind in vielen Fällen weder körperlich noch psychisch bedingt. Ursache ist oft eine erhöhte emotionale oder körperliche Anspannung, die weitere Folgen nach sich zieht: Die Betroffenen sind müde, gereizt, nicht mehr so leistungsfähig und sie können sich schlechter konzentrieren.

Die Ursachen erklärt Dora Triché von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin: "Es ist zunehmend so, dass der Schlaf leider an Bedeutung verliert. Menschen definieren sich über Leistung, Arbeit. Sie haben viele Freizeitaktivitäten, die bis spät in den Abend reichen, nehmen sich zu wenig Zeit zum Schlafen." Eine andere Komponente ist, dass unser Leben oft sehr stressig ist. Stress und Schlaf sind aber gar nicht gut miteinander zu kombinieren. Der Schlaf ist ein Zustand der kompletten Entspannung - und das ist nicht möglich, wenn man Stress hat.

Selbstbehandlung mit Melatonin

Viele Menschen wollen jetzt eigenständig ihre Schlafstörungen behandeln und setzten dabei auf Melatonin. Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, welches in der Zirbeldrüse im Zwischenhirn produziert wird. Das Hormon wird nur bei Dunkelheit produziert und regelt so den Tag–Nacht-Rhythmus beim Menschen. Der Höhepunkt der Melatonin-Konzentration wird zwischen zwei und vier Uhr morgens erreicht.

Umgangssprachlich wird Melatonin auch als "Schlafhormon“"bezeichnet. Weshalb dieser Begriff irreführend ist, erklärt Schlafforscherin Dr. Christine Blume: "Ich habe oft das Gefühl, dass 'Schlafhormon' meint 'Das sorgt dafür, dass ich einschlafe', oder als Schlafmittel. Aber dem ist nicht so: Es ist tatsächlich eher das Hormon der Dunkelheit, es signalisiert für den Körper: Jetzt ist biologische Nacht. Es bereitet auf die Nacht und auf den Schlaf vor, führt aber nicht automatisch zum Schlaf oder ist überhaupt notwendig. Wir können ja zum Beispiel auch am Nachmittag ein Nickerchen machen, und da ist gar kein Melatonin produziert und das geht trotzdem."

Niedrig dosiert rezeptfrei erhältlich

Das Hormon Melatonin ist in Deutschland rezeptfrei verfügbar, in Form von Tabletten, Weichgummis oder als Spray. Die Dosis ist bei diesen Varianten relativ gering – die Präparate enthalten Konzentrationen von 0,5 bis 1 Milligramm pro Portion. Selbst verschreibungspflichtige Präparate enthalten oft nur Mengen von bis zu 2 Milligramm pro Tablette, dabei sind 5 Milligramm Melatonin der zugelassene Höchstwert pro Tag. Helfen können diese laut Blume besonders bei Veränderungen der Tag–Nacht–Rhythmen, also etwa bei Personen im Schichtdienst oder bei Jetlag–Erfahrungen.

Dennoch warnt die Forscherin vor Risiken: "Wovon ich abraten würde ist, dass man sich das aus dem Urlaub, zum Beispiel aus den USA, mitnimmt, weil dort andere Standards gelten und wir wissen, dass der tatsächliche Inhalt sehr stark schwankt. Bei einer Angabe von 1 Milligramm ist da manchmal deutlich mehr oder weniger drinnen. Oder andere Zusatzstoffe, die man nicht ohne Wissen einnehmen sollte. Teilweise ist in Studien rausgekommen, dass CBD – der nicht berauschende Teil von Cannabis - drinnen ist und Serotonin – das ist ein Neurotransmitter. Weil es da Wechselwirkungen geben kann zu Medikamenten, sollte man das nicht ohne zu wissen einnehmen."

Kaum Belege für Wirksamkeit von Melatonin

Die Forschungslage zu Melatonin und der Behandlung von Schlafstörungen ist generell noch sehr schwach. Derzeit gibt es nur vereinzelte Studien, die einen positiven Zusammenhang nachweisen können, und selbst dann sind die Ergebnisse sehr bescheiden. Eine Studie der Yale–University in den USA stellte fest, dass bei einer Melatonin-Einnahme die Probanden 8,25 Minuten länger geschlafen haben. Im Vergleich mit der Kontrollgruppe schliefen sie bei einer Zeit von 7.06 Minuten schneller ein.

Andere Studien können diesen oder ähnliche Effekte nicht bestätigen. Dazu sagt Dora Triché, Vorstandsmitglied der DGSM: "Melatonin ist als Medikament bei älteren Menschen zugelassen. Es gibt kaum Evidenzen, dass diese niedrig dosierten Präparaten wirksam sind. Selbst bei höher dosierten Präparten sind Evidenzen schwach. Bei leichten Schlafstörungen kann man Melatonin probieren, aber bei schwereren Schlafstörungen sollte man sich definitiv ärztliche Hilfe suchen."

Entspannung statt Medikamente gegen Schlaflosigkeit

In der Wissenschaft sind bereits andere effektivere Methoden in der Behandlung von Schlafstörungen etabliert. Dora Triché plädiert deswegen offen für Alternativen in der Behandlung von Einschlaf – und Durschlafstörungen: "In der Schlafmedizin ist interdisziplinäres Herangehen sehr wichtig. Die Haupttherapiesäule der Insomnie ist die kognitive Verhaltenstherapie. Man kommt immer mehr davon weg, primär eine medikamentöse Therapie zu beginnen, sonders versucht andere Möglichkeiten anzubieten. Dazu gehört zum Beispiel Körperentspannung, Muskelentspannung, eine psychische Entspannung wie eine Mediation."

Im Video: Melatoninhaltige Mundsprays im Test

Eine Frau gähnt.
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Eine Frau gähnt.

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