Der Mond, aufgenommen von ESA-Astronaut Thomas Pesquet von der Internationalen Raumstation ISS.
Bildrechte: ESA/NASA–T. Pesquet

So nah und doch so fern? Ganz im Gegenteil: Der Mond ist wieder ein beliebtes Reiseziel für die Raumfahrt, auch für astronautische Mondlandungen.

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Komplexe Missionen: Warum alle Welt zum Mond möchte

In Bayern entsteht ein Mondmissions-Kontrollzentrum, China und die USA wollen Menschen zum Mond schicken, andere Länder erstmals eine Mondlandung schaffen. Warum ist der Mond als Reiseziel für die Raumfahrt wieder so beliebt?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Dem Unternehmen Intuitive Machines ist in der Nacht zum 23. Februar 2024 die erste kommerzielle Landung auf dem Mond geglückt. Gleichzeitig war es die erste US-Mondlandung seit mehr als 50 Jahren. Der US-Firma Astrobotic Technology war dies hingegen kurz zuvor misslungen: Wegen eines Treibstofflecks und Problemen mit den Solarzellen war eine sanfte Landung des Raumfahrzeugs Peregrine auf der Mondoberfläche nicht möglich, teilte das Unternehmen am 9. Januar 2024 mit. Nur wenige Tage später, am 19. Januar, setzte Japan mit dem Smart Lander for Investigating Moon (SLIM) auf der Oberfläche des Erdtrabanten auf. Allerdings landete dieser in einer etwas unglücklichen Position. Indien gelangt mit Chandrayaan-3 am 23. August 2023 eine erfolgreiche Landung auf dem Mond. Russland dagegen war mit Luna-25 kurz zuvor gescheitert.

Mond galt als "abgehakt" - doch das ändert sich gerade

Jahrzehntelang galt der Mond als "abgehakt", nachdem die USA den Wettlauf ins All gegen die Sowjetunion mit der ersten astronautischen Mondlandung im Jahr 1969 gewonnen hatten. Doch seit einiger Zeit ist unser Erdtrabant so populär wie noch nie.

Neben Nationen, die zum ersten Mal mit unbemannten Raumfahrzeugen auf dem Mond landen wollen – Indien ist erst das vierte Land, dem dies gelang – planen die USA und China komplexe astronautische Mondmissionen jenseits einer kurzen menschlichen Stippvisite. Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat allerdings die geplante Rückkehr von Astronauten zum Mond am 9. Januar 2024 um fast ein Jahr auf September 2026 verschoben. Betroffen ist auch ein geplanter Vorbereitungsflug mit einer bemannten Umrundung des Erdtrabanten. Dieser soll nun im September 2025 stattfinden.

Aber was wollen eigentlich alle wieder auf dem Mond – und warum scheint das so viel komplizierter zu sein als vor über einem halben Jahrhundert zu Zeiten der Apollo-Missionen?

Wassereis am Südpol: Deshalb ist der Mond wieder ein Reiseziel für die Raumfahrt

Während die astronautischen Missionen des Apollo-Programms Regionen nahe des Mondäquators zum Ziel hatten, richtet sich das Interesse der Raumfahrt derzeit hauptsächlich auf den Südpol des Mondes: "Ich glaube, das ist hauptsächlich der Tatsache geschuldet, dass wir nahe den Polen vermutlich Wassereisablagerungen entdeckt haben", sagt Harald Hiesinger von der Universität Münster.

Mit Wasser auf dem Mond könnte man nicht nur potenzielle menschliche Besucher versorgen – entweder mit Wasser oder mit Sauerstoff, der aus dem Wasser gewonnen werden kann. Mit Wasser ließe sich auch Raketentreibstoff herstellen: Der wäre nicht nur nützlich, um den Mond selbst weiterzuerkunden oder zurück zur Erde zu fliegen, sondern am besten gleich noch weiter zum Mars.

Der Mond als Übungsobjekt für eine Reise zum Mars

"Immer, wenn man heutzutage über den Mond redet, ist der Mars auch im Fokus", sagt Thomas Uhlig vom Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen. "Ich kann auf dem Mond Fähigkeiten und Technologien entwickeln und testen, die man braucht, um weiter in das Universum vorzudringen, in Richtung Mars." Bevor man Menschen auf eine monatelange Reise zu unserem äußeren Nachbarplaneten schickt, bietet sich der Mond als Übungsobjekt quasi direkt vor der Haustür an.

Neben der Entwicklung neuer Technologien für die Raumfahrt ist aber auch das wissenschaftliche Interesse an unserem Mond ungebrochen: "Der Mond lässt uns viel weiter in die Geschichte des Sonnensystems zurückblicken, als man das hier auf der Erde jemals tun könnte", sagt Harald Hiesinger. Denn auf der Erde sorgen die Prozesse der Plattentektonik dafür, dass sich die Erdoberfläche ständig erneuert und so Spuren der fernen Vergangenheit auslöscht.

Das Mondgestein, das die Apollo-Astronauten vor rund fünfzig Jahren zurück zur Erde brachten, wird bis heute erforscht – Nachschub wäre hochwillkommen. Deshalb sind geologische Kenntnisse schon heute Teil von Astronautentrainingsprogrammen, auch für Astronauten der Europäischen Weltraumagentur ESA. "Wir gehen nach Lanzarote, wir gehen nach Norditalien und unter anderem auch natürlich ins Nördlinger Ries, wo schon einige Apollo 14- und Apollo 17-Astronauten trainiert haben", sagt Harald Hiesinger.

Moderne Mondmissionen sind hochkomplex

Während die Apollo-Astronauten die relativ ebenen Flächen in der Äquatornähe angesteuert haben, ist der Südpol des Mondes von tiefen Kratern und Unebenheiten durchzogen. "Sie können sich vorstellen, wenn Sie einen Mondlander haben, der vielleicht einen Fußabdruck von sechs Metern hat, und der landet jetzt auf einer schiefen Ebene, dann kippt er um. Das heißt also, dass man die Fähigkeit haben muss, eine sogenannte Hochpräzisionslandung durchzuführen", sagt Nico Dettmann von der ESA.

Das Landemanöver auf dem Mond ist aber nur ein Teil moderner Mondmissionen. Während Länder wie Indien und Japan dies noch mit unbemannten Sonden üben, denken die USA und China schon sehr viel weiter: Beide Länder wollen in den nächsten Jahren astronautische Missionen zur Mondoberfläche schicken. So hat China publik gemacht, bis 2030 eine bemannte Mondlandung durchzuführen und danach eine bemannte Forschungsstation in der Südpolregion des Mondes aufzubauen. Vorher stehen noch diverse unbemannte chinesische Mondmissionen an.

Die USA verfolgen mit dem Artemis-Programm ein ähnliches Ziel. Doch so einfach wie zu Apollo-Zeiten – eine Rakete, ein Raumschiff, eine Mondlandefähre – wird Artemis nicht werden: "Die Missionen sind jetzt auch wesentlich komplexer. Ich will jetzt ja nicht bloß mit einer Mondfähre am Mond landen, meine Fahne da hereinstecken und dann wieder zurückfliegen", sagt Thomas Uhlig vom Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum.

Stattdessen ist für Artemis eine neue Raumstation geplant, ein Lunar Gateway, von dem aus Astronauten zur Mondoberfläche reisen können. Diese Raumstation allein benötigt mehrere Flüge, um die Infrastruktur aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Die Mondlandefähre würde separat zum Mond geflogen werden. In der Südpolregion soll Infrastruktur entstehen, welche den Astronauten bei der Erkundung des Mondes helfen wird.

Eine erste astronautische Mondlandung planen die USA für Ende 2025, noch ohne Lunar Gateway als Zwischenstopp. Und zunächst muss auch noch die Starship SpaceX-Rakete, die später als Mondlander weiterentwickelt werden soll, für Flüge in erdnahe Umlaufbahnen qualifiziert werden. Die Nase vorne haben zwar im Moment noch die USA, so Nico Dettmann, aber: "Ich glaube, dass es einen erneuten Wettlauf der bemannten Landung zwischen den USA und China gibt."

Ein Kontrollzentrum für Mondmissionen in Oberpfaffenhofen und die Ariane 6 als Mondrakete

Die Europäische Weltraumorganisation ESA ist am Artemis-Programm der USA beteiligt. Die ESA steuert das in Deutschland gebaute European Service Module für die Flüge der Artemis-Missionen bei: Dabei handelt es sich um das Versorgungsmodul für das Raumschiff Orion. Außerdem wird die ESA Module für die Lunar-Gateway-Raumstation in der Mondumlaufbahn beisteuern, beispielsweise ein Forschungs- und Wohnlabor oder das Mondkommunikationsterminal. "Für diese Beiträge am Lunar Gateway soll das Kontrollzentrum und das Ingenieurszentrum - also die Hotline für die NASA, wenn es etwa mit diesem Mondkommunikationsterminal Probleme gibt – bei uns am Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen sein", sagt Thomas Uhlig.

Zwar sind mit der NASA derzeit bereits Flüge europäischer Astronauten zum Mond vereinbart. Als mögliche Kandidaten dafür gelten auch die Deutschen Alexander Gerst und Matthias Maurer. Doch das gilt nur für Reisen zum Lunar Gateway. Ein Trip zur Mondoberfläche ist derzeit nicht vorgesehen.

Doch auch Europa möchte zum Mond fliegen. Auf der Ministerratskonferenz im November 2022 haben die Mitgliedsländer beschlossen, dass auch Europa einen eigenen Lander entwickeln soll. Dieses Mondlandegefährt trägt den Namen "Argonaut" und soll dabei helfen, die Infrastruktur im Rahmen des Artemis-Programms auf der Mondoberfläche aufzubauen. Zum Mond befördert werden soll der Argonaut-Lander mit einer Ariane-6-Rakete. Derartige Missionen wären unbemannt, auf eine Landung europäischer Astronauten wäre die ESA zunächst noch auf die USA angewiesen.

"Aber die Frage ist, ob im Zusammenhang mit globalen Abhängigkeiten und Unabhängigkeiten es nicht sinnvoll ist, dass auch Europa selbstständig sein kann. Das soll nicht heißen, dass wir unabhängig von internationaler Kooperation agieren wollen. Aber zumindest die eigene Fähigkeit zu haben, ist etwas, was wir uns genau überlegen sollten", sagt Nico Dettmann. "Da fehlt im Moment noch die politische Entscheidung, aber es wird diskutiert."

Einige offene Fragen

Somit sind zwar derzeit noch einige Dinge unklar: Wird Japan Anfang 2024 die fünfte Nation, der eine sanfte Mondlandung gelingt? Können die Ressourcen am Südpol wirklich genutzt werden? Wer wird den neuen Wettlauf zum Mond gewinnen und dort vielleicht sogar eine Mondstation errichten? Klar ist: Unser Erdtrabant wird sich auf häufigere Besuche einstellen müssen – die eine oder andere Bruchlandung wahrscheinlich inklusive.

Dieser Artikel ist erstmals am 10. Januar 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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