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Wasserflaschen in einer Kühlvitrine in einem Kiosk in München

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#Faktenfuchs: Schädigen Plastikflaschen unsere Gesundheit?

Sie soll gefährlich sein, weil sie gesundheitsgefährdende Stoffe ans Getränk abgibt: Nur eine Annahme unter vielen, die sich hartnäckig um die Plastikflasche rankt. Doch stimmt sie überhaupt und was sagt die Wissenschaft dazu? Von Jenny Stern

Mit einem Bild mehrerer Plastikflaschen berichtete die Tagesschau auf Facebook von einer Umweltschutz-Kampagne aus England. Bei der Aktion, die mittlerweile auch viele bayerische Städte erreicht hat, können Passanten ihre Trinkflaschen in Cafés und Geschäften gratis auffüllen. So soll vermieden werden, dass sie sich unterwegs Plastikflaschen kaufen und gleich nach dem Austrinken wieder wegwerfen. In den Kommentaren verwies eine Nutzerin jedoch auf wissenschaftliche Studien und wendete ein: "Soll doch extrem gesundheitsschädlich sein, Plastikflaschen nochmals zu verwenden und immer wieder aufzufüllen."

Unter den Trinkflaschen hat Plastik einen schlechten Ruf - anders als Materialien wie etwa Glas, Aluminium oder Edelstahl. Plastik-Einweg- und Mehrwegflaschen bestehen in der Regeln aus PET, also Polyethylenterephthalat. Diesem Stoff wird nachgesagt, er würde gefährliche Stoffe an das Getränk abgeben. Frank Welle vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung untersucht genau diese Wechselwirkungen und erklärt: Zwar wandern tatsächlich Stoffe aus dem Kunststoff in das Getränk. Das sei bei allen Verpackungen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, zwangsläufig der Fall. Aber - und das betont er:

"Die Konzentrationen der gemessenen Substanzen sind so niedrig, dass sie in keiner Weise gesundheitsgefährdend sind. Sonst dürfte das Produkt überhaupt nicht auf den Markt." Frank Welle vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung

Keine Weichmacher, kein Bisphenol A

Solche Stoffe sind zum Beispiel Acetaldehyd oder Antimon. Werden PET-Flaschen über längere Zeit gelagert oder liegen direkt in der Sonne, kann das Wasser danach leicht chemisch schmecken. Bedenklich sei das in den geringen Mengen aber nicht. Deutlich mehr Acetaldehyd stecke in vielen anderen Lebensmitteln, zum Beispiel in Brot, Orangensaft oder Wein. Auch bei einem weiteren gängigen Vorwurf gegen die PET-Flasche, sie würde Weichmacher enthalten, winkt der Verpackungsexperte ab:

"In PET-Flaschen sind keine Weichmacher. Das wäre kontraproduktiv, denn man will die Flaschen hart haben, um sie stapeln zu können." Frank Welle vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung

Umstrittene Studie von 2009

Besonders in Verruf geriet die PET-Flasche nämlich 2009, als die Universität Frankfurt am Main eine Studie zu Mineralwasser verschiedener Hersteller herausgab. Die Wissenschaftler gaben an, Substanzen mit hormonähnlicher Wirkung entdeckt zu haben - und zwar in PET-Flaschen. Frank Welle hat sich die Studie angeschaut und wendet ein: "Die Konzentrationen waren in Glas und PET gleich, wenn dasselbe Wasser drin war." Man könne also nicht darauf schließen, dass die hormonähnlichen Substanzen aus dem PET stammten. Zu einem ähnlichen Schluss kommt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR):

"Der Vergleich zwischen Mineralwässern aus PET-Flaschen und solchen aus Glasflaschen zeigte keinen Unterschied hinsichtlich der in Zellkulturen gemessenen östrogenen Aktivität. Daher ist nicht davon auszugehen, dass diese geringe Aktivität auf die PET-Flaschen zurückzuführen ist." Das BfR auf seiner Webseite über die Frankfurter Studie

Als die Frankfurter die Studie zwei Jahre später wiederholten, kamen sie auf deutlich niedrigere Ergebnisse und auch andere Forscher konnten die Studie nicht reproduzieren. Frank Welle zweifelt deshalb daran, dass die Messungen korrekt abliefen. "In PET sind weder Hormone noch hormonähnliche Substanzen wie etwa Bisphenol A enthalten", sagt er.

PET-Flaschen mehrmals verwenden?

Bei der Herstellung von PET werden laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung, das beim Landwirtschaftsministerium angesiedelt ist, keine Weichmacher oder andere hormonähnliche Stoffe wie Bisphenol A eingesetzt. Und auch die Verbraucherzentrale Bayern schließt sich dieser Einschätzung an. Die Migration von Substanzen wie Acetaldehyd andererseits könne tatsächlich zu unerwünschten Änderungen im Geschmack oder Geruch führen, sagt eine Sprecherin. Gesundheitlich bedenklich sei das aber nicht.

Es spreche auch nichts dagegen, seine Trinkflasche zum Beispiel auf einer Radltour wieder aufzufüllen, sagt Welle vom Fraunhofer-Institut. Jahrelang sollte man das trotzdem nicht tun, aber aus einem anderen Grund: "Da man die Flasche meist nicht heiß genug ausspült, können sich Bakterien festsetzen." Das mag unhygienisch sein, doch aus dem Kunststoff kommen durch die Abnutzung aber nicht mehr Stoffe in das Getränk.

Mitbewohner Mikroplastik

Einen bisher kaum beachteten Mitbewohner in Getränken haben vor kurzem Forscher der Universität Münster ausgemacht: Sie haben Mineralwasserflaschen aus Glas, PET und Getränkekartons untersucht und in allen Proben Mikroplastik gefunden. Die meisten Teilchen schwammen in Mehrwegflaschen aus PET und Glas, während die Rückstände in Einwegflaschen geringer waren. Die Wissenschaftler nehmen deshalb an, dass sich die Innenwände der Flaschen durch die vielfache Wiederverwendung aufrauen (PET-Flaschen werden etwa 15 bis 25 Mal verwendet) und sich dadurch die Partikel lösen.

Diese Annahme erkläre aber kaum, warum sie sich ebenfalls in den Glasflaschen ansammeln, sagt Welle vom Fraunhofer-Institut. Er vermutet, dass die Teilchen beim Spülen der Mehrwegflaschen hinzugekommen sein könnten. Welchen Einfluss Mikroplastik auf den Menschen hat, ist im Gegensatz zu Substanzen wie Acetaldehyd oder Antimon bisher noch kaum erforscht.