Wanderratte ((Rattus norvegicus), fotografiert in Huelva, einer Stadt in Spanien
Bildrechte: picture alliance /blickwinkel/Fotograf: M. Woike

Ratten sind, wie der deutsche Name schon verrät, die bevorzugten Endwirte des Rattenlungenwurms.

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Nach Fund auf Mallorca: Wie gefährlich ist der Rattenlungenwurm?

Der früher vor allem in Asien vorkommende Rattenlungenwurm scheint sich in Europa auszubreiten. Der Parasit, der sich in den Lungen von Ratten vermehrt, kann beim Menschen eine tödliche Hirnhautentzündung auslösen. Grund zur Panik besteht aber nicht.

Ausgerechnet auf den beiden beliebten Urlaubsinseln Teneriffa und Mallorca wurden bisher in der EU Spuren des ursprünglich vor allem im südostasiatischen Raum beheimateten Rattenlungenwurms gefunden. Das sorgte für Schlagzeilen. Schließlich kann sich auch der Mensch über die Nahrungskette mit dem Parasit infizieren - mit verheerenden Folgen. Aber müssen wir uns wirklich vor dem Rattenlungenwurm fürchten?

Rattenlungenwurm: Risiko für Mensch gering

Menschen erkranken durch den Rattenlungenwurm nur unter sehr ungewöhnlichen Umständen, erklärt Tomas Jelinek vom Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin. "Das zu kriegen ist echt schwer", sagt der Mediziner.

Erhöhte Aufmerksamkeit für den Rattenlungenwurm

Trotzdem ist der Rattenlungenwurm unter Wissenschaftlern und insbesondere in den spanischen Medien ein Thema, seit Spuren des Parasiten auf Mallorca gefunden wurden. Was ist dort genau passiert? 2018 waren auf der Baleareninsel in einer Wildtierstation zwei kranke Igel abgegeben worden. Wie sich später herausstellte, war der Rattenlungenwurm die Ursache für die Erkrankung der Tiere. Und auch auf Teneriffa wurde laut einer Studie von 2010 der Wurm bei Ratten gefunden. Er galt als erster Fund in der EU.

Obwohl Menschen weder auf Teneriffa noch auf Mallorca zu Schaden kamen, ist die Aufregung um den Rattenlungenwurm in jüngster Zeit groß. So schrieben Wissenschaftler um Claudia Paredes-Esquivel von der Universität der Balearen im August 2019 in einem Fachblatt über den Fall auf Mallorca: Es sei anzunehmen, dass der Parasit auf der Insel aktiv übertragen werde. Ratten und Schnecken, die eine Ausbreitung erleichtern könnten, seien allgegenwärtig.

Der Rattenlungenwurm - eine "Emerging Disease"

Tatsächlich breitet sich der Angiostrongylus cantonensis, wie der erstmals 1935 bei Ratten in China beschriebene Parasit wissenschaftlich heißt, neuerdings nicht nur in der EU aus. Laut der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) ist der Rattenlungenwurm inzwischen nicht mehr nur in Südostasien verbreitet, sondern taucht mittlerweile auch auf den pazifischen Inseln, in Afrika, der Karibik und den USA auf. Der Rattenlungenwurm gilt daher als sogenannte "Emerging Disease", als sich ausbreitende Krankheit.

Klimawandel und Reisen

"Globalisierung und Klimawandel dürften zur Ausbreitung beigetragen haben." Peter-Henning Clausen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität Berlin.

Ratten reisen laut Clausen als blinde Passagiere zum Beispiel an Bord von Schiffen um die Welt. Und wärmere Temperaturen nützten den Parasiten, da für die Larvenentwicklung eine gewisse Temperatur nötig sei. Doch wird der Wurm dadurch gleich zur Gefahr in Europa?

Infektion erfolgt über Larven - der Mensch ist aber kein Überträger

Dass sich ein Mensch durch einen Rattenlungenwurm infiziert, ist zwar eher unwahrscheinlich, aber es ist möglich. Nicht über die Würmer selbst kann er sich infizieren, sondern über deren Larven. Sie werden mit dem Kot der Ratten ausgeschieden.

Um für den Mensch infektiös zu sein, müssen sich die im Rattenkot befindlichen Larven allerdings noch weiterentwickeln. Im Mensch selbst ist eine solche gefährliche Weiterentwicklung der Larven nicht möglich. Er ist für den Rattenlungenwurm ein sogenannter "Fehlwirt", in dem sich der Wurm nicht weiterentwickeln kann. In unserem Körper überleben die Larven maximal ein paar Monate ohne infektiös zu sein. Auch untereinander können sich Menschen nicht anstecken.

Infektion: Verzehr von Schnecken ist besonders gefährlich

Für eine Infektion ist ein sogenannter "Zwischenwirt" notwendig. Schnecken sind solche "Zwischenwirte". In ihnen können sich die Larven so weit entwickeln, bis sie für den Menschen ein ansteckendes Stadium erreicht haben. Isst der Mensch eine mit den Larven befallene Schnecke, kann er sich mit dem Parasit infizieren.

Gefährlich sind auch Tiere, die kontaminierte Schnecken gefressen haben. Das können zum Beispiel Frösche oder Landkrabben sein. Schleim befallener Schnecken kann laut Clausen, Veterenärmediziner an der FU Berlin, ebenfalls infektiös sein. Dieser sei aber wegen der niedrigeren Anzahl infektiöser Larven vermutlich weniger relevant.

Das Fatale daran: Ausgerechnet auf Mallorca gehören Schnecken zur lokalen Küche. Wohl auch deshalb sorgte der Wurm-Fund dort besonders für Schlagzeilen.

Wie kann ich eine Infektion verhindern?

"Das Risiko einer Infektion reduziert sich allerdings drastisch durch ausreichendes Garen", betont Clausen von der FU Berlin. Dennoch appelliert die US- Gesundheitsbehörde CDC, auch beim Waschen von Salat und Gemüse besonders gründlich zu sein. Das gilt auch für Regionen ohne bekanntes Rattenlungenwurm-Vorkommen. Grund hierfür ist ein in einer Studie von 2017 geschilderter Fall einer Frau: Sie war wegen des Parasiten an Hirnhautentzündung erkrankt - obwohl sie den Raum Paris seit zwei Jahren nicht verlassen hatte. Letztlich konnte es nicht bewiesen werden, aber im Verdacht standen kontaminierte Import-Lebensmittel.

Infektion durch den Rattenlungenwurm und die Folgen

Manche Betroffene haben laut der US-Gesundheitsbehörde CDC gar keine oder nur milde Symptome. In den meisten Fällen werden Patienten sogar ohne Behandlung wieder gesund. Dennoch gilt der Parasit beim Menschen laut Studien als häufigste Ursache einer seltenen Form von Hirnhautentzündung. Von schweren Verläufen seien eher Menschen mit Abwehrschwäche betroffen, erläutert Tomas Jelinek, Mediziner am Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin.

Nach Infektion: Erkrankungsrisiko und Todesfälle weltweit

Weltweit sind bisher rund 2.800 Erkrankungen durch den Wurm aus 30 Ländern beschrieben - "das ist eine Rarität", betont Jelinek. Ein Schwerpunkt ist Thailand, wo Gerichte mit rohen Weichtieren auf den Tisch kommen. Bekannt sind auch extreme Einzelfälle von Wetten oder Mutproben, bei denen Menschen lebende Schnecken aßen und erkrankten. Einer Überblicksstudie zufolge kommt es in zwei bis drei Prozent der Fälle zum Tod.

Rattenlungenwurm: Konsequenzen aus Fund auf Mallorca

Mit Blick auf Mallorca sagt Peter-Henning Clausen vom Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität Berlin, dort sei nun eine genauere Risikoabschätzung nötig, indem vor Ort mehr Daten erhoben werden. „Es sollte untersucht werden, wie häufig die Larven in Schnecken vorkommen.“ Eine weitere Ausbreitung des Rattenlungenwurms in Zukunft hält der Wissenschaftler angesichts des Klimawandels und des vermehrten globalen Warenaustausches für möglich.

Der Mediziner Tomas Jelinek rechnet aber dennoch generell nicht mit einem größeren Erkrankungsrisiko für Menschen in Europa "Das wird keine Relevanz haben", sagt er.