Eine Frau schmiert in einem Bad Zahnpasta auf eine Zahnbürste.
Bildrechte: BR/Fabian Stoffers

Auch in Zahnpastatuben können chemische Stoffe stecken, die hormonell wirksam sind.

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Hormonähnliche Stoffe: Wenn die Zahnpastatube krank macht

Viele Kosmetika und andere Alltagsprodukte enthalten Stoffe, die wie Hormone wirken. Diese können Funktionen des menschlichen Körpers stören und krank machen. Allerdings ist schwer festzulegen, ab welcher Dosis sie das tun.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Bei fast jedem Einkauf bekommen wir etwas dazu, von dem wir nichts ahnen und worauf wir wohl gerne verzichten würden: Chemikalien, die unser Hormonsystem beeinflussen. Diese stecken zum Beispiel in Kosmetika, erklärt Johanna Hausmann von der Nichtregierungsorganisation Women Engaged for a Common Future (WECF): "Die Hauptgefahr bei Kosmetikprodukten im Sinne von hormonell wirksamen Stoffen sind die Konservierungsstoffe Parabene und Phthalate als Weichmacher." Diese können auch aus der Packung in die Kosmetikprodukte eindringen, zum Beispiel aus Tuben für Zahnpasta oder Hautcremes. Wenn dieser Weichmacher in das Produkt übergeht, nehmen wir winzige Mengen davon auf. Das gilt für viele Verpackungen, etwa Konservendosen. Die Beschichtung der Innenseite kann die hormonwirksame Substanz Bisphenol A enthalten.

Bisphenol A (BPA) ist bisher nur in Babyfläschchen und Kassenzetteln verboten. Dort ersetzt die Industrie den Stoff oft durch andere Bisphenole, die nach wissenschaftlichen Daten ähnlich wirken, erläutert Alexandra Caterbow von der Nichtregierungsorganisation Health and Environment Justice Support (HEJSupport): "Es gibt auch noch BPF, BPS und so weiter. Die sind fast gleich, wurden aber nicht verboten. Da sollte man einen Gruppenansatz wählen, damit man keine Ersatzstoffe hat, die genau das gleiche Desaster anrichten."

Europäer sind zu stark mit Bisphenol A belastet

Bisphenol A steckt zum Beispiel auch in Mehrweg-Plastikflaschen und Wasserleitungen aus Kunststoff. Alarmierend sind neue Daten der Europäischen Umweltbehörde: Wir alle haben so viel Bisphenol A im Körper, vor allem im Blut, dass es der Gesundheit schadet. Dazu kommen andere hormonwirksame Chemikalien aus Pestiziden, Sonnencremes, Textilien, Reinigungsmitteln oder Reifenabrieb.

Dem Hormonspezialisten Josef Köhrle, Direktor des Instituts für Experimentelle Endokrinologie des Berliner Universitätsklinikums Charité, macht das Sorgen, denn sie können bei Menschen und beim Tier zur Veränderung der Schilddrüsenhormonfunktion führen: "Das wirkt sich dann auf die Gehirnentwicklung, den Intellekt und den IQ-Quotienten aus, oder auch auf das Wachstum und verschiedene Körperfunktionen." In der letzten Zeit seien eine ganze Reihe von endokrin aktiven Substanzen in die Diskussion geraten, sagt Köhrle. Sie stehen unter dem Verdacht, an der Entstehung von Volkskrankheiten wie Adipositas (übermäßiges Gewicht) oder auch entsprechenden Folgeerscheinungen wie Diabetes oder Bluthochdruck beteiligt zu sein.

Hormonähnliche Stoffe beeinträchtigen Fruchtbarkeit

Auch die Fruchtbarkeit wird beeinträchtigt: Spermien werden durch solche chemischen Stoffe vom Weg zur Eizelle abgelenkt. Etwa 800 solcher Substanzen soll es laut Weltgesundheitsorganisation WHO geben. Sie zu verbieten oder die Verwendung einzuschränken, ist jedoch schwierig. Die Hersteller sagen zum Beispiel, es sei nicht gesagt, dass wir so viel von diesen Substanzen aufnehmen, dass es uns wirklich schadet.

Gerd Romanowski, Geschäftsführer beim Verband der Chemischen Industrie (VCI), fordert: "Es muss im Einzelnen bewertet werden: Wird tatsächlich die Konzentration erreicht, die die schädliche Wirkung verursacht? Oder ist es nur eine theoretische Annahme, dass ein Stoff, der erst in sehr hohen Konzentrationen schädlich wirkt, auch bei Menschen Schäden hervorrufen kann?" Es müssten Tierversuche gemacht und Grenzwerte festgelegt werden. "Erst dann kann man diese Stoffe regulieren, aber nicht, indem man sagt: Alle hormonwirksamen Stoffe müssen verboten werden."

Die EU wird zukünftig viele dieser Substanzen in vier verschiedene Gefahrenklassen einstufen. Ein Fortschritt, findet Alexandra Caterbow von HEJSupport. Denn sobald man die Möglichkeit habe, diese einzugruppieren, könne man sie auch regulieren. Zum Beispiel in anderen Gesetzgebungen wie einer Spielzeugverordnung, die alle hormonschädigenden Stoffe einer bestimmten Kategorie generell verbietet.

Dieser Artikel ist erstmals am 26. September auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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