Impfspritze auf Impfausweis mit dem Schriftzug Krebs
Bildrechte: picture alliance / CHROMORANGE | Christian Ohde

Auf Impfstoffen, die vor Krebs schützen oder die Krankheit therapieren können, ruhen große Hoffnungen.

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Impfung gegen Krebs: Wie weit ist die Forschung?

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wirkungsvoll mRNA-Impfstoffe gegen eine Infektionskrankheit sein können. Eigentlich sollten sie aber die Therapie von Krebserkrankungen revolutionieren. Wie weit ist der Weg noch bis zur Impfung gegen Krebs?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Ende Oktober meldete Biontech erste Erfolge bei der klinischen Erprobung einer Krebstherapie. Diese nutzt unter anderem die mRNA-Technologie, so wie das auch die Covid-19-Impfstoffe des Mainzer Unternehmens tun. Die Wirkungsweise ist die gleiche: Der Impfstoff enthält einen mRNA (messenger-Ribonukleinsäure)-Botenstoff mit dem Bauplan für ein bestimmtes Protein (Eiweiß). Diese Botenstoffe sorgen dafür, dass die Zellen an der Einstichstelle eine Zeit lang dieses Protein produzieren. Das menschliche Immunsystem erkennt dieses Protein als Fremdkörper und bekämpft es. Bei den Covid-19-Impfstoffen handelt es sich dabei um das typische Spike-Protein auf der Oberfläche des Coronavirus.

Die mRNA-Methode war aber eigentlich gar nicht für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen eine Infektionskrankheit vorgesehen. Schon seit Jahrzehnten wird erforscht, ob mRNA-Impfungen als Therapie gegen Krebs geeignet sind. Nur deswegen war es überhaupt möglich, 2020 innerhalb weniger Monate mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 zu entwickeln, zu testen und in großer Menge zu produzieren. Der weltweite Einsatz der Corona-Impfstoffe hat dafür die Forschung an Impfstoffen gegen Krebs vorangebracht. Innerhalb kurzer Zeit konnten sehr viele Informationen zu Verträglichkeit, Impfreaktionen und Nebenwirkungen gesammelt werden.

Impfstoffe sollen das Immunsystem gegen Krebszellen mobilisieren

Auch die mRNA-Impfstoffe gegen Krebs sollen das Immunsystem aktivieren. Allerdings nicht gegen einen Krankheitserreger, der von außen angreift, sondern gegen körpereigene Krebszellen. Auch diese sind an bestimmten Proteinen ihrer Oberfläche erkennbar, wenn sie sich bösartig verändern. Allerdings gelingt es Krebszellen, sich auf vielerlei Weise zu tarnen oder die Antwort des Immunsystems zu bremsen. Deshalb ist es viel schwieriger, einen mRNA-Impfstoff gegen einen körpereigenen Krebs zu entwickeln als einen Impfstoff gegen einen Keim wie das Coronavirus. Zudem muss jeder Patient individuell behandelt und die Impfung auf jeden einzelnen Tumor ausgerichtet werden. Das macht die Behandlung aufwendig und teuer.

Weltweit forschen Pharmafirmen, Universitäten und andere Forschungseinrichtungen an Impfstoffen gegen Krebs. Zum Beispiel beim Unternehmen Curevac, das unter anderem an mRNA-Impfstoffen für die Behandlung von schwarzem Hautkrebs und Gehirntumoren arbeitet. Ebenfalls in Tübingen ansässig ist der Krebsspezialist Immatics, der gemeinsam mit dem US-Konzern Moderna mRNA-Impfstoffe gegen Krebs entwickeln will. Und auch Biontech arbeitet an mehreren Impfstoffkandidaten, darunter dem, zu dem das Unternehmen jüngst erfolgreiche Zwischenergebnisse aus einer Studie verkündete.

Kombination von Impfung und Zelltherapie

In dieser Studie wird die Wirkung eines Impfstoffs gegen Krebs als Ergänzung zu anderen Behandlungsmethoden untersucht. Die Krebstherapie von Biontech ist eine Kombination aus Impfung und der sogenannten CAR-T-Zelltherapie. Bei diesem Verfahren werden den Patienten weiße Blutkörperchen (T-Lymphozyten) entnommen und im Labor genetisch so verändert, dass sie ein bestimmtes Protein der Tumorzellen, Claudin-6, erkennen und diese angreifen können. Der mRNA-Impfstoff richtet die T-Zellen zusätzlich auf das Antigen Claudin-6 aus.

Nach Angaben von Biontech sprach etwa die Hälfte der Krebspatienten auf die Therapie an. Allerdings zeigten sich auch bei etwa der Hälfte der Patienten unerwünschte Nebenwirkungen. Die Angaben stammen aus einer Phase-1- und -2-Studie mit nur 44 Teilnehmern. In einer solchen Studie wird zunächst getestet, wie verträglich eine Therapie und was die richtige Dosierung der Wirkstoffe ist. Erste Aussagen zur Wirksamkeit sind aber dennoch möglich. Ob die Therapie aber tatsächlich bei vielen Patienten einsetzbar ist, kann erst eine Phase-3-Studie mit deutlich mehr Teilnehmern zeigen. Falls sich die Behandlungsmethode auch dort bewährt, könnte sie bei der Bekämpfung verschiedener Tumoren zum Einsatz kommen, unter anderem bei Eierstockkrebs, bei verschiedenen Weichteiltumoren (Sarkomen), Hodenkrebs, Gebärmutterkrebs und Magenkrebs.

Noch Jahre bis zur breiten Anwendung

In einer anderen Phase-2-Studie untersucht BioNTech die Behandlung von Schwarzem Hautkrebs mit einem mRNA-Impfstoff. Dieser Impfstoff enthält die Baupläne für vier verschiedene Proteine. Mindestens eines davon produzieren die Krebszellen von 90 Prozent aller Patienten mit einem Melanom. Außerdem entwickelt Biontech derzeit Impfstoffe gegen Prostatakrebs, Lungenkrebs und weitere Krebsformen.

Bis der erste Krebsimpfstoff tatsächlich marktreif ist, wird aber voraussichtlich noch einige Zeit vergehen. Es wird noch Jahre dauern, bis Patienten eine Impfung gegen Krebs als Therapie angeboten werden kann, sagte Professor Hana Algül, der am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München an Krebserkrankungen des Verdauungstraktes forscht, im BR-Interview. Die Ergebnisse aus den laufenden Studien seien aber ein Anlass zur Hoffnung.

Dieser Artikel ist erstmals am 11.11. auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

Audio: Die mRNA-Technologie – Ein neuer Baustein für die Medizin

Illustration eines Schriftzugs "mRNA" mit Impfspritze und Coronaviren.
Bildrechte: picture alliance/Zoonar/Cigdem Simsek
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Die mRNA-Technologie

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