Unter dem Begriff Rheuma werden über 100 verschiedene Erkrankungen zusammengefasst. Chronische Schmerzen in den Gelenken, Sehnen, Knochen und Muskeln sind dabei die häufigsten Symptome. Allerdings können sogar Gefäße, innere Organe, die Augen oder die Wirbelsäule von Rheuma betroffen sein. Meist tritt die Erkrankung im Erwachsenenalter auf. Aber eben nicht nur. Zwischen 20.000 und 25.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden an Rheuma.
In Garmisch-Partenkirchen befindet sich Europas größte Spezialklinik zur Behandlung von rheumakranken Kindern und Jugendlichen. BR-Reporterin Monika Haas hat sie anlässlich des Welt-Rheuma-Tages am 12. Oktober besucht. Hier Antworten zu Fragen über Rheuma im Allgemeinen und bei Kindern und Jugendlichen im Besonderen.
Was ist Rheuma?
Im engeren Sinne handelt es sich bei Rheuma um Entzündungserkrankungen, die durch das Immunsystem ausgelöst werden, welches den eigenen Körper angreift. Die verschiedenen Erkrankungen lassen sich laut Experten, zum Beispiel der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e.V., der bundesweit größten Selbsthilfeorganisation für Rheumakranke, nach ihrem Erscheinungsbild in vier Hauptgruppen einteilen.
Rheuma ist nicht gleich Rheuma: Die vier Hauptgruppen
- Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen treten die ersten Symptome meist schleichend auf: Mehrere Gelenke, oftmals Finger und Zehen, sind über einen Zeitraum von mehreren Wochen geschwollen. Typisch für diese Erkrankungsform ist der Ruheschmerz in der zweiten Nachthälfte oder am Morgen und die Gelenksteifigkeit. Die häufigste Erkrankungsform in dieser Gruppe ist die rheumatoide Arthritis.
- Bei den sogenannten degenerativ-rheumatischen Erkrankungen sind Gelenkknorpel oder Wirbelsäule beschädigt oder krankhaft verändert. Betroffene können sich schlecht bewegen, haben Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Sie klagen oft über "Anlaufschmerzen" - etwa, wenn sie vom Bett aufstehen. Sie müssen erst in Bewegung kommen, sich "einlaufen". Im Gegensatz zu den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen treten die Schmerzen in Ruhephasen ohne Belastung eher nicht auf. Die bekannteste Form in dieser Gruppe der degenerativ-rheumatischen Erkrankungen ist die Arthrose.
- Chronische Schmerzsyndrome des Bewegungsapparates gehören ebenfalls zu einer Gruppe der Rheumaerkrankungen. Chronische Rückenschmerzen fallen darunter, ebenso wie die chronische Schmerzkrankheit Fibromyalgie oder der sogenannte "Tennis-Ellbogen". Das Typische hier ist: Weichteilgewebe und Muskeln, Sehnenansätze und Sehnenscheiden sowie die Schleimbeutel sind meist nur in einer Körperregion - und meist bedingt durch Überlastung - gereizt und schmerzen.
- Stoffwechselerkrankungen mit rheumatischen Beschwerden bilden die vierte Hauptgruppe der Rheumaerkrankungen. Dazu gehören zum Beispiel die Gicht und die Osteoporose. Bei der Osteoporose kommt es durch die Störung des Knochenstoffwechsels zu Knochenbrüchen und so zu Schmerzen. Bei der Gicht, einer Störung des Harnsäure- oder Purin-Stoffwechsels, kommt es durch einen Harnsäureüberschuss im Körper zu Gichtanfällen, die Schmerzen verursachen
Welche Rheuma-Erkrankungen können bei Kindern auftreten?
Von den schätzungsweise bis zu 25.000 Kindern und Jugendlichen, die in Deutschland an Rheuma leiden, haben laut dem Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie, der europaweit größten Spezialklinik in Garmisch-Partenkirchen für rheumakranke Kinder und Jugendliche, die meisten, etwa 15.000, eine Form des kindlichen Gelenksrheumatismus, die sogenannte Juvenile idiopathische Arthritis. Mediziner unterscheiden dabei zwischen chronischem und akutem Gelenksrheumatismus.
Akute Formen des Gelenksrheumatismus bei Kindern werden meist durch Infektionen ausgelöst. Viren oder Bakterien, die eine solche, zu einer Gelenkentzündung führende überschießende Reaktion des Immunsystems auslösen, sind laut Garmischer Spezialklinik zum Beispiel: das Rötelnvirus, Salmonellen oder die durch Zecken übertragenen Borrelien. Die akuten rheumatischen Gelenkentzündungen halten oft nur Tage oder wenige Wochen an. Gelegentlich können sie aber auch über Monate oder sogar ein bis zwei Jahre andauern und mehrfach aufflackern. Die akuten Formen einer Arthritis sind etwa zehnmal häufiger als die chronischen Verläufe.
Chronisch rheumatische Gelenkentzündungen dagegen können zwar manchmal auch im Rahmen einer Infektion erstmalig in Erscheinung treten (sogenannter "Trigger"), sie beginnen aber meist ohne erkennbare äußere Ursache. Manchmal entwickeln sich die ersten Krankheitszeichen so schleichend, dass im Nachhinein der genaue Beginn nicht mehr sicher festgestellt werden kann. Bei manchen Kindern bleibt die Erkrankung sogar über Wochen, Monate oder gar Jahre unerkannt.
Neben den chronischen und akuten Gelenksentzündungen bei Kindern gibt es noch zahlreiche, zum Teil sehr seltene rheumatische Erkrankungen bei Kindern. Kollagenosen, also entzündliche Erkrankungen des Bindegewebes, sind ein Beispiel dafür. Oder sogenannte Vaskulitiden, verschiedene Erscheinungsbilder durch Entzündung des Gefäßsystems, können bei Kindern auftreten. Weitere Informationen zu Krankheitsbildern hat die Garmischer Klinik auf ihrer Webseite zusammengestellt.
Wie kann ich Rheuma bei Kindern erkennen?
Die Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V. gibt Eltern und Betroffenen folgende Hinweise, worauf sie bei ihren Kindern genau achten sollten, um eine mögliche Rheumaerkrankung festzustellen:
- Sind Gelenke zu warm, geschwollen und am Morgen steif?
- Hat das Kind Schmerzen, besonders beim Aufstehen?
- Hinkt es, weil es ein Bein schonen möchte?
- Möchte das Kind wieder auf den Arm, obwohl es längst laufen kann?
- Hat sich der Griff verändert oder stützt sich das Kind anders ab als sonst?
- Bereitet das Kauen oder Öffnen des Mundes Schmerzen?
Weitere Warnsignale für eine Rheumaerkrankung können sein: eine Schonhaltung, ein veränderter Bewegungsablauf sowie eine Augenentzündung ohne Juckreiz oder Schmerzen. Insbesondere bei kleineren Kindern ist auf äußere Anzeichen zu achten, da sie ihre Schmerzen nicht immer äußern.
Was kann bei Rheuma helfen? Die möglichen Therapien
Die Therapie bei Rheuma im Kindesalter beginnt in der Regel mit sogenannten nichtsteroidalen Antirheumatika. Das sind kortisonfreie Medikamente, die die Schmerzen lindern, die Entzündungen hemmen und auftretendes Fieber senken sollen. Kortisonhaltige Medikamente sollten bei Kindern und Jugendlichen eher zurückhaltend eingesetzt werden. Neben der medikamentösen Therapie ist - für Kinder wie für Erwachsene mit Rheuma - Physiotherapie, Ergotherapie und eine Schmerztherapie sinnvoll. Auch die richtige Ernährung kann bei Rheuma helfen.
Kinderrheuma - Wo finden Betroffene Hilfe?
Sowohl die Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V. als auch das Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie bieten Betroffenen zahlreiche Hilfsangebote an. So informiert die Spezialklinik in Garmisch-Partenkirchen zum Beispiel Eltern und Patienten in speziellen Schulungen über das Krankheitsbild Rheuma. Die Rheuma-Liga erklärt auf ihrer Webseite unter anderem, warum das Impfen für rheumakranke Kinder besonders wichtig ist und hat für Eltern rheumakranker Kinder einen speziellen Ratgeber zusammengestellt.
Welt-Rheuma-Tag
1977 gab es erstmals ein "Welt-Rheuma-Jahr", ausgeschrieben von der internationalen Rheumaliga und unterstützt von der Weltgesundheitsorganisation. Der Welt-Rheuma-Tag wurde 1996 von der Arthritis and Rheumatism International (ARI) ins Leben gerufen, der internationalen Vereinigung von Selbsthilfeverbänden Rheumabetroffener. Die Deutsche Rheuma-Liga, die größte Selbsthilfeorganisation in diesem Bereich, hat den Jahrestag in Deutschland 2005 eingeführt und begeht seitdem den Welt-Rheuma-Tag stets am 12. Oktober mit einem besonderen Motto und Kampagnenschwerpunkt. Das Motto dieses Jahr lautet: "So managen Sie Ihr Rheuma".
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