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Imker vor seinen Bienenkästen

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Schwächen wir unsere Bienen durch falsche Haltung?

Wie sieht eigentlich die artgerechte Haltung von Bienen aus? Jedenfalls nicht so, wie das in Deutschland häufig praktiziert wird, kritisiert der Biologe Torben Schiffer.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Um die Varroamilben in Schach zu halten, behandeln Imker ihre Bienen mehrmals im Jahr mit organischen Säuren. Durch die Säurebehandlung wird zwar eine große Anzahl der Varroamilben im Volk abgetötet. Doch es gibt Milben, die das überleben. Sie sind dann die vitalsten und resistentesten ihrer Art - Darwins "Survival of the Fittest" lässt grüßen. Aus diesen fitten Milben geht dann im darauffolgenden Jahr die nächste Generation hervor.

"So betreiben wir eigentlich ungewollt eine Vitalitätszucht für Varroamilben." Torben Schiffer, Biologe und Bienenhalter

Der Biologe und Bienenforscher Torben Schiffer beobachtet zudem, dass die Behandlung womöglich auch an den Bienen nicht spurlos vorübergeht: Es gibt Bienen, die sich offenbar selbst ihre Fühler vom Kopf reißen; auch anderen Imkern ist das Phänomen bekannt. Schiffer vermutet einen Zusammenhang mit der Varroa-Behandlung.

Der Bücherskorpion, ein natürlicher Feind der Milbe, wurde mit ausgelöscht

Die Varroamilbe ist ein eingeschleppter Parasit und hat hier keine natürlichen Gegenspieler. Doch Versuche zeigen, dass unser Bücherskorpion die Milbe nicht verschmäht. Das Tierchen ist winzig und gehört wie die Varroamilbe zur Klasse der Spinnentiere. Noch bis ins 20. Jahrhundert war der Bücherskorpion in europäischen Bienenbeuten zu finden. Vermutlich lebt er seit Urzeiten in einer Art Symbiose mit Bienen und hält ihnen Schädlinge vom Leib. Doch durch den Wirkstoff bei der Bekämpfung der Varroamilbe geht auch der Bücherskorpion gleich mit ein. Unwissentlich haben die Imker den Skorpion flächendeckend aus den Bienenstöcken Europas ausgelöscht.

"Das ist besonders tragisch, da der Bücherskorpion besonders effektiv gegen die Varroamilben vorgeht und auch gegen andere Schädlinge im Bienenstock." Torben Schiffer, Biologe und Bienenhalter

Torben Schiffer ist nun überzeugt: Eine genügend große Anzahl Skorpione in einer Bienenbeute könnte die Parasiten so stark dezimieren, dass sie nicht zu einer ernsten Gefahr werden. In Schiffers Laborversuchen mit dem Skorpion haben erwachsene Tiere bis zu neun Milben am Tag vertilgt. Doch die ersten Versuche, die Bücherskorpione in Bienenvölkern auszusetzen, scheiterten. Die Tiere starben regelmäßig. Der Grund: Moderne Beutensysteme sind im Inneren zu feucht. Auch offene Böden und die Standorte der Beuten direkt auf feuchten Wiesen ermöglichen ein Klima, in dem Schimmelpilze gut gedeihen, der Skorpion aber nicht existieren kann.

Was ist für die Bienen wichtig, damit sie überleben?

Werden Bienenvölker in handelsüblichen Standardbeuten gehalten, können diese zum Beispiel mit geschlossenen Böden und Deckeln und mit einer dicken Hobelspanschicht umgerüstet werden, um Bienen und Bücherskorpione ein günstigeres Umfeld zu bieten. Doch nicht nur der Bücherskorpion hilft den Bienen. Manche von Schiffers Bienenvölkern betreiben ein intensives "Grooming". Das heißt: Die Bienen befreien sich gegenseitig von Varroen und anderen Parasiten. Solche Völker bringen aber weniger Honigertrag und werden deshalb von vielen Imkern als "faule" Bienen betrachtet und aufgelöst.

Torben Schiffer kritisiert Imker

Für Torben Schiffer ist nicht nur diese Praxis einer der vielen Missstände in der Bienenhaltung. Er fordert einen Paradigmenwechsel.

"Die Imker verzüchten die Bienen nach ihren Vorstellungen. Ein Bienenvolk soll sanft sein, das soll nicht schwärmen, das soll auf der Wabe sitzen bleiben, wenn der Imker das auseinandernimmt. Das soll 50 Kilo Überschuss produzieren, und es soll am Ende nicht krank werden, auch wenn es unter schimmligen Bedingungen lebt. Also wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Wir müssen uns erst mal fragen: Was ist für die Bienen wichtig, damit die überleben? Und nicht: Was ist für den Imker wichtig, damit er noch mehr Ertrag machen kann?" Torben Schiffer, Bienenforscher